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Meyer Burger

Kampf mit unlauteren Mitteln?

Peter V. Kunz, Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern, hat das Vorgehen
der Unternehmensführung der Thuner Firma beurteilt. Er sieht Verstösse gegen Aktien- und Arbeitsrecht.

Das Firmengebäude von Meyer Burger in Thun: Unternehmenschef Hans Brändle will zurücktreten, wenn der Kandidat des aktivistischen Grossaktionärs Sentis Capital in den Verwaltungsrat gewählt wird. zvg

Quentin Schlapbach

Am Mittwoch kommt es im Stade de Suisse in Bern zum Showdown. An einer ausserordentlichen Generalversammlung müssen die Aktionäre von Meyer Burger entscheiden, ob sie Mark Kerekes als Vertreter des Grossaktionärs Sentis Capital in den Verwaltungsrat wählen wollen. Dieser Verwaltungsrat wehrt sich seit Wochen mit Händen und Füssen gegen diese Wahl – so wie auch der Geschäftsführer Hans Brändle. In einem Brief an die Aktionäre kündete das Thuner Solarunternehmen Ende September an, dass Brändle zurücktreten werde, sollte Kerekes gewählt werden.

Mit dieser Drohung habe Brändle Sorgfalts- und Treupflichten in seinem Arbeitsvertrag verletzt. Das sagt Peter V. Kunz, Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern. Der renommierte Professor hat im Auftrag von Sentis Capital ein Gutachten zum Vorgehen der Führung von Meyer Burger geschrieben. «Es handelt sich dabei nicht um ein Parteigutachten. Mir wurden im Vorfeld keine Vorgaben gemacht», betont Kunz. Aber das sei hier auch zweitrangig.

«Juristisch ist es ein relativ simpler Fall», sagt der promovierte Aktienrechtsexperte. Die Führung von Meyer Burger habe rechtlich kein einziges Argument auf ihrer Seite, das gegen eine Wahl von Kerekes sprechen würde, sagt Kunz. Hingegen habe das Unternehmen selbst im Streit mit dem Grossaktionär rechtliche Grenzen überschritten.

Verstoss gegen Arbeitsvertrag

Da wäre zum Beispiel die Rücktrittsdrohung von Hans Brändle. «Eine solche Drohung steht klar im Widerspruch zu den Interessen des Unternehmens und der Aktionäre», sagt Kunz. Wenn ein Geschäftsführer öffentlich droht, seinen Job zu kündigen, falls die Eigentümer etwas entscheiden, verstösst er damit gegen seinen Arbeitsvertrag. «Ein Arbeitnehmer hat natürlich ein Kündigungsrecht. Aber er kann damit nicht öffentlich drohen.» Wenn der Geschäftsführer einer börsenkotierten Firma sich so äussert, kann sich das nämlich direkt auf den Geschäftsgang der Firma auswirken. So könnten Kunden verunsichert werden und von weiteren Bestellungen absehen.

Der Verwaltungsrat hätte die Drohung laut dem Gutachten jedenfalls keineswegs hinnehmen dürfen. «Als dem Geschäftsführer übergeordnetes Gremium hätte er sofort einschreiten müssen», sagt Kunz. Statt dies zu tun, machte er aber genau das Gegenteil. Der Verwaltungsrat instrumentalisierte die Drohung Brändles für seine eigenen Interessen – nämlich gegen die Wahl von Kerekes. Er signalisierte gegenüber den Aktionären damit indirekt, dass kein Plan B bestehe, falls Brändle gehe. «Solch ein Vorgehen ist schlicht unhaltbar», sagt Kunz. Ein Verwaltungsrat dürfe seine Strategie prinzipiell nicht von einer einzigen Person abhängig machen. «Das ist keine gute Unternehmensführung.»

Kein Interessenkonflikt

Aber damit nicht genug: In der Abwehrschlacht berief sich Meyer Burger seinerseits auf das schweizerische Aktienrecht. Da Kerekes der Interessenvertreter eines aktivistischen Aktionärs sei, würde dessen Wahl einen Interessenkