Sie sind hier

Abo

Swissmem

Geteilt, verzögert, verloren

Welche konkreten Folgen hat der Währungsschock für eine Maschinenherstellerin? An der Jahreskonferenz des Branchenverbandes Swissmem hat dies Martin Frauenfelder für die Subinger Paro AG aufgezeigt.

Martin Frauenfelder führt die Paro AG und hat wegen der Frankenaufwertung bereits einen grossen Auftrag verloren. bild: zvg

Tobias Graden

Martin Frauenfelder fühlt sich zurzeit wie ein Boxer, der den K.O.-Schlag erhalten hat, aber noch in den Seilen hängt. Er ist also angezählt, aber noch nicht zu Boden gefallen. Frauenfelder ist Geschäftsführer und Besitzer der Paro AG im solothurnischen Subingen, und was ihm Kopfzerbrechen bereitet, sind die Folgen des 15. Januar.
An diesem 15. Januar hat Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, überraschend das Ende der Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro verkündet. Innert kürzester Zeit wertete sich der Franken um 15 Prozent auf. «Auf einen Schlag sind unsere Margen verschwunden, haben wir an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst», sagte an der gestrigen Swissmem-Jahresmedienkonferenz ein anderer Unternehmer, Patrick Haegeli von der Willemin-Macodel SA aus Delémont. So erging es auch der Paro von Martin Frauenfelder. Eine Währungsabsicherung? «Hatten wir keine», sagt Frauenfelder, «wir haben Thomas Jordan vertraut, der noch im Dezember den Mindestkurs als unverrückbar bezeichnete.»


«Irgendwie überlebt»


Die Paro AG ist ein industrielles Kleinunternehmen, wie es typisch ist für die Schweizer KMU-Landschaft. Es hat zurzeit 51 Mitarbeiter, erzielt einen Umsatz zwischen 10 und 15 Millionen Franken, es fertigt massgeschneiderte Montageanlagen und Produktionszellen für die Massenproduktion, eine Anlage kostet in der Regel 1,5 bis 2,5 Millionen Franken. 80 bis 90 Prozent der Kosten fallen in Schweizer Franken an, Frauenfelder hat bislang auf kurze Beschaffungswege durch ein Netzwerk von qualifizierten Zulieferern verlassen.
Die Währungssituation ist für das Unternehmen nicht erst seit Mitte Januar eine Herausforderung. Bis 2010 lag der Exportanteil der Firma bei etwa 50 Prozent. «Bei einem Eurokurs von 1.45 waren wir gut konkurrenzfähig», sagt Frauenfelder. Wenn man ihn fragte, was er bei einem Kurs von 1.30 machen würde, pflegte er zu antworten, dann müsse er das Unternehmen wohl schliessen. «Doch irgendwie haben wir überlebt», sagt der Geschäftsführer im Rückblick. Bis 2013 brach der Exportanteil auf unter 10 Prozent ein, doch Paro entwickelte neue Produkte, verbesserte bei diesen das Preis-Leistungsverhältnis:«Es ist in der Schweiz einfacher, die Leistung von Maschinen hochzuschrauben, als ihren Preis zu senken.» Weiter organisierte die Firma den Vertrieb neu. «2014 haben wir die Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum zurückerlangt», sagt Frauenfelder, «jedenfalls haben wir das geglaubt.» Und dann kam der 15. Januar 2015.


Grossauftrag storniert


Dabei hatte das neue Jahr vielversprechend begonnen. Alleine in den letzten beiden Monaten von 2014 gingen bei der Paro noch vier grosse Aufträge aus Deutschland und Frankreich im Wert von insgesamt 3,5 Millionen Euro ein, nach damaligem Kurs also 4,2 Millionen Franken. Nach dem Ende des Mindestkurses präsentiert sich die Lage wie folgt:Beim ersten Auftrag nimmt die Paro einen Kursverlust von 80'000 Franken in Kauf. Beim zweiten Auftrag konnte sie nach Verhandlungen mit dem Kunden halbe-halbe machen:Um 7 Prozent wird der Preis erhöht, den Rest trägt die Paro. Beim dritten Auftrag verzögert der Kunde den definitiven Entscheid – es geht um ein Volumen von 640'000 Euro. Der vierte Auftrag hatte einen Umfang von 1,5 Millionen Euro. Frauenfelder legte dem Kunden dar, warum er nun 1,8 Millionen Euro haben müsse – der Auftrag ging an einen Wettbewerber verloren. Diese Stornierung entspricht dem Wegfall der Arbeit von acht Vollzeitbeschäftigten während eines Jahres.
Wie Frauenfelder die neuerliche Aufwertung des Frankens abfedern will, weiss er noch nicht genau. Kürzlich hat die Paro einen grossen Auftrag in der Schweiz gewonnen, das gibt ihr etwas Zeit. Sicher ist:«Ohne weitere Massnahmen wird’s nicht gehen», so der Geschäftsführer. Man werde situativ entscheiden.
An der Swissmem-Medienkonferenz wird angesichts dieses Beispiels aber auch Kritik laut: Die Kosten für eine Währungsabsicherung seien in letzter Zeit gerade wegen der (scheinbar) unverrückbaren Haltung der Nationalbank sehr gering gewesen, es sei nicht einsehbar, warum Unternehmen wie die Paro darauf verzichtet hätten, heisst es aus der Runde. Die Swissmem-Spitzen und die anwesenden Unternehmer nehmen diese Kritik zum Teil an, doch Verbandspräsident Hans Hess sagt auch: «Man prangert nun die Unternehmer an, sie hätten wissen müssen, dass der Mindestkurs mal zu Ende geht und sich darauf vorbereiten müssen. Aber was haben denn die Politiker in dieser Zeit getan, um den Werkplatz Schweiz zu stärken?»
Optimistisch ist Swissmem nicht. Zwar hat sich der Euro in den letzten Tagen auf 1.07 Franken aufgewertet, doch die weitere Entwicklung ist offen. Hans Hess sagt: «Die meisten Unternehmer gehen von einem künftigen Kurs von 1.00 oder 1.05 aus. Ich kenne keinen, der mit 1.10 rechnet. Keinen.»

