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Klinik Linde

Hirslanden lockt die Bieler Belegärzte

Mehrfachakkreditierung, rasche Kostenvorteile, mehr Patienten aus der Region und ein höherer Preis: Dies verspricht die Hirslanden AG den Linde-Aktionären. SMN dagegen sagt:«Unser Angebot ist weiterhin attraktiv.»

Bild: Matthias Käser

Tobias Graden

Heute Abend hält die Bieler Privatklinik Linde ihre ordentliche Generalversammlung ab. Es ist allerdings eine unter speziellen Vorzeichen. Am 18. Mai hat die Swiss Medical Network AG(SMN), eine Tochter der Gruppe Aevis Victoria, bekannt gegeben, dass sie die Mehrheit an der Linde Holding Biel/Bienne AG übernehmen und die Klinik in ihr Netzwerk überführen will (das BT berichtete). Bei diesem einen Interessenten ist es nun aber nicht geblieben: Mit Datum vom 2. Juni, also am letzten Freitag, hat die Hirslanden AG in einem Brief an die Aktionäre der Linde ihr Interesse an der Klinik dargelegt. Der Brief liegt dem BT vor. Hirslanden ist bereit, mehr zu zahlen: Gegenüber den 2500 Franken seitens SMN ist der Hirslanden eine Linden-Aktie 2900 Franken wert, also 16 Prozent mehr.

Der Verwaltungsratspräsident der Klinik Linde, Kurt Aeberhard, nahm gestern zu dieser neuesten Entwicklung nicht Stellung. Er wird an der heutigen Generalversammlung eine Erklärung abgeben. Traktandiert ist das neue Angebot nicht, doch die Aktionäre können am Ende der GVFragen stellen.

Hirslanden will Linde prüfen
Die Hirslanden AG schreibt in ihrem Brief, es sei «sicherlich kein Geheimnis, dass Hirslanden die Privatklinik Linde nun mehr bereits seit geraumer Zeit erwerben möchte». Und:«Wir wollen dies mit unvermindert starkem Interesse.» Das Angebot von Hirslanden ist erst ein sogenanntes indikatives Kaufangebot, also eine Interessenserklärung. Der Grund: Hirslanden will die Klinik Linde einer eingehenden Unternehmensprüfung unterziehen, einer sogenannten Due Diligence. Nach Abschluss dieser Prüfung werde Hirslanden ein verbindliches Kaufangebot unterbreiten. Die Interessentin nennt dafür den 30. Juni als spätesten Termin. Sie geht laut dem Brief aber davon aus, dass sich an den Eckpunkten des Angebots nichts ändert. Theoretisch könnte die Klinik Linde eine solche Prüfung verhindern. Ein umworbenes Unternehmen hat nämlich das Recht, eine Due Diligence zu verweigern.

Damit überschneiden sich die Fristen. Die Annahmefrist für das Angebot von SMN läuft bis am 22. Juni. Sie könne «wohl verlängert werden», schreibt die Hirslanden AG.

SMN: «Mehr Vorteile»
Ob es dazu kommt, ist allerdings nicht sicher. Raymond Loretan, Präsident von SMN, nahm gestern zu dieser Frage keine Stellung. Auch wollte er nicht sagen, ob SMN nun ihrerseits eine Erhöhung des Angebots im Sinn hat. Loretan hält aber fest: «Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass ein Zusammenschluss mit uns für Ärzte und Patienten der Klinik Linde mehr Vorteile aufweist.» Die Linde passe «strategisch und kulturell hervorragend» zur Gruppe, und «sie würde zu einem neuen Leistungszentrum im Espace Mittelland mit grossen operativen Freiheiten werden».

Raymond Loretan folgert daraus: «Unser Angebot ist darum weiterhin attraktiv. Der Verwaltungsrat der Klinik Linde unterstützt unser Angebot nach wie vor und empfiehlt es seinen Aktionären weiterhin zur Annahme.»

Hirslanden: Projekte folgen
Auch die Hirslanden AG stellt in ihrem Schreiben der Klinik Linde eine «führende Position» in Aussicht. Diese regionale Positionierung werde durch einen Zusammenschluss gestärkt werden, da bisherige Hirslanden-Patienten aus der Region in der Linde behandelt werden könnten. Konkrete geplante Schwerpunkte und Projekte nennt Hirslanden noch nicht, diese seien «gemeinsam mit den Belegärzten zu entwickeln und umzusetzen». Es biete sich aber beispielsweise der Aufbau einer Kardiologie in Kooperation mit der Hirslanden-Klinik Beau-Site in Bern an. Den Belegärzten stellt Hirslanden die Mehrfachakkreditierung in Aussicht. Das würde bedeuten, dass Belegärzte von der Linde auch an anderen Hirslanden-Kliniken eigenständig Patienten betreuen könnten.

Zudem könne die Linde «mit kurzfristig realisierbaren signifikanten Kostenvorteilen» rechnen. Dies gelte etwa für den Bereich Einkauf und Logistik sowie durch die Integration der Linde in die «Hirslanden Shared Services».
Mit einem kleinen Seitenhieb gegenüber SMN, dessen Muttergesellschaft Aevis Victoria an der Generalversammlung vom 13. Juni über eine Kapitalerhöhung abstimmt, hält die Hirslanden AGfest, dass die «Finanzmittel zur Durchführung der Transaktion bei Hirslanden vorhanden» seien, «ohne ausserordentliche Finanzierungsaktivitäten».

«Gleichwertige Partner»
Für den Gesundheitsökonomen Heinz Locher kommt diese jüngste Entwicklung nicht überraschend. «Die Klinik Linde ist eine Perle im Markt», sagt er. Sie habe sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt, «das Linde-Team hat einen Super-Job gemacht». Die Linde habe als einziges Privatspital in der Region Biel eine «hervorragende Position». Kurz: «Es ist nicht verwunderlich, dass sie umworben ist.»

Locher taxiert beide Gruppen als «gleichwertige Partner», wobei die Hirslanden AG weiter sei, was die Integration der zentralen unternehmerischen Prozesse betreffe. Welche Lösung die bessere sei, lasse sich nur aus Sicht der beteiligten Belegärzte (welche die Mehrheit an der Linde halten) beurteilen:«Wäre ich ein solcher, würde ich nicht nur die finanzielle Komponente betrachten, sondern mir wäre eine Zusicherung des künftigen Leistungsangebots beispielsweise für die nächsten fünf Jahre wichtig.» Interessant für die Belegärzte sei aber die angebotene Mehrfachakkreditierung: «Wer medizinische Ambitionen hat, für den ist dies attraktiv.»

Wie es aus Sicht der Klinik Linde nun weitergehen soll, darüber dürfte Verwaltungsratspräsident Kurt Aeberhard heute Abend einige Worte verlieren. Im Verwaltungsrat stellen die Belegärzte zwar die Mehrheit, doch das Gremium muss auch die Interessen der übrigen Aktionäre wahren. «Sollte der Linde-Verwaltungsrat eine ablehnende Haltung zum Hirslanden-Angebot einnehmen, kann dies auch eine Verkaufstaktik sein», sagt Heinz Locher. Er wäre jedenfalls nicht überrascht, «wenn Aevis nun nachziehen und ihr Angebot nachbessern würde».

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