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Nidau

Fernsehen für die Netflix-Generation

Filme, Videos, Musik, Games – als erster Kabelnetzanbieter integriert das Nidauer Unternehmen Quickline die Welt der Apps in seine TV-Plattform.

Pressekonferenz am Firmensitz in Nidau: Reto Bitschnau (Teamleiter TV-Produktemanagement), Frédéric Goetschmann (Geschäftsführer), Nadine Anderegg (TV-Produktemanagerin) und Stefan Trittibach (TVSolution- Architect, von links). Bilder: Raphael Schaefer

Manuela Schnyder

Filme und Serien auf Netflix, Videos auf Youtube oder Musik auf Spotify: Der Trend hin zum Unterhaltungskonsum über Apps ist nicht mehr aufzuhalten. Der Netzverbund Quickline mit Sitz in Nidau will genau hier der Konkurrenz den Rang ablaufen.

Als erster TV-Anbieter in der Schweiz integriert Quickline die Welt der Apps in seine TV-Plattform. «Mit einer Fernbedienung können Kunden mit einem Klick vom klassischen Fernsehen auf Streaming-Apps wie Netflix, Sky oder Dazn wechseln», sagt Firmenchef Frédéric Goetschmann.

Bislang war die Nutzung von solchen Streaming-Apps nur über einen Smart-TV oder mit einer Set-Top-Box möglich, die den Fernseher in einen Smart-TV verwandelt. Denn auf diese Weise kann sich der Fernseher mit dem Internet verbinden und App-Inhalte streamen.

Mit der neuen Quickline-Box ist das jetzt aber auch möglich. Der Netzbetreiber setzt dabei auf Android. Eine Vereinbarung mit dem US-Techriesen Google erlaubt es ihm, das Betriebssystem Android TV in die Plattform 
zu integrieren. So können 
Quickline-Kunden den Google Playstore direkt über die Plattform ansteuern und Apps auswählen.


Erst der Anfang
Die Vision von Quickline geht noch weiter. Die von den Nutzern ausgewählten Apps sollen auf dem persönlichen Nutzerprofil synchronisiert werden. Auf der Seite «MyPage», die bislang mit persönlichen Vorschlägen zu Filmen und Sendungen des klassischen Fernsehens gespiesen wird, sollen die personalisierten Inhalte der Apps angezeigt werden. Die Integration der Apps auf «MyPage» wird laufend erweitert. Bereits integriert ist die wohl beliebteste App Netflix, an der sich die Seite auch layoutmässig stark orientiert. Konkret findet sich neben Kategorien wie «TV-Empfehlungen für dich», «Jetzt weiterschauen» oder «Deine ungesehenen Aufnahmen» beispielsweise auch die Kategorie «Beliebt auf Netflix».

Als Nächstes würden Empfehlungen von Sky und Spotify aufgeschaltet, sagt Reto Bitschnau, Teamleader des TV-Produktmanagements. Künftig seien damit auch Serien von Sky und Musik von Spotify direkt von der Quickline-Plattform abspielbar. Für nationale Inhalte wird ihm zufolge eine Vereinbarung mit SRF sorgen. Dokumentationen und Serien von SRF wie «Wilder» und «Bestatter» seien damit über das Abo erhältlich. Die Integration dürfte langfristig so weit gehen, dass auch Abo-Rechnungen von Spotify oder Netflix über Quickline abgewickelt würden, sagt Goetschmann.


Geht auch ohne Anbieter
Die UHD-fähige Box, die Bilder in viermal höherer Auflösung anzeigen kann als Full-HD, war seit letztem April in der Testphase bei sogenannten Beta-Kunden. Der Einstieg verlief nicht ganz störungsfrei. User aus der «Quickline-Community» berichteten von verschiedensten Fehlern: leerer TV-Guide, ungewollte Neustarts, keine Netflix-Inhalte oder Störungen bei der Wiedergabe von Aufnahmen. Solche Kinderkrankheiten seien behoben, meint Produktmanagerin Nadine Anderegg. Vielleicht müsse man noch zweimal die «Back»-oder «Exit»-Taste drücken. Mit grösseren Problemen sei aber nicht zu rechnen. Die Box funktioniere zudem nicht nur im Quickline-Gebiet, sondern könne überall eingesetzt werden, wo ein Internetanschluss vorhanden sei. Ihr Vertrieb sei technisch in der ganzen Schweiz möglich.

Die Markteinführung werde aber mit den Vertriebspartnern vorbereitet, um nicht mit ihnen in Konkurrenz zu stehen, sagt Goetschmann. Der Verkauf erfolge daher in erster Linie über die Partner in ihren Gebieten. Dennoch seien Lösungen für den eigenständigen Verkauf angedacht. «Die Frage ist, zu welchem Preis und wie der Partnerkontakt aussieht», so Goetschmann. Man verfüge noch über keinen französischen oder italienischen Kundenservice. Für Quickline-Kunden entstehen keine zusätzlichen Kosten für die neue Box. Diese ist im Abo integriert.


Im TV-Geschäft vorrücken
Der Quickline-Verbund, dem 23 Kabelnetzbetreiber angehören, hat eine Reichweite von 400 000 Haushalten und ist somit im Schweizer TV-Markt hinter Swisscom und UPC der drittgrösste Anbieter, noch vor Sunrise. Allerdings spielt das Unternehmen im Vergleich zu Swisscom mit knapp 1,5 Millionen TV-Anschlüssen und UPC mit gut 1,1 Millionen Abonnenten in einer anderen Liga. Doch bereits mit der 2009 eingeführten Replay-Funktion und den Nutzerprofilen war Quickline Vorreiter. Mit der dritten Generation von TV-Produkten will das Team um den 43-jährigen Firmenchef schweizweit Kunden gewinnen und zu den Grossen aufschliessen.

Goetschmann führt die Firma, die auch in Münchenstein einen Standort hat, erst seit Juli 2018. Der frühere Finanzchef folgte auf Nicolas Perrenoud, der nach 14 Jahren Chef von Nexora wurde. Nexora entwickelt die TV-Plattform weiter und ist für die TV-App verantwortlich. Unter Perrenoud wuchs Quickline vom reinen Internetanbieter mit rund 30 Angestellten zu einem Full-Service-Anbieter mit heute 160 Mitarbeitenden.

Zur Geschäftsleitung gehören neben dem Firmenchef und dem operativen Leiter Egon Perathoner auch Urs von Ins als Marketingverantwortlicher und Olaf Riebe als technischer Leiter.

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