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Digitaltag

«Es lässt sich so viel Gutes tun»

Er hat Tesla vor dem möglichen Untergang gerettet, nun setzt er sich für die Region und die Schweiz ein. Der Möriger Sascha Zahnd ist in Biel öffentlich aufgetreten – was äusserst selten vorkommt.

Das Meistern von digitalen Herausforderungen ist laut Sascha Zahnd eine "natürliche Entwicklung des Unternehmertums". Bild: Peter Samuel Jaggi

Tobias Graden

Pfefferminztee hat kein Koffein: Wenn man Sascha Zahnd fragt, was ihm die Digitalisierung im Alltag ganz konkret bringt, dann antwortet er dies: «Ich weiss, dass Pfefferminztee kein Koffein hat.» Kürzlich nämlich, an einem Tag, an dem er schon mehr als genug Kaffee getrunken hatte, bestellte er Tee – und wollte welchen wählen, der seinen Koffeinspiegel nicht weiter erhöht. Eine kurze Google-Suche auf dem Smartphone, und Zahnd konnte bedenkenlos den Pfefferminztee trinken.

Erzählen tut dies Zahnd am gestrigen Digitaltag im Swiss Innovation Park Biel/Bienne. Hier geht es an der Mittagsveranstaltung der Wirtschaftskammer und des Handels- und Industrievereins darum, die Frage zu diskutieren, was denn die Digitalisierung alles noch mit sich bringen werde.

Der Tesla-Retter

Es ist einer der ganz seltenen öffentlichen Auftritte des Präsidenten des Verbands Digitalswitzerland. Zahnd macht sich rar: Interviewanfragen lehnt er ab, seine Rolle als Präsident versteht er in erster Linie als Arbeiter hinter den Kulissen. Nur für Biel macht er eine Ausnahme: Zwar ist der Seeländer am Digitaltag noch an zwei anderen Orten zugegen, aber nirgends so lange wie hier.

Dabei hätte Zahnd viel zu erzählen. Nach seiner Zeit beim Uhrwerkhersteller ETA war der Möriger für Tesla tätig. Gemäss den spärlichen Medienberichten über diese Zeit ist es vor allem ihm als Verantwortlichen für die gesamte Wertschöpfungskette zu verdanken, dass der Elektroauto-Produzent die Probleme bei der Fertigung des Model 3 in den Griff bekam und so auf die Erfolgsspur fand. Ohne Zahnd «gäbe es Tesla wohl nicht mehr», schrieb die «Bilanz» letzten Frühling. Danach war Zahnd als Europachef von Tesla unter anderem für die Ansiedlung der Gigafactory bei Berlin zuständig – bevor er nach viereinhalb Jahren ohne Ferien Tesla verliess und in der Schweiz unter anderem das Präsidium von Digitalswitzerland übernahm.

Nun ist er Botschafter der Digitalisierung – und er betrachtet es als seine Aufgabe, gerade auch die Regionen und die KMU bei der digitalen Transformation zu unterstützen (vgl. auch BT von gestern).

Die Erwartungen der Kunden

Selber sieht sich Zahnd keineswegs als Speerspitze der Digitalisierung. Noch vor fünf Jahren habe er sich oft E-Mails ausdrucken lassen, um sie zu lesen – dass selbst er nun auf digitale Weise damit klar komme, zeige, dass der Wandel allen Vorteile bringe und auch für alle bewältigbar sei, meint er mit einem Augenzwinkern. Zweifellos müsse darauf geachtet werden, dass niemand durch die Entwicklung abgehängt werde. Das Beispiel Afrika aber zeigt für Zahnd das Ermächtigungspotenzial der Digitalisierung: Dank der neuen Technologien können Menschen, die noch vor einigen Jahren keine Kreditkarte bekommen hätten, nun am digitalen Zahlungsverkehr teilhaben. Ideal sei also, wenn die Menschen durch die Digitalisierung nicht bewusst alte Gewohnheiten zu verlernen hätten, sondern sich neue aneignen, weil ihnen mit diesen schlicht das Leben leichter falle. So sei es jedenfalls bei seinen eigenen Eltern: Diese müssten sich dank Online-Shopping und Heimlieferung zum Einkaufen nicht mehr ständig aus dem Haus bewegen.

Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen aber kann die Digitalisierung durchaus auch bedrohliche Seiten haben – schliesslich geht mit ihr auch ein Strukturwandel einher. Sascha Zahnd rät den Firmenführern, in erster Linie auf die Chancen zu fokussieren, weniger auf die Ängste und die Risiken. Vorausschauendes Handeln sei aber unabdingbar. «Fragen Sie Ihre Kunden, was diese von Ihnen in fünf Jahren erwarten», rät Zahnd. So könnten sich die Unternehmen gezielt auf die Anforderungen der Zukunft vorbereiten und entsprechend investieren – gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Firmen, denn solche Anpassungen könnten kostspielig sein. Insgesamt betrachtet Zahnd das Meistern der Herausforderungen der Digitalisierung an Firmen als «natürliche Entwicklung des Unternehmertums».

«Ich bin sehr optimistisch»

Mit der Digitalisierung sind aber auch neue Risiken aufgekommen. Darauf macht ein Zuhörer aufmerksam, als er Zahnd auf die Cyberkriminalität anspricht. Nicht nur Grosskonzerne würden in Millionenhöhe erpresst, bestätigt Zahnd, «sondern auch KMU um 10 000 Franken». Auch hier rät Zahnd zu Kooperationen – so seien auch die nötige Schnelligkeit und Skalierbarkeit möglich.

Die ganz grossen, kritischen Fragen zur Digitalisierung werden an diesem Tag jedoch nicht gestellt. Werden Digitalisierung und Automatisierung massenhaft Arbeitslose produzieren? Sind darum eine Robotersteuer oder ein Grundeinkommen nötig? Wie sieht es mit dem Risiko der Überwachung aus? Darüber wird am Digitaltag in Biel nicht gesprochen. Sascha Zahnd ist jedenfalls überzeugt, dass die Digitalisierung zu sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und guter Beschäftigung führen werde: «Ich bin sehr optimistisch. Mit der Digitalisierung lässt sich so viel Gutes tun.»

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