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Iran-Sanktionen

Exporteure gehen auf Tauchstation

Die ultimativen Drohungen aus den USA und die nicht minder scharfe Gegenreaktion der EU bringen die Schweizer Unternehmen in ein schwer überwindbares Dilemma.

Zwischen US-Sanktionen und EU-Reaktionen. Symbolbild: Keystone

Andreas Flütsch

Der Chef des Industriekonzerns ABB machte seinem Ärger über die geplanten Sanktionen der amerikanischen Regierung gegen den Iran im Juni offen Luft: Anstatt das veraltete iranische Stromnetz modernisieren zu helfen, müsse ABB im Iran «den Stecker ziehen», sagte Ulrich Spiesshofer an einem Podiumsgespräch des Swiss Economic Forum.

In der vergangenen Woche haben die USA die angekündigten Sanktionen gegen die Islamische Republik in Kraft gesetzt. Jetzt verweigert ABB jede Aussage zum Iran. Stattdessen verschickte der Konzern eine dürre Erklärung. Demnach treffe man «geeignete Massnahmen, um sicherzustellen, dass alle massgeblichen Handelsvorschriften eingehalten werden».

ABB und andere Schweizer Unternehmen gehen mit gutem Grund auf Tauchstation. Auf der einen Seite hat US-Präsident Donald Trump in der letzten Woche mit einem Tweet den Druck zusätzlich erhöht: Die Unternehmen müssten sich entscheiden, ob sie mit Amerika oder mit dem Iran Geschäfte machen wollten.

Auf der anderen Seite hat die Europäische Union Gegendruck aufgebaut. Dies in Gestalt einer Verordnung, die es in der EU tätigen Firmen untersagt, sich an die amerikanischen Iran-Sanktionen zu halten. Brüssel hat auch versprochen, Unternehmen zu unterstützen, wenn sie sich vor Gericht gegen allfällige Bussen der USA wegen Missachtung der Iran-Sanktionen zur Wehr setzen.

 

Nur wenige Firmen bleiben
Der Bund versucht zwar, die Exportwirtschaft etwas zu beruhigen. «Die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran haben rechtlich keine bindende Wirkung auf Schweizer Firmen, desgleichen die Gegenreaktion der EU», sagt ein Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Die Exporteure seien frei, ob sie mit dem Iran geschäften wollten oder nicht. Das mag zwar aus einer rein schweizerischen Innensicht stimmen – es nützt aber den heimischen Unternehmen nichts, wenns um ihre Geschäfte im Ausland geht.

Denn in der EU bestimmt Brüssel, was rechtens ist. Und im Handelsverkehr mit dem restlichen Ausland bestimmen faktisch die USA weitgehend, was Gesetz ist. Kurzum: Die Schweizer Exporteure sitzen zwischen allen Stühlen. Was tun? Die hiesige Exportwirtschaft macht weit überwiegend mit Amerika mehr oder bessere Geschäfte als mit der Islamischen Republik. Ihnen ist spätestens seit Trumps Tweet klar, auf welche Seite sie sich zu schlagen haben. «Unternehmen, die in den USA aktiv bleiben wollen, werden aktuell nicht mit dem Iran geschäften», sagt Jonas Lang von Swissmem, dem Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie.

«Nur wenige Firmen können es sich leisten, wegen des Iran im amerikanischen Markt grosse Probleme zu riskieren», sagt Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaft des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Die kleine Minderheit von Unternehmen, die traditionell mit dem Iran im Geschäft sei, werde daran festhalten, wenn sie in den USA nicht aktiv seien, ist Philippe Welti, Präsident der Wirtschaftskammer Schweiz-Iran, überzeugt. Bislang haben lediglich einzelne Firmen wie etwa der Autozulieferer Autoneum und Stadler Rail öffentlich gemacht, dass sie ihre Iran-Engagements auf Eis legen.

Dass ABB und andere Grosskonzerne kommunikativ auf Tauchstation gehen, liegt vor allem daran, dass sie möglichst nicht zwischen die Fronten geraten wollen, sollten sich allenfalls die Spannungen zwischen den USA und der EU erhöhen. Anders als Washington will Brüssel am Atomabkommen mit dem Iran festhalten und ist deshalb weiterhin an einem offenen Wirtschaftsaustausch mit dem Land interessiert. Dagegen drohen die USA damit, die Iran-Sanktionen im November weiter zu verschärfen.

Nur ja nicht auf dem Radar der Grossmächte auftauchen, sei die Devise, sagt ein Schweizer Diplomat. Das gelte auch für kleine und mittlere Firmen, denen die EU Unterstützung bei Verstössen gegen die US-Sanktionen zugesagt hat. Doch das Vertrauen in Brüssel als Helfer gegen Trumps aggressiven Iran-Kurs ist begrenzt. «Wie die EU Firmen, die von den USA wegen Missachtung von Sanktionen gebüsst werden, finanziell und rechtlich schützen will, ist noch unklar», sagt Atteslander von Economiesuisse.

 

Abschreckende Wirkung
Humanitäre Güter wie Medikamente, Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel sind traditionell von Sanktionen gegen ein Land ausgenommen. Doch auch hier hat Trump die Gangart verschärft. «Wer humanitäre Güter wie etwa Pharmaprodukte in den Iran exportieren will, muss bei den US-Behörden eine Bewilligung beantragen», sagt Erik Jandrasits von Scienceindustries, dem Dachverband der Pharma- und Chemiebranche. «Es gibt keine Garantie, dass die Bewilligung erteilt wird.» Novartis verfügt nach eigenen Angaben über einen solchen Freipass, der Mühlenbauer Bühler mit 100 Mitarbeitenden im Iran bemüht sich laut «Blick» um eine Lizenz. Einigkeit herrscht in der Exportwirtschaft, dass Geschäfte mit dem Iran allein schon am Unwillen der Banken scheitern. Die Credit Suisse musste 2009 wegen Verletzung von US-Sanktionen gegen den Iran über eine halbe Milliarde Dollar Strafe zahlen. «Welche Bank will noch Transaktionen mit dem Iran abwickeln, wenn sie dadurch riskiert, von den USA vom Zugang zu Dollars ausgeschlossen zu werden», sagt Atteslander.

Den Exporteuren humanitärer Güter wie Nahrungsmittel oder Pharma gehe es kaum besser, sagt Jandrasits von Scienceindustries: «Selbst wenn eine Bewilligung erteilt wird, könnte die finanzielle Abwicklung von Exporten schwierig werden, weil sich die Banken bei diesen finanziellen Transaktionen sehr zurückhaltend zeigen.»

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