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Freiwilliges Engagement

Helfer organisieren einfach per App

Seit gestern ist eine neue App erhältlich. Auf ihr kann man Veranstaltungen erstellen und dafür Helfer mobilisieren. Die Idee aus Biel entspricht einem verbreiteten Bedürfnis.

Maximiliane Basile, Foto: Peter Samuel Jaggi

Manuela Schnyder

Wer kennt es nicht: Plötzlich vibriert das Natel im Sekundentakt. Man ist wieder mal in einer Whatsapp-Gruppe. Vereine oder Freunde wollen ein Fest organisieren, suchen nach Helfern für den Sportanlass oder nach Fahrdiensten für den kommenden Match. Wer macht was, wann und wo? Am besten gleich zusagen oder absagen, sofort die Gruppe verlassen oder auf stumm schalten. Ansonsten hört das Vibrieren den ganzen Tag nie auf. Mühsam ist das auch für den Organisator. Denn in den unzähligen Antworten müssen die Zu- und Absagen zusammengetragen werden. Je grösser die Gruppe, desto unübersichtlicher die Planung, vor allem, wenn auch überflüssige Kommentare geschrieben werden.

«Das hat mich total genervt», sagt Maximiliane Basile, Initiantin der neuen App Five up. In über 60 Nachrichten den Überblick zu gewinnen und die Planung zu machen, koste unglaublich viel Zeit. Das müsse doch in der heutigen digitalen Welt einfacher gehen, dachte sie. Die ehemalige Sportlehrerin kennt sich in digitalen Fragen aus, hat unter anderem in der Sportförderung des Kantons Bern Schulungen im Umgang mit Apps durchgeführt oder digitale Lehrmittel entwickelt. Die Idee einer App sei deshalb naheliegend gewesen, sagt sie. Allerdings ist sie eher für die Anwenderseite affin, nicht für das technische Setup. Sie wendet sich deshalb an einen Schulkollegen, der beim App-Entwickler Apps with love in Bern tätig ist.

 

Start mit breitem Netzwerk

Nun, zwei Jahre später, ist die App auf dem Markt. Eigentlich dauere es nicht so lange, eine App zu erstellen, sagt die zweifache Mutter. Doch in den Gesprächen mit verschiedenen Organisationen zeigte sich, dass das Interesse nach so einem Hilfsmittel riesig ist. Es habe Zeit gebraucht, die Ansprüche an die App zu evaluieren. Deshalb habe sie ihren Job gekündigt und sich voll und ganz der App gewidmet.

Zuerst als GmbH gegründet, ist die Firma Five up heute als Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 100 000 Franken organisiert. Neben Basile als Mehrheitsaktionärin sind auch der technische Entwickler Apps with Love, zwei Privatinvestoren sowie das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) am Unternehmen beteiligt. Die Entwicklungskosten der App liegen bei rund 500 000 Franken. Ihre Arbeit sei mit der Lancierung aber noch nicht zu Ende, sagt Basile. Mit den Partnern und den Rückmeldungen der Nutzer will sie die App und das Geschäftsmodell weiterentwickeln und unterhalten. Das neue Tool wird bereits jetzt breit mitgetragen. Als Netzwerkpartner angeschlossen haben sich Organisationen und Vereine aus verschiedenen Bereichen wie Sport, Kultur, Soziales und Umwelt. Dazu gehören die Organisationen Pro Juventute, Cerebral, Benevol, Nachbarschaft Zürich und Bern, Sport Kanton Bern, Sport Nidwalden, der Schweizer Musikrat, das Sportamt Thurgau sowie Hallo Velo, Vereinscoaching und nachwuchssport.ch.

 

Eine Gemeinschaft bilden

Sie habe die Netzwerkpartner von Anfang an in den Aufbauprozess eingebunden und die Bedürfnisse eruiert, um sie dann auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterzubrechen, sagt Basile. Denn die App müsse einfach bedienbar bleiben und für eine Vielzahl von Menschen anwendbar sein. «Five up» ist damit nicht nur für Vereine und Organisationen gedacht, sondern für alle, die nach Freiwilligenarbeit suchen. Ob für die Kinderbetreuung im privaten Umfeld, Nachbarschaftshilfe, oder um ein Quartierfest oder einen Kulturanlass zu veranstalten. Doch die Einfachheit der App schliesse die komplexeren Fälle nicht aus. Wer zum Beispiel strenge Anforderungen an die Helfer stellen möchte, beispielsweise bei der Pflege von Menschen mit Behinderungen, oder ein Entgelt vereinbaren will, der kann sich in einem zweiten Schritt mit den Helfern austauschen. Die App bringe die richtigen Leute mit ihren Kontaktdaten zusammen, die dann bilateral auch weitere Schritte vereinbaren könnten. Wichtig ist dabei, dass die Veranstaltung für die gesamte «Community» geöffnet werden kann und nicht nur für eine eigene Gruppe. Je grösser also die Gemeinschaft auf der App wird, desto grösser wird auch der Kreis der Helfenden. Das sei ihr wichtig, sagt Basile. Die App soll eine gesellschaftspolitische Veränderung mit sich bringen. Helfen soll gefördert werden. Zusammen mit anderen hat sie an ihrem Wohnort «E Halle wo’s fägt» aufgebaut, ein Indoorspielplatz für kleine Kinder. Nicht nur hierbei sei sie oft auf das Problem gestossen, genügend Helfer zu finden. Heute nehme das freiwillige Engagement ab.

 

Wichtiger Forschungsbeitrag

«Die Idee ist bei uns auf fruchtbaren Boden gestossen», sagt Markus Mader, Direktor des SRK, das mit seinen Organisationen rund 60 000 Freiwillige zählt. «Five up» sei ein tolles Werkzeug, das die Koordination enorm erleichtere. Freiwillige, die in der Nähe von Kantonsgrenzen leben oder sehr mobil sind könnten via App Einsätze von mehreren Kantonen sehen. Das erleichtere auch Einsätze über Kantonsgrenzen hinweg. Dieser Ansicht ist auch Lukas Niederberger, Geschäftsleiter der SGG. Die App sei für viele Organisationen geeignet, von Fussballteams über Orchester bis zu Pfadigruppen und zum Blutspendedienst. Zudem könnten auch Private leichter Hilfe für die Betreuung ihrer Kinder oder Eltern finden. Wie Niederberger erklärt, dürften die vielen Daten anonymisiert für die Frewilligenforschung genutzt werden. Davon erhoffe sich die SGG, interessante Einblicke in den Markt der Frewilligenarbeit zu gewinnen. Wo, wann und welche Art von freiwilliger Hilfe wird benötigt und geleistet? Diese Fragen könnten damit beantwortet werden.

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