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Brügg

«Jetzt machen wir unsere Hausaufgaben»

Für die Isoma gibt es eine Zukunft: Die Wenk AG hat ihre Aktiven übernommen und führt das Geschäft weiter. 
Die Altlastensanierung des früheren Firmenstandorts wird vor allem die öffentliche Hand bezahlen müssen.

Urs Tschudin (links) will die Isoma mit den Mitarbeitern Dominique Reymann, Dominique Jäggi und Anel Musanovic (v.l) in die Zukunft führen. Bild: Nico Kobel

Tobias Graden

Urs Tschudin ist auf sein Pensionsalter hin wieder zum Lehrling geworden. Innert kurzer Zeit hat er sich in den letzten Monaten Kenntnisse über die Produkte der Isoma aneignen müssen, über die Optik der Mikroskope, hat erfahren, wie die Geräte aufgebaut sind. Eine Freude sei ihm dies, sagt er. Und das Lernen geht weiter: Erst kürzlich, erzählt er, sei er mit einem Mitarbeiter bei einem Kunden gewesen. Er hat sich von diesem erzählen lassen, welche Neuerungen er gebrauchen könnte, welche Verbesserungen an den Geräten nötig wären. Solche Rückmeldungen sammelt Urs Tschudin, sie sollen dereinst in neue Isoma-Produkte münden.

Mehrere Interessenten
Isoma? Der Spezialist für optische Messtechnik, gegründet 1947, über Jahrzehnte von Familienhand geführt, geriet letztes Jahr in ernsthafte Schwierigkeiten. Als im April absehbar war, dass wegen der Altlastensanierung des früheren Firmensitzes im Bieler Lindenquartier (das BT berichtete) grössere Forderungen auf das Unternehmen zukommen würden, zog der Verwaltungsrat die Reissleine und schickte die Firma in Nachlassstundung, was dann Ende September im Handelsamtsblatt vermeldet wurde.

Als Sachwalter eingesetzt wurde der Berner Rechtsanwalt Thomas Gisselbrecht. Er suchte nach Lösungen, wie die Tätigkeit der Isoma und damit die Arbeitsplätze gerettet werden könnten. Nach eigenen Angaben hat er zwischen letzten Sommer und Herbst mit rund zehn Interessenten Gespräche geführt, doch es sei jeweils rasch klar geworden, dass «unterschiedliche Vorstellungen bezüglich Preisgestaltung und Management-Besetzung» vorgeherrscht hätten. Zudem: «Manche waren nur am Produkt und der Marke interessiert und hätten die Firma dann liquidiert.»

Finanzen ins Lot bringen
Gleichzeitig suchte der Unternehmer Urs Tschudin ein neues Geschäftsfeld für die Wenk AG, ein Vertriebspartner für Werkzeugmaschinen, die er präsidiert. Nachdem er sich bei der Grenchner Tschudin AG vom CEO-Posten zum Präsidium zurückgezogen hatte, besass er auch freie Kapazitäten dafür. Per Zufall – sein Versicherungsvertreter arbeitete für beide Firmen – stiess er auf die Brügger Isoma. Sein Interesse war geweckt: «Ich stand als Unternehmer vor 30 Jahren vor derselben Situation», erzählt er, «die vorige Führung der Isoma hat gewiss hart gearbeitet, aber eben nicht alles richtig gemacht.» Jedenfalls sah er bei der genaueren Analyse des Dossiers «Sachen, die einen begeistern, aber auch Dinge, bei denen es einem kalt den Rücken hinunterläuft».

Mit Letzterem meint er vor allem die Schere zwischen Aufwand und Ertrag. Diese zu schliessen, sei noch ein steiniger Weg. «Doch wenn ich die Möglichkeit nicht sähe, die Finanzen wieder ins Lot bringen zu können, wäre ich nicht hier.»

Auf der Plus-Seite stünden die Erfahrung des Unternehmens, die Produkte mit ihren Spezialitäten sowie die stabilen Kundenbeziehungen. Das Echo der Kunden sei denn auch durchwegs positiv, «und wenn das so ist, muss man eben einfach schauen, dass das Geschäft stimmt», sagt Tschudin in seiner hemdsärmligen Art.

