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Gesundheitsbranche

Fitness für Nachtaktive

Die Fitnesskette Nonstopgym expandiert nach Biel. Ab Dienstag können Kunden beim Bahnhof 24 Stunden am Tag trainieren. Doch macht ein nächtliches Work-out überhaupt Sinn?

Cyrielle Gaisser leitet als Managerin das Nonstopgym in Biel. Bild: Peter Samuel Jaggi

Manuela Schnyder

Die Züge fahren fast die ganze Nacht durch. Restaurants und Lebensmittelgeschäfte sind bis spät abends und sieben Tage die Woche geöffnet. Über das Internet wird rund um die Uhr konsumiert.

Nun richtet sich ein weiteres Produkt der heutigen 24-Stunden-Gesellschaft in Biel ein: Das erste Fitnessstudio in der Stadt, das nie schliesst.

«Wir stecken noch mitten im Aufbau», ruft Ellen Berg aus der anderen Ecke des grossflächigen Studios am Bahnhofplatz 2. Der Boden ist bedeckt mit leeren Kartonkisten und Schutzhüllen. Überall dröhnt es. Gefühlt ein Dutzend Akku-Bohrer sind am Werk.

Die Arbeiter errichteten gerade die vier Trainingsbereiche, erklärt die Mitgründerin der Fitnesskette Nonstopgym: Ausdauer- und Muskeltraining, funktionales Training und Training mit freien Gewichten. Den Sportbegeisterten soll es gerätetechnisch an nichts fehlen.

Eine Sauna oder ein Solarium sucht man hingegen vergeblich. «Bei uns gibt es keinen Luxus», meint die 37-Jährige Genferin mit schwedischen Wurzeln. Man verzichte bewusst auf Zusatzleistungen wie Spa-Bereich oder Gruppenfitnessangebote. So könnten die Abopreise attraktiv gestaltet werden.

Mit 49 Franken im Monat, sprich knapp 600 Franken im Jahr, schlägt die Kette in der Tat so manche Konkurrenten aus dem Rennen. Gespart wird denn auch beim Personal.

Nur an 25 Stunden pro Woche ist der Empfang besetzt. Ausserhalb dieser Zeiten gelangen ausschliesslich Mitglieder ins Studio – per Fingerabdruck.

Ein Clubmanager und ein bis drei Fitnesscoaches, je nach Standort, sind tagsüber für das Wohl der Sportler verantwortlich. Nachts ist kein Personal vor Ort.

Punktuell schaue der Sicherheitsdienst vorbei, sagt sie. Zudem seien Überwachungskameras installiert. Probleme während der Nacht habe es bislang keine gegeben.

 

Für alle Lebensformen

Zusammen mit Petra Posselius eröffnet Ellen Berg bereits das zwölfte 24-Stunden-Fitnesscenter in der Schweiz. Die Studios befinden sich überwiegend in der Westschweiz. Künftig will die Kette auch in die deutschsprachige Schweiz expandieren.

Die beiden Unternehmerinnen kommen nicht aus dem Sportbereich. Sie lernten sich bei der Arbeit bei Proctor&Gamble in Genf kennen, einem international tätigen amerikanischen Konsumgüter-Konzern.

Beide Frauen wollten sich selbstständig machen. Die Idee: ein Fitnesscenter für alle Lebensformen, also auch für Leute, die entgegen dem üblichen Tagesrhythmus funktionieren.

Vor allem Personen mit unregelmässigen Arbeitszeiten schätzten die unbegrenzten Öffnungszeiten, sagt sie. So treffe man zu später beziehungsweise früher Stunde etwa auf Polizisten, Kellner, Taxifahrer oder Krankenschwestern.

 

Im Takt bleiben

Doch ist das überhaupt gesund, in der Nacht zu trainieren, wenn der Körper eigentlich ruhen sollte? Unter gewissen Bedingungen, meint Christian Aebersold, Facharzt für Allgemeine Medizin bei Sportmed Biel-Seeland, einem regionalen Netzwerk von sportmedizinischen Spezialisten und Beratern.

Der Mensch sei ein Gewohnheitstier. Etwa ab dem ersten Lebensjahr stelle sich der Körper auf einen Tag-Nacht-Rhythmus ein. Verschiedene Mechanismen im Körper synchronisieren zyklische Abläufe während 24 Stunden, zum Beispiel Körpertemperatur, Hormonproduktion, Schlafen oder Nahrungsaufnahme.

Eine der wichtigsten sei der Schlaf-Wach-Rhythmus. Diesen sollte man nicht allzu häufig durcheinanderbringen, warnt er. Wird er nämlich gestört, etwa bei einem schnellen Wechsel der Zeitzonen, gerate die «innere Uhr» aus dem Takt und es komme zu körperlichen und psychischen Beschwerden.

Dazu gehörten etwa Schlafstörungen, Müdigkeit, Schwindelgefühl, Stimmungsschwankungen und Appetitlosigkeit.

Wer also nachts trainieren möchte, weil er zum Beispiel arbeitsbedingt tagsüber ruht, sollte diesen Rhythmus möglichst beibehalten. Wie etwa bei einem Bäcker, der jeweils vor der Arbeit um 1 Uhr zuerst noch ins Fitnessstudio geht.

 

Mit UV-Licht geht es besser

«Völlig verkehrt wäre aber, auf Kosten der Schlafenszeit zu trainieren», betont der Experte. Die Regenerationszeit sei enorm wichtig für den Körper. Sonst sei das Training kontraproduktiv und es komme zu einem Down-training, also zu einem Leistungsabbau.

Bis in die Nacht zu arbeiten, dann noch ins Training zu gehen, weil es vorher nicht gereicht hat, und am morgen früh wieder zur Arbeit zu gehen, mache absolut keinen Sinn, meint er.

Weniger zu empfehlen ist laut dem Experten auch zu komplexes Training wie etwa Tanzen oder Ballsport. Die koordinativen Fähigkeiten seien in der späten Nacht weniger ausgeprägt, weshalb die Verletzungsgefahr grösser ist, sagt der Arzt.

Der Schlaf-Wach-Rhythmus reagiere nämlich auf das Tageslicht. Dieses fördere die kognitive Leistungsfähigkeit. Der Experte empfiehlt deshalb, in den Studios UV- oder Tageslichtlampen anstatt normales Licht zu installieren, 
damit der Körper auf «wach» umstellt.

 

Warm-up nicht vergessen

Eine ausreichende Lichtzufuhr sei auch ganz allgemein für einen Menschen wichtig, gerade im Winter. Denn ein Mangel an Licht könne ebenfalls Schlafstörungen hervorrufen. Gerade jene Menschen, die nachts aktiv sind, sollten dies beachten.

Und zum Schluss gilt, die Muskeln vor dem Training gut aufzuwärmen, um Verletzungen vorzubeugen. Denn auch die Körpertemperatur werde auf den Tag abgestimmt. Demnach ist der Körper von 2 bis 6 Uhr am kühlsten – rund ein Grad kälter als um 18 Uhr, wenn er diesbezüglich seinen Höhepunkt erreicht.

Fazit: Wer genug und in einem körpereigenen Rhythmus schläft sowie auf eine ausreichende Lichtzufuhr und gutes Aufwärmen achtet, bei dem spricht nichts gegen eine nächtliche Fitnesseinheit.

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