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Velobranche

«Für uns ist das 
eine grosse Chance»

Die Scott Sports SA hat die Mehrheit an der Bieler Velomarke Bold Cycles übernommen. Diese werde eigenständig bleiben, versichert Gründer Vincenz Droux.

Neue Einheit: Vincenz Droux (Gründer Bold), Beat Zaugg (CEO Scott), Robert Droux (Vater von Vincenz), Pascal Ducrot (Vizepräsident Scott, v.l.). Bild: zvg

Tobias Graden

Dieser Schritt kommt überraschend: Die junge Seeländer Bikemarke Bold Cycles tut sich mit der Scott Sports SA mit Sitz im freiburgischen Givisiez zusammen. Was als «strategische Zusammenarbeit» angekündigt wird, ist faktisch eine Übernahme: Scott übernimmt die Mehrheit an Bold, die bislang im Besitz von Gründer und Geschäftsführer Vincenz Droux und dessen Vater Robert war. Künftig wird Vincenz Droux eine substanzielle Minderheitsbeteiligung halten, sein Vater hat seine Anteile ganz verkauft. Vincenz Droux wird Bold Cycles weiterhin führen.

Klein und gross
Es ist ein Zusammenkommen zweier ungleich grosser Partner, das sich laut Droux aus guten Kontakten und einer offenen, respektvollen Gesprächskultur ergeben hat. Bold trat 2015 mit der eigenständigen Entwicklung «Linkin Trail», einem Mountainbike mit im Rahmen integrierten Federungssystem, auf den Markt, beschäftigt heute fünf Mitarbeiter und verkaufte letztes Jahr zwischen 500 und 1000 Bikes. Scott ist ein 61 Jahre altes Sportartikel-Unternehmen mit mehreren Marken, weltweit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem Händlernetz, das sich über mehr als 100 Länder erstreckt.

«Für uns ist das eine grosse Chance», sagt darum Vincenz Droux zu diesem Schritt, «wir müssen nicht mehr alles selber machen, haben bei den Herstellern in Asien eigene Leute vor Ort und haben neue Möglichkeiten im Einkauf.» Ein «Riesenpotenzial» ergebe sich auch durch den möglichen Zugriff auf das Händlernetz – Bold hat bislang die Velos selber über Internet vertrieben und erst in Deutschland mit Testcentern eine Form von physischer Präsenz in einem Markt ausserhalb der Schweiz gepflegt. Allerdings sei es überhaupt nicht das Ziel, die Scott-Händler mit Bold-Bikes zu überfluten, sagt Droux, über künftige neue Möglichkeiten in der Distribution habe man noch gar nicht diskutiert und auch kein Ziel formuliert, was die künftigen Stückzahlen betreffe.

Bold bleibt in Biel
Vielmehr wolle man Bold als eigenständige und auch künftig exklusive Marke weiterentwickeln. Es soll Bold nicht so gehen wie mehreren angesehenen Velomarken, die in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre von grossen Konzernen aufgekauft und dann mit der Zeit verschwunden sind. Die Marke des Bikepioniers Gary Fisher beispielsweise wurde von Trek aufgekauft und zuerst als eigene Marke weitergeführt. Heute aber ist diese vom Markt verschwunden und es wissen wohl bloss noch Kenner, dass Modellbezeichnungen wie «Procaliber» ihren Ursprung bei Gary Fisher haben. So weit soll es im Fall von Bold nicht kommen: «Dass wir unsere Eigenständigkeit verlieren könnten, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt ausschliessen», sagt Droux. Scott habe ein sehr gutes Verständnis einer Multi-Brand-Strategie und wisse, dass die Kundschaft eine reelle Auswahl fordere.

Beat Zaugg, CEO von Scott, bekräftigt diese Einschätzung. In der Pressemitteilung wird er wie folgt zitiert: «Wir sehen grosses Potenzial in Bold Cycles, um ein Kundensegment zu bedienen, welches Fahrräder individuell auf seine Bedürfnisse anpassen möchte.»

Das kleine Team von Bold Cycles, das letztes Jahr von Lengnau an die Grenchenstrasse in Biel gezogen ist, bleibt denn auch zusammen und soll aufgestockt werden. Der Standort steht auch nicht zur Diskussion, Bold verbleibt in Biel. Dagegen soll die Übernahme für Droux Kapazitäten freischaufeln, damit dieser sich stärker um die Entwicklung kümmern kann. «Wir werden auch weiterhin zwei Kulturen pflegen», sagt er, «Bold bleibt Bold, Scott bleibt Scott.»

Weiter mit DT Swiss
Dass die Bold-Velos mit dem grossen Partner im Rücken nun zu tieferen Preisen verkauft werden, erscheint dagegen wenig wahrscheinlich. Durch den Direktvertrieb sei man bereits günstiger als vergleichbare Konkurrenzprodukte, die über den Fachhandel vertrieben würden, sagt Vincenz Droux. Denkbar sei aber, dass allfällige durch die Zusammenarbeit mit Scott entstehenden künftigen Kostenvorteile auch an die Kunden weitergegeben würden. Möglich wäre dies beispielsweise bei einer gemeinsamen Produktion: Derzeit haben Scott und Bold nicht den gleichen Fertigungspartner für die Carbonrahmen. An der Zusammenarbeit mit dem Bieler Komponentenhersteller DT Swiss dagegen will Droux nicht rütteln (Scott arbeitet für die Federungstechnologie in erster Linie mit US-Marken zusammen).

Das deutsche Mountainbike-Portal mtb-news.de spekuliert derweil bereits, ob es nun auch elektrische Bold-Bikes geben würde. Doch Droux winkt ab: «Zurzeit sind keine neuen Produkte spruchreif.»

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