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«Head of Wichtig»: Das steckt hinter Jobtiteln

Anglizismen und Fantasienamen haben bei Stellenbeschreibungen Hochkonjunktur.

Neue Titel, neue Büro-Landschaft: Lounge in einem Co-Working-Büro in Lausanne. Bild: Keystone

Veronika Wulff
 und Holger Alich

Das Angebot klingt wie ein Traumjob für Faulpelze: Ikea Schweiz sucht einen «Chief of Sleep» – und das im Teilzeitpensum. Es geht bei dem Job aber primär nicht um das Testschlafen in Ikea-Betten, sondern mehr um ausgeschlafenes Marketing. Der «Chief of Sleep» ist laut Anzeigentext zuständig für «die Entwicklung und Umsetzung von kreativem Content rund ums Schlafen». Diese Inhalte sollen vorzugsweise über soziale Medien verbreitet werden. Die Aktion ist eine Zusammenarbeit mit Virtue, der Leadagentur von Ikea.

Kuriose Jobbezeichnungen, ein Import aus den USA, tauchen nicht nur in den Stellenausschreibungen von Start-ups auf. Auch etablierte Unternehmen wie SBB, Ikea oder Nestlé machen mit. So suchen die SBB einen «Splunk Enthusiast». Der Nahrungsmittelriese Nestlé möchte einen «Junior Brand Activation Manager» einstellen. «Wichtig ist, dass jeder im Unternehmen weiss, was sich hinter dem entsprechenden Jobtitel befindet», erklärt Markus Rueff, Leiter Personalabteilung beim Schweizer Personaldienstleister Adecco. «Alles, was Verwirrung stiftet, sollte vermieden werden.»

Die Welt der Jobtitel ist unübersichtlich geworden. Man kann grob zwischen drei Arten unterscheiden: die sinnvollen Titel, die es braucht, weil ein Beruf neu ist und es dafür noch keine Bezeichnung gibt. Die Angebertitel, die aus Banalem etwas toll Klingendes machen, häufig durch eine englische Übersetzung. Und die kreativen Titel, mit denen ein Unternehmen zeigen will, wie es tickt.

Dass es beim Schweizer Industrieriesen ABB auch einen Chief Digital Officer in der Chefetage gibt, ist primär Ausdruck der Tatsache, dass ABBs gesamtes Geschäft von der Digitalisierung betroffen ist und das Thema entsprechend hoch gewichtet wird. Auch den Data-Analysten, der digitale Daten analysiert und auswertet, und den Social Media Manager, der mit Kunden über soziale Netzwerke kommuniziert, zählen Experten zu den sinnvollen Titeln, da sie neue Tätigkeiten umfassen, für die es neueBezeichnungen braucht.

Stärker verbreitet ist die zweite Variante, jene der Angebertitel. Ohne Manager, Senior oder Head of X scheint gar nichts mehr zu gehen. Da heisst der Aussendienstmitarbeiter Sales Manager oder Field Operator, obwohl sich die Geschäftsreisen auf kurze Besuche der Zweigstelle im Nachbarort beschränken.

Besonders vorsichtig sollte man beim Young Professional Officer sein. Das ist der Praktikant. Die englische Variante «klingt immer schicker», sagt die deutsche Arbeitspsychologin Anne Huth. «Ein Titel transportiert Prestige und ist von daher durchaus wichtig für Mitarbeitende», sagt Huth. Sie bezweifle zwar, dass sich allein durch einen gut klingenden Titel ein «dauerhafter Motivationssprung» erreichen lasse. Dennoch könnten Unternehmen Mitarbeitern durch bestimmte Titel zeigen, wie wichtig sie für die Firma sind. «Unser Beruf ist eine der wichtigsten Säulen unserer Identität», sagt Huth.

 

Der Knowledge Navigator

Die Expertin, die auch Führungskräfte berät, hält nicht viel davon, wenn sich Mitarbeitende ihre Titel selbst aussuchen dürfen. «Es kommt häufig zu Fantasieungetümen und relativ sinnfreien Aneinanderreihungen von Anglizismen.» Dafür hält das Internet Listen und Job-Titelgeneratoren bereit. So wird aus dem Lehrer der Knowledge Navigator, aus dem Gärtner der Technical Horticultural Maintenance Officer und aus dem Fensterputzer der Vision Clearance Engineer.

Mit der dritten Art der Stellentitel, den kreativen, wollen Unternehmen auch etwas über sich selbst ausdrücken, indem sie einen Datenhelden, eine Kundenservice-Fee oder ein Verkaufsgenie suchen. «Wenn zum Beispiel eine kreative Marketingagentur Mitarbeiter sucht, die nicht so klassisch konservativ sind, dann kann man das über den Stellentitel ausdrücken», sagt Sandra Stirle vom Personaldienstleister Manpower. Auch der von Ikea gesuchte «Chief of Sleep» ist dafür ein Beispiel. Die Stellenanzeige betont, dass es darum geht, den Schweizern das Thema Schlafen «innovativ und mit einer Prise Humor» zu vermitteln.

Manche Stellenbezeichnungen sind absichtlich unverständlich, nach dem Motto: Wer sie nicht versteht, wird sowieso nicht gesucht. Vor allem in der IT-Branche ist das üblich. Ein Android Developer etwa entwickelt das gleichnamige Betriebssystem, und ein Scrum Master leitet Projekte nach der Managementmethode Scrum. Nur: Wie finden potenzielle Designhörner und Sprachtalente Stellenangebote auf Jobportalen? «Die Kunst ist erst einmal, gefunden zu werden», so Stirle.

Dabei gilt: Klarheit vor Kreativität. Die meisten Leute suchten nach Qualifikationen und Ausbildungsberufen. Daher sagt auch Adecco-Experte Rueff: «Um die Stelle für Jobsuchende auffindbar zu machen, sollten die Titel so nahe wie möglich an der Tätigkeit sein.» Sonst riskierten Unternehmen, dass keine Bewerbungen eingehen. «Jobtitel wie ‹Growth Hacker› für eine Marketingstelle oder ähnliche Bezeichnungen können immer noch intern verwendet werden», sagt Rueff.

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