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Pilotprojekt

«Für 98 Prozent der Fahrten reicht es aus»

Die SBB testen mit dem Angebot Green Class neue Formen der Mobilität. Die Bielerin Barbara Schwede ist Teil der ersten Tester.

Komplett elektrisch unterwegs: Die Bielerin Barbara Schwede fährt Elektroauto und -velo und nutzt den Zug. Bild: Peter Samuel Jaggi

Tobias Graden

Wenn Barbara Schwede beruflich nach Zürich gehen muss, dann nimmt sie ihr Elektrovelo oder bei schlechtem Wetter den Bus, fährt an den Bahnhof, besteigt den Zug und kehrt abends mit diesen Verkehrsmitteln wieder zurück. Ist der Termin aber an einem Ort, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gut erreichbar ist, dann steigt sie in ihr Elektroauto, einen BMW i3, und fährt damit dorthin und wieder zurück.

Alle diese Mobilitätsdienstleistungen bezieht die selbständige Kommunikationsberaterin aus einer Hand. Barbara Schwede ist eine von zu Beginn 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Pilotprojekts Green Class der SBB.

12200 Franken hat Barbara Schwede gezahlt, um sich ein Jahr lang (fast) keine Gedanken um ihre Mobilität machen zu müssen. Darin enthalten ist ein 1.-Klass-Generalabonnement, das Benutzen des Elektroautos und dessen Heimladestation, eine Park-und-Rail-Jahreskarte, ein Jahresabo des Carsharing-Anbieters Mobility und ein solches des Veloverleihsystems Publibike (Schwede benutzt allerdings ihr eigenes Elektrovelo).

Nachholbedarf in Deutschland
Die SBB testen damit ein mögliches Zukunftsmodell, wie Mobilitätsdienstleistungen künftig angeboten werden könnten – und sie untersuchen, wie das Mobilitätsverhalten ihrer Kunden aussieht. Eine App zeichnet die entsprechenden Daten auf, was fehlt, ergänzt Barbara Schwede von Hand. Zweimal pro Jahr gibt es ein längeres Interview, ausgewertet werden die Daten des Pilotprojekts von der ETH Zürich, den SBBund dem Autohersteller BMW.

Ein GA hatte sie ohnehin schon, und am VW-Bus, den sie bislang genutzt hatte, wären Reparaturen nötig gewesen. Also entschied sich Barbara Schwede zur Teilnahme am Pilotprojekt, das im Januar startete. Erste Veränderungen im Mobilitätsverhalten hat die Bielerin bereits nach einigen Monaten ausgemacht:«Ich fahre eher mehr Auto als vorher, weil ich weniger ein schlechtes Gewissen habe», sagt sie – den Strom dazu liefert die Solaranlage auf dem Dach des Einfamilienhauses im Beaumont, geladen wird über Nacht.

Eingeschränkt fühlt sich Barbara Schwede kaum je, zumindest nicht, solange sie in der Schweiz unterwegs ist. In Deutschland sieht es allerdings anders aus:Ihre Eltern wohnen peripher auf dem Land, als Schwede sie das letzte Mal besucht hat, war die einzige Elektro-Ladestation anderthalb Tage lang durch einen Dauerparkierer besetzt, die Suche nach einer weiteren war nicht sehr nervenschonend, zumal der Akku leerer und leerer wurde. Hinzu kommt, dass dort solche Ladestationen oft vom örtlichen Elektrizitätswerk betrieben und nur mit einem entsprechenden Abonnement genutzt werden können. «In Deutschland besteht noch grosser Nachholbedarf in Sachen Ladeinfrastruktur», sagt Barbara Schwede darum, «die starke Autoindustrie könnte diese ja eigentlich leicht erstellen.»

Nur Skiferien sind schwierig
Der Umstieg auf den Kleinwagen ist ihr nicht nur leichtgefallen. Wenn die alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern in die Ferien fährt, wird es schnell mal eng. «Ich achte jetzt eher darauf, ob wir nicht auch mal mit dem Zug in die Ferien verreisen können», sagt Schwede.

Für die Skiferien hat sie das Auto eines Kollegen ausgeliehen – das in «Green Class»enthaltene Mobility-Abo liesse zwar die Nutzung der roten Sharing-Autos zu, dies treibt dann aber die Kosten in die Höhe. Die positive Kehrseite: «Es ist mir bewusst geworden, dass ein kleines und in der Reichweite beschränktes Elektroauto für 98 Prozent meiner Fahrten völlig ausreicht.»

Für längere, beruflich bedingte Fahrten nutzt Barbara Schwede ohnehin so oft wie möglich den Zug. «Darin kann ich arbeiten», sagt sie.

Mit dem Kauf zuwarten
Wird Barbara Schwede also das «Green Class»-Abonnement verlängern, sofern dies möglich ist? «Das habe ich noch nicht entschieden», sagt sie. Eine Verbesserung des Angebots an ihre Bedürfnisse wäre es, wenn zusätzlich zum Elektro-Kleinwagen ein Zugriff auf einen Pool von grösseren Fahrzeugen enthalten wäre, beispielsweise während insgesamt zwei Wochen pro Jahr.

Mit einem möglichen Kauf eines eigenen Elektroautos wartet sie dagegen sowieso noch ab:«Ich habe das Gefühl, dass sich diese Fahrzeuge in den nächsten Jahren stark weiterentwickeln werden.»

Stichwörter: SBB, Pilotprojekt, Elektroauto

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