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«Gewinner, die wir nicht wollen»

Der Lysser Michel Rudin fordert rechtliche Massnahmen gegen den Ticket-Graumarkt. Geht es nach ihm, dürfte mit begehrten Tickets kein Profit mehr gemacht werden.

Festivalbesucher sollen sich über die Konzerte freuen können (hier letztes Jahr am Royal Arena Openair), nicht über den Graumarkt ärgern müssen. Tanja Lander/a

Tobias Graden

Ein paar Minuten: So lange dauert es jeweils, bis das Konzert ausverkauft ist, wenn der Musiker Prince irgendwo in der Schweiz auftritt, zuletzt etwa 2013 in Montreux. Es dauert dann in der Regel keinen ganzen Tag, bis die ersten Tickets auf Online-Portalen angeboten werden - natürlich deutlich teurer. Das Gut, ein Platz am Jazzfestival Montreux, ist rar, die Nachfrage sehr hoch, also steigt der Preis. Eingefleischte Fans, die ihr Idol sehen wollen, zahlen dann gut und gerne mal ein Mehrfaches des eigentlichen Ticketpreises, und die zumeist professionellen Tickethändler streichen dicke Profite ein.

 

«Geschäft mit Unwissenheit»

Diese Praktiken sind dem Lysser Michel Rudin ein Dorn im Auge. Rudin ist als Politiker der Grünliberalen Partei Mitglied des GGR Lyss und des Grossen Rats des Kantons Bern, beruflich ist er Geschäftsführer des Konsumentenforums KF. «Wir haben in der Beratung festgestellt, dass der Graumarkt für viele Konsumenten ein grosses Ärgernis ist», sagt Rudin. Oft, so argumentiert er, kauften Leute gar Tickets zu überhöhten Preisen bei Weiterverkäufern, obwohl die Veranstaltung noch gar nicht ausverkauft wäre - was diese Verkäufer aber suggerierten. «Das ist ein Geschäft mit der Unwissenheit der Kunden», argumentiert Rudin.

Das Konsumentenforum hat darum die Interessenslage sondiert und den Konzertveranstalter ABC Production, den Schweizerischen Fussballverband und den regulären Ticketverkäufer Ticketcorner zu Gesprächen eingeladen und abgeklärt, ob Bedarf an einer rechtlichen Regulierung dieser Ticket-Weiterverkäufe bestehe. Die Resonanz war klar positiv. Bei Ticketcorner etwa melden sich nach ausverkauften Konzerten oft enttäuschte Kunden.

 

Bürgerliche Unterstützung

Rudin suchte Mitstreiter für das Anliegen und fand den SVP-Nationalrat Sebastian Frehner. Dieser reichte Mitte Juni eine Motion ein mit dem Titel: «Weiterverkaufte Tickets dürfen nicht teurer werden!» Darin wird der Bundesrat beauftragt, dem Parlament eine Änderung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorzulegen, die festlege, dass weiterverkaufte Tickets nicht teurer sein dürften als der ursprüngliche Preis.

«Wir haben bewusst bürgerliche Politiker gesucht, die unser Anliegen unterstützen», sagt Rudin. Er erhofft sich dadurch breitere Akzeptanz, denn üblicherweise würden Konsumentenanliegen als linke Themen wahrgenommen.

 

«Konzert bleibt das gleiche»

Nun ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum Rudin, der sich nach eigenen Worten für eine liberale Gesellschaft und Wirtschaft einsetzt, einen Eingriff in den Markt fordert und Tickets von gefragten Veranstaltungen anders behandeln will als Güter wie beispielsweise eine Uhr in limitierter Auflage, die teurer weiterverkauft wird. «Eine solche Uhr gewinnt durch ihre Knappheit an Wert», argumentiert Rudin, «ein Konzert bleibt aber genau das gleiche Konzert, auch wenn man mehr dafür bezahlt hat.» Der Käufer des überteuerten Billets habe also keinen Gewinn, bloss der Graumarkt-Ticketverkäufer: «Das sind Gewinner im Markt, die wir nicht wollen.»

Veranstalter und reguläre Tickethändler begrüssen die Initiative. Skeptisch dagegen reagierte im Juni der Sprecher der Online-Auktionsplattform Ricardo: Es gebe klar ein Bedürfnis, Tickets zu selbst bestimmten Preisen weiterzuverkaufen, wurde er in den Medien zitiert.

 

«Schadet dem Image»

Nicolas Dähler, Veranstalter des morgen startenden Royal Arena Festivals, begrüsst die Motion. «Ein Veranstalter will doch jene Fans an seinem Anlass haben, die auch in den Jahren zuvor zu seinen Kunden gezählt haben», sagt er. Würden Stammbesucher verärgert, weil sie kein reguläres Ticket ergattern konnten, schade dies längerfristig dem Image des Veranstalters.

Für das Royal Arena Openair können im Online-Vorverkauf darum nur vier Tickets pro angegebene E-Mail-Adresse gekauft werden. Dies ist ein übliches Modell, das jedoch leicht umgangen werden kann: «Professionelle Graumarkthändler haben zahlreiche E-Mail-Adressen registriert und kaufen sich über diese ihre Tickets für den Weiterverkauf zusammen.» Wie solche Praktiken unterbunden werden könnten, wisse er aber nicht. Besonders beim «Ticket-Basar» am Eingang von Veranstaltungen sieht er aber Handlungsbedarf.

In der Tat dürften gewisse Vollzugsprobleme schwer zu lösen sein, dessen ist sich auch Rudin bewusst - schliesslich operieren manche Online-Händler aus dem Ausland, und die Käufer zu kriminalisieren ist natürlich nicht das Ziel. Bei Weiterverkäufen vor Stadien aber soll die Polizei härter eingreifen dürfen: «Heute darf sie nur die Händler vom Veranstaltungsgrund wegweisen», sagt Rudin, «künftig sollte sie im Rahmen der Verhältnismässigkeit Bussen verhängen dürfen.»

Weiterhin möglich soll es dagegen sein, ein Ticket im Verhinderungsfall - etwa wegen Krankheit - weiterzuverkaufen. Rudin spricht sich darum gegen personalisierte Tickets aus.

 

Orpund: Es hat noch Tickets

Das Royal Arena Openair ist von dem Problem bislang kaum betroffen - aus dem einfachen Grund, dass es nicht ausverkauft ist. Es ist einer der letzten grossen Anlässe des Festivalsommers, und das Rap-Publikum ist laut Nicolas Dähler ohnehin bekannt dafür, mit dem Ticketkauf lange zuzuwarten. Er selber ärgert sich zwar über die Praktiken von Graumarkthändlern, leidet persönlich aber nicht darunter: «Als Veranstalter habe ich oft das Glück, an Konzerte eingeladen zu werden.»

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