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Strafzölle

Industrie befürchtet Einbussen

Noch läuft es der Maschinenindustrie bestens. Macht die EU aber mit Strafzöllen auf Stahl Ernst, ist ein Milliardengeschäft in Gefahr. Der Schock wäre ähnlich hart wie beim Eurosturz, fürchtet Swissmem.

Verhängt die EU tatsächlich Strafzölle auf Stahl sind bei der Schweizer Maschinenindustrie tausende Stellen in Gefahr. Bild: Getty Images

Andreas Flütsch

Eigentlich ist die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie in bester Verfassung. Das zeigen vom Branchenverband Swissmem präsentierte Zahlen für das erste Halbjahr 2018. Der Auftragseingang ist in den ersten sechs Monaten um 24,1 Prozent gestiegen, verglichen mit dem Vorjahr. Die Auftragsbücher sind voll. Der Index, der die Auftragslage widerspiegelt, ist so hoch wie seit 10 Jahren nicht mehr. Die Warenexporte der Maschinenbranche waren von Januar bis Juni um 7,5 Prozent grösser als im gleichen Zeitraum im Jahr davor. Und bei den Umsätzen konnten die Unternehmen im ersten Halbjahr 2018 ein Plus von 16,4 Prozent verbuchen. Bereits fordert der Verband Angestellte Schweiz 2,3 Prozent mehr Lohn für die Industrie.

Auch die Aussichten der Maschinenbranche sind nach einer Umfrage von Swissmem positiv. Gut die Hälfte der Mitgliedsfirmen rechnen in den kommenden 12 Monaten mit gleich bleibenden Aufträgen aus dem Ausland. Von einer weiteren Zunahme der Bestellungen gehen noch 36 Prozent der befragten Firmen aus – 12 Prozent weniger als im Frühjahr. «Ich gehe davon aus, dass die gute Geschäftsentwicklung noch sechs bis zwölf Monate anhalten wird», sagt Hans Hess, Präsident von Swissmem. «Danach könnte es zu einer Abflachung der Konjunktur kommen.» In einzelnen Bereichen lasse die Dynamik bereits nach.

 

EU-Markt wäre gefährdet
Sorgen bereiten Swissmem der von US-Präsident Trump getriebene Handelsprotektionismus und die absehbaren Gegenmassnahmen der Europäischen Union (EU). Amerikas Strafzoll auf Stahl und Alu sei ärgerlich, habe in der Schweiz aber nicht gravierende Folgen, sagt Swissmem-Präsident Hess: «Die Schweizer Stahlexporte in die USA machen nur 87 Millionen Franken aus.» Wenn dagegen die EU als Reaktion auf Washington Strafzölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium verhängen sollte, sei der Schaden viel grösser, sagt Hess. «Wir exportieren pro Jahr Stahl für rund eine Milliarde Franken in die EU, dieser Markt wäre in Gefahr.» Denn die EU weigert sich, die Schweiz wie die EWR-Länder Norwegen, Island und Liechtenstein von allfälligen Strafzöllen auszunehmen. Bern konnte Brüssel bislang nicht umstimmen.

Kommen die EU-Strafzölle, fürchtet Swissmem einen markanten Einbruch im Export. Der Schock von 25 Prozent Zoll auf Stahl wäre so hart wie im Januar 2015 nach der Aufhebung der Untergrenze des Frankens zum Euro, sagt Hess. Man könne nur hoffen, dass Strafzölle in der EU nicht Schule machten, sonst könne es passieren, dass Exporte aus der Schweiz zunächst bei Stahl und anderen Metallen mit hohen Hürden behindert würden, später auch bei anderen Produkten, sollten die Spannungen im Handel zwischen USA, China und EU plötzlich eskalieren.

 

Ungemach droht
Der Frankenschock kostete die Branche über 12 000 Jobs. Seit dem Tiefpunkt von 317 300 Stellen im ersten Quartal 2017 wurden gut 8000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Vom ehemaligen Niveau von 350 000 Beschäftigten im Jahr 2008, vor der letzten schweren Rezession, ist die Maschinenbranche indes noch weit entfernt. Ungemach droht nicht nur von aussen. Swissmem lehnt die Fair-Food-Initiative und die Initiative zur Ernährungssouveränität ab, über die im September abgestimmt wird. Die Vorlagen diskriminierten Produkte wegen ihrer Produktionsweise. Die Schweiz riskiere bei einem Ja Klagen vor der Welthandelsorganisation und Retourkutschen der EU.

Die Initiativen verletzten den landwirtschaftlichen Teil der Abmachungen mit der EU. Handelspartner könnten mit der Erhebung neuer Zölle auf Schweizer Produkte aller Art reagieren. Im Extremfall provoziere die Annahme der beiden Initiativen die Kündigung der Bilateralen. Die Schweiz müsse sich hier nicht unbedingt selbst ein Ei legen, sagt Hess.

Besonders gefährlich sei die Selbstbestimmungsinitiative der SVP, über die im November abgestimmt wird, sagt Hess. Ein Ja hätte für die Maschinenindustrie zur Folge, dass «zahlreiche internationale Verträge, die den einfachen Zugang zu den Absatzmärkten garantieren», infrage gestellt würden. Die Kündigung oder die Neuverhandlung einzelner Verträge wäre die Konsequenz.

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