 

 

«Eurolöhne empfehlen wir nicht»

Der Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie stellt wegen der Frankenstärke Forderungen an die Politik.

Die Jahresmedienkonferenz von Swissmem, des Verbands der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, stand gestern ganz im Zeichen der Frankenstärke. Nach der Aufhebung des Franken-Euro-Mindestkurses durch die Nationalbank habe eine «neue Zeitrechnung» begonnen, sagte Direktor Peter Dietrich vor den Medien in Zürich. Der Verband kennt die Nöte seiner 1050 Mitglieder, von denen auch viele aus der Region Biel-Seeland-Berner Jura stammen, seien doch seit Mitte Januar hunderte Beratungsgespräche geführt worden. Dietrichs Fazit: «Es herrscht grosse Sorge, aber keine Panik.»
Dabei hat die Branche ein grundsätzlich erfolgreiches Jahr hinter sich. Die Auftragseingänge nahmen 2014 insgesamt um 4,9 Prozent zu. Das Wachstum rührt allerdings vor allem vom ersten Halbjahr her, was den Schluss nahelegt, «dass die MEM-Industrie auch ohne Aufhebung des Mindestkurses in eine Stagnationsphase geraten wäre». Als dynamischster Absatzmarkt haben sich die USAerwiesen. In den EU-Raum stagnierten die Exporte, in China fiel das Wachstum weniger stark aus, in die BRIC-Staaten brachen die Ausfuhren teils massiv ein. Swissmem fordert darum ein Freihandelsabkommen mit den USA.


Aus Gewinn wird Verlust


59 Prozent der Exporte der Branche gehen aber in die EU. Nach dem Ende des Mindestkurses dürften sich viele Unternehmen volle Auftragsbücher nur über deutliche Preisnachlässe (in Schweizer Franken) sichern können. Allein: Nicht alle Unternehmen können sich diese gleichermassen leisten, fällt doch ein grosser Teil ihrer Kosten in Schweizer Franken an. Dazu ein – vereinfachtes – Rechenbeispiel: Ein industrielles KMU mit einem Umsatz von 10 Millionen Franken und einer Gewinnmarge von 5 Prozent macht unter Annahme eines Exportanteils von 100 Prozent bei einer Aufwertung des Frankens um 15 Prozent im Jahr 2015 nicht mehr eine halbe Million Franken Gewinn, sondern bei gleichbleibenden Kosten eine Million Franken Verlust, allein währungsbedingt. Klar also, dass die Firmen Massnahmen ergreifen müssen.


Bilaterale beibehalten


Die Auszahlung der Löhne in Euro (etwa an Grenzgänger) gehört dabei nicht zum Empfehlungskatalog von Swissmem, auch wenn Peter Dietrich solche Gedanken als «legitim»bezeichnet. Es bestünden rechtliche Unsicherheiten und es würden Ungleichheiten im Unternehmen geschaffen.
Klar sind aber die Forderungen an die Politik. Swissmem fordert die Aufrechterhaltung der Bilateralen Verträge, die Beibehaltung eines flexiblen Arbeitsmarktes, zusätzliche Massnahmen zur Innovationsförderung und keine weiteren Belastungen und Einschränkungen, etwa durch Gebühren. Auch wenn politische Entscheide erst mittelfristig wirkten, sagte Swissmem-Präsident Hans Hess, so würden sie doch die Investitionsentscheide von Unternehmen bereits heute beeinflussen.

 

Nachrichten zu Wirtschaft »