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Datenschutz

Facebook unterläuft neue EU-Regeln

Verwirrender Fragebogen statt Transparenz: Der Datenriese Facebook lässt es in Sachen Datenschutz wohl auf einen Rechtsstreit mit Brüssel ankommen.

Protestaktion in Brüssel mit Pappfiguren von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Keystone

Eva Wolfangel

Internetnutzer konnten sich in den vergangenen Tagen gebauchpinselt fühlen: Noch nie fanden sich im Posteingang so viele Mails von verschiedensten Anbietern, die betonten, wie wichtig ihnen die Privatsphäre des Nutzers sei. Jede App, jeder Newsletter-Verfasser, jedes soziale Netzwerk schickte Nachrichten auf die Handys der Nutzer. «Wir sorgen für mehr Transparenz bei den Daten, wie sie genutzt werden und welche Möglichkeiten der Kontrolle du über deine personenbezogenen Daten hast», schrieb etwa Twitter. Whatsapp hat kurzerhand das Mindestalter für Nutzer auf 16 Jahre hochgesetzt, um Jugendliche zu schützen, freilich ohne das zu kontrollieren. Dass sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg letzte Woche den Fragen von EU-Parlamentariern stellte, liegt auch an der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union, die am Freitag in Kraft trat.

Jedes Unternehmen beschäftigte sich in diesen Tagen mit der Frage, welche Folgen die Regelungen hat und wie interne Abläufe geändert werden müssen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Daten der Nutzer zwar als wertvoll angesehen werden – dass aber gerade jene Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Nutzerdaten beruhen, die Hoheit darüber behalten wollen. «Überprüfe deine Dateneinstellungen und triff bis zum 25. Mai eine Auswahl, um Facebook weiternutzen zu können», bekamen alle in Europa angemeldeten Facebook-Nutzer angezeigt. Wer den entsprechenden Button anklickte, in der Sorge, sonst vom sozialen Netzwerk ausgesperrt zu werden, trat in einen unübersichtlichen Dialog mit Facebook. Ob man die Gesichtserkennung einschalten wolle? Wer Nein anklickte, bekam nicht die nächste Frage, sondern den Hinweis, dass Facebook dann auch nicht helfen könne, falls andere Nutzer das eigene Foto als ihres ausgäben – und ob man unter diesen Umständen wirklich auf die Gesichtserkennung verzichten wolle?

 

«Irreführend, manipulativ»

«Dieser Dialog strotzt vor irreführenden Formulierungen und manipulativer Dialogführung», kritisiert der Wiener Privacy-Forscher und Netzaktivist Wolfie Christl. Damit sollten möglichst viele Nutzer ausgetrickst werden, «um einem der global grössten Digitalkonzerne mit einzigartiger Kontrolle über soziale Beziehungen, Information und Kommunikation formal die Zustimmung zu Gesichtserkennung, Datenverknüpfung mit Drittparteien und neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen» zu geben. Ähnlich abschreckend hat Facebook den Knopf gestaltet, mit dem Nutzer verhindern können, dass der Konzern Daten über ihre religiösen oder politischen Ansichten nutzt.

Natürlich müsse Facebook viele Daten verarbeiten, um die Dienstleistung eines sozialen Netzwerks zu erfüllen, sagt Christl. Dennoch stelle sich die Frage, ob das Vorgehen des Konzerns der neuen Verordnung widerspreche. Dort sei die Rede von einer «informierten, freiwilligen und eindeutigen» Einwilligung der Nutzer. Schliesst das nicht ein solches «Überreden» aus? Hinzu kommt das sogenannte Kopplungsverbot: Demnach müssen Nutzer zustimmen, dass auch Daten erhoben werden, die nicht direkt zur Erfüllung der Dienstleistung – hier das Angebot eines sozialen Netzwerks – nötig sind. Nutzer dürfen also nach Ansicht von Datenschutzexperten nicht unter Druck gesetzt werden mit einem «Du kannst Facebook dann nicht mehr nutzen». Laut Christl bezweifeln viele Rechtsexperten, dass Facebook seine Nutzer zu so einer weitgehenden Einwilligung zwingen kann. «Für Facebook ist diese Vorgehensweise aber fast überlebensnotwendig, weil es sonst mit seinem Geschäftsmodell in der EU einpacken könnte.»

Facebook geht auf diese Kritik nicht direkt ein. Es heisst nur, man habe sichergestellt, die neuen EU-Datenschutzregeln einzuhalten. Eine Sprecherin sagt, dafür habe man über 18 Monate «Hunderte von Angestellten zusammengebracht». Nun seien die Regeln des Netzwerks klarer, und die Privatsphäre-Einstellungen seien einfacher zu finden.

Die Branchenanalystin Fatimeh Khatibloo der auf Informatikthemen spezialisierten US-Marktforschungsfirma Forrester Research vermutet, dass Facebook bewusst auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinsteuern will. Der Konzern versuche mit seinem teils verwirrenden Fragenkatalog genau die «heiligsten» Aspekte der neuen Verordnung zu untergraben: Transparenz und die informierte Einwilligung. Auf diese Weise wolle der Konzern «Reaktionen des Datenschutzes provozieren, um Dinge zu verändern. Sie gehen an die Front.» Diese Sorge hatten auch Datenschützer immer wieder geäussert: Die Behörden seien im Vergleich zu den Konzernen personell und finanziell zu schlecht ausgestattet, um die Regelungen durchzusetzen. «Facebook hat das kalkuliert und ist überzeugt zu gewinnen», sagt Khatibloo. Zudem erwarte der Konzern wohl, dass die irische Datenschutzbehörde – die wegen des europäischen Sitzes von Facebook zuständig ist – das Vorgehen nur oberflächlich verfolgt, da Irland stark von den Steuerzahlungen und Investitionen von Facebook profitiere. Bedenklich findet Khatibloo, dass ein Unternehmen, das faktisch «Besitzer» der digitalen Identitäten von 2 Milliarden Menschen ist, die Macht habe, demokratisch legitimierte Gesetze auszuhebeln.

 

Kurzfristige Einschränkung

Was also tun? Nutzer können den Zugriff von Facebook auf ihre Daten mittels individueller Einstellungen zumindest kurzfristig ein wenig einschränken. Privacy-Forscher Wolfie Christl empfiehlt, den Dialog von Facebook zur Datenschutzverordnung durchzuklicken, ohne sich um die Antworten zu kümmern und stattdessen in den Einstellungen aufzuräumen. Unter dem Menüpunkt Facebook.com/ads/preferences sollten unter «Einstellungen für Werbeanzeigen» die ersten beiden Punkte auf «nicht zugelassen» und der letzte auf «niemand» gestellt sein. Hier geht es darum, ob Daten über eigene Internetaktivitäten ausserhalb von Facebook verwendet werden dürfen. Wer das nicht will, sollte das Häkchen auf «nicht zugelassen» stellen.

Bei den Angaben, welche Daten genutzt werden können, um Werbung zu personalisieren, sind in der Grundeinstellung alle Häkchen aktiv: Beziehungsstatus, Arbeitgeber, Berufsbezeichnung, Ausbildung. Unter dem Punkt «Deine Informationen» lässt sich das ausschalten, ebenso die Gesichtserkennung unter «Einstellungen, Gesichtserkennung».

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