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Busswil

Ihr Ziel: Im Winter ausverkauft sein

Der Name ist Programm – eisfreie Autoscheiben sind ihr Geschäftsmodell. Mit dem Start-up Iceless wollen drei Freunde Karriere machen.

Remo Meyrat aus Busswil ist der Chemiker im Team. Bild: Lee Knipp

Daniela Deck

Fertig Eiskratzen auf der Windschutzscheibe. Einfach einsteigen, die Scheibenwischer betätigen und die Sicht auf die Strasse ist frei. Wer hat sich das nicht schon gewünscht an einem kalten, dunklen Wintermorgen auf dem Weg zur Arbeit? Drei Freunde, zwei Tessiner und ein Seeländer aus Busswil, setzen alles daran, dass der Wunsch Wirklichkeit wird. Vor vier Jahren haben sie das Start-up Iceless gegründet. Nach ersten Erfolgen im Tessin wollen sie nun landesweit ein Vertriebsnetz für ihr Produkt aufbauen.

Remo Meyrat ist der Chemiker im Team. Er hat die Zweikomponentenlösung entwickelt, die der jungen Firma den Namen gibt. Aufgewachsen ist Meyrat in Busswil, wo ein Teil seiner Familie noch heute wohnt. Hier, im Café Siesta, hat sich das Iceless-Trio eingefunden, um dem «Bieler Tagblatt» zu erzählen, welche Schritte vom Wunsch zur Wirklichkeit nötig waren – deutsch, französisch und italienisch kunterbunt durcheinander. Entwickler Meyrat lebt und arbeitet inzwischen in Bern. Er ist mit 33 Jahren der Älteste im Bunde, Projektleiter Andrea Guidicelli ist 30-jährig und Ethan Cuoco, verantwortlich für Kommunikation, 27.

 

Eisfrei die ganze Saison

Alles begann vor sieben Jahren mit dem Frust von Cuocos Vater Franco. Moderne Chemie, so die Überzeugung des streitbaren Bellinzonesen, müsste längst fähig sein, Autoscheiben ein für alle Mal eisfrei zu halten. Dass dazu ausgerechnet Fachwissen aus der Holzleimindustrie hilfreich sein würde, wusste damals allerdings noch niemand.

Man suchte einen Chemie-Masterstudenten, der hoch hinauswollte. Die Aufgabe: einen Enteiser entwickeln, der, einmal angebracht, die ganze Saison lang wirkt. Natürlich darf das Mittel nicht von Regen, Scheibenreiniger und Scheibenwischern fortgespült werden.

Remo Meyrat war dieser Student. Nach der Lehre als Chemielaborant bei CSL Behring und einer Weiterbildung zur Klebstofffachkraft in Deutschland studierte er an der Universität Freiburg i. Ue. Chemie.

 

Eigenhändige Produktion

«Hundert Prüfscheiben hatte ich auf dem Dach der Universität aufgestellt. Sogar einen Generalschlüssel hat mir das Institut anvertraut, damit ich stets freie Bahn hatte», erinnert sich Meyrat. «Jeden Morgen früh Eisdicken prüfen, neue Lösungen aufsprühen und natürlich Eiskratzen, bis mir fast die Hand abfiel», erzählt er mit fröhlichem Lachen. «Die Dauerhaftigkeit des Enteisers ist eine Frage der Grenzfläche zwischen der Scheibe und dem Wasser. Und da hat mir der Abstecher zur Klebstofftechnologie geholfen.» Dass der junge Chemiker nach einem Joggingunfall das Unidach an Krücken erklimmen musste, mit einem Handlanger für den Scheibentransport, tat seiner Begeisterung keinen Abbruch.

Das Rezept, das Meyrat gefunden hat, produziert er bis heute eigenhändig, eingemietet in einem Chemielabor. Projektleiter Guidicelli erklärt: «Wir wollen alle Fäden in der Hand behalten und uns von niemandem in die Karten schauen lassen.» Lediglich für die Verpackung der Fläschchen setzt die Firma auf einen externen Partner. Die nahtlose Kontrolle, so sind die Freunde überzeugt, erlaubt es ihnen, ihr Produkt zu einem «vernünftigen und fairen Preis» auf den Markt zu bringen.

Für eine Anwendung kosten die zwei Komponenten, Reiniger und Lösung, 35 Franken. «Für einen ganzen Winter kommt das günstiger als Enteiserspray und da ist die Zeitersparnis noch gar nicht eingerechnet», argumentiert Cuoco.

 

Vertriebspartner gesucht

Gestartet ist das Unternehmen im November 2016 mit 1000 Packungen, die über den firmeneigenen E-Shop, Instagram und Facebook verkauft wurden. Inzwischen ist bei den digitalen Vertriebskanälen Amazon dazugekommen. Das erklärte Ziel für 2020: Die gesamte Produktion von inzwischen 3000 Packungen verkaufen. Wer sich auf der Webseite umschaut, findet eine Reihe von Anwendervideos. Doch um diese zu sehen, muss ein Interessent bereits Vorwissen haben. Zufällig klickt hier niemand herein – digitale Kanäle allein genügen nicht, um bekannt zu werden.

Seit der Entwicklung von Iceless hat auch für Andrea Guidicelli als Organisator und Ethan Cuoco als Marketingfachmann die Arbeit so richtig begonnen. Guidicelli kümmert sich um die Logistik, Cuoco pflegt die digitalen Kanäle und bewirbt das Produkt. In der Experimentalphase haben sie hauptsächlich ihre Autos zum Testen zur Verfügung gestellt. Zeitweise fuhren die Jungunternehmer mit zur Hälfte behandelten Windschutzscheiben durch die Gegend. Nun stehen sie vor der harten Aufgabe, das fertige Produkt bei Garagen und Fachverkäufern bekannt zu machen.

Im Tessin, der Wiege der Idee, seien die ersten Kontakte zu Firmen in der Autobranche schon geknüpft, erzählt Guidicelli. Nun hat das Trio den Rest der Schweiz in den Fokus genommen. «Wir kochen Iceless vorerst auf kleiner Flamme. Denn wir sind Realisten und wir können rechnen», sagt Meyrat. Aus diesem Grund ist das Start-up für alle drei bisher eine Freizeitbeschäftigung. Jeder ist in seinem Fachbereich hauptberuflich im Angestelltenverhältnis tätig. In Zukunft möchten von der eigenen Firma leben können.

«Manchmal ist es hart, am Abend nach einem vollen Arbeitstag noch den Finanzplan oder die Buchhaltung für Iceless machen zu müssen», sagt Cuoco. Doch in einem Punkt sind sich die drei Freunde einig: «Der Aufbau einer eigenen Firma ist eine äusserst befriedigende Sache. Das gibt uns mehr Kraft, als dass es verbraucht.»

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