Gesucht: ein CEO
Seit dem 1. Januar ist Tschudin nun Geschäftsführer von Isoma, der frühere CEO Jean-Claude Moser ist ausgeschieden. Acht der zuvor noch 13 Mitarbeiter hat Tschudin übernommen, ein Entwicklungsspezialist mit Kenntnissen in Software, Elektronik und Optik wird noch gesucht, ebenso ein Geschäftsführer. Denn Tschudin will diesen Posten nur übergangsweise ausführen: «In sechs Monaten bin ich wieder weg und nur noch Mitglied des Verwaltungsrats.»

Die Wenk AG hat dabei die Isoma nicht komplett übernommen, sondern ihre Aktiven gekauft. Hintergrund ist die anstehende Altlastensanierung am früheren Standort. Für diese haben die Stadt Biel und der Kanton Bern nämlich Forderungen in der Höhe von rund 320 000 Franken eingereicht. Hätte die Wenk AG die Isoma komplett gekauft, müsste sie auch die Passiven übernehmen, also die Schulden – und müsste damit auch nach gängiger Praxis 70 bis 90 Prozent der Kosten der Altlastensanierung tragen. Dazu wäre kein Käufer bereit gewesen, handelt es sich doch dabei mit einem Anteil von etwa einem Drittel um die grösste Einzelforderung an die Isoma.

Späte Eingabe
Die Gläubigerversammlung hat dem Geschäft am 23. Januar zugestimmt. Pikant dabei: Die öffentliche Hand hatte ihre Forderung Ende November eingegeben – zu einem Zeitpunkt, an dem die Forderung zwar noch gültig ist, die Gläubigerin aber kein Stimmrecht an der Gläubigerversammlung mehr geltend machen konnte. Beat Bommer, Leiter der Abteilung Liegenschaften der Stadt Biel, bestätigt diesen Sachverhalt auf Anfrage. Man sei zu spät auf das Nachlassverfahren aufmerksam geworden, auf dessen Ausgang hätte dies jedoch ohnehin keinen Einfluss gehabt.

Für die öffentliche Hand als Grundeigentümerin bedeutet dies, dass nun sie den Grossteil der Sanierung bezahlen muss. Das mag für Beobachter stossend wirken, wäre allerdings im Falle eines Konkurses der Isoma erst recht der Fall gewesen. So besteht immerhin die Chance, eine gewisse Nachlassdividende zu erhalten – wenn auch eine geringe, ist doch die Forderung der Stadt eine Drittklassforderung.

Den Verkauf der Aktiven hat der Nachlassrichter im Dezember gerichtlich genehmigt. Am 15. März wird das Gericht über den Nachlassvertrag befinden, der eine Dividende für die Gläubiger vorsieht. Über genaue Zahlen macht Sachwalter Gisselbrecht keine Angaben. Anschliessend wird die Isoma liquidiert, und auch der noch im Verwaltungsrat verbliebene Vertreter der Gründerfamilie, Heinz Moser, wird ausscheiden.

Kein Platz in Grenchen
Wo die Isoma künftig domiziliert sein wird, ist noch nicht entschieden. Die Räumlichkeiten im Brügger Weberpark sind für die derzeitige Firmengrösse recht grosszügig bemessen. Im Tschudin-Neubau in Grenchen, der in diesem Frühling eingeweiht wird, ist jedoch kein Platz, denn neben der Fertigung von Tschudin wird auch die Wenk AG dort einziehen. Das sei bedauerlich, sagt Tschudin, «denn dies wäre die beste Lösung gewesen».

Gleichwohl: Urs Tschudin ist jedenfalls zuversichtlich, dass die Tätigkeit der Isoma eine Zukunft hat. «Für die nächsten zwei Jahre müssen wir nun aber unsere Hausaufgaben machen», sagt er. Ende diesen Jahres soll der Bereich Isoma wieder zehn Mitarbeiter umfassen, ab Ende 2020 soll dann wieder Wachstum möglich sein. «Darum lerne ich jetzt von den Kunden», sagt Urs Tschudin, der oberste Lehrling der Isoma.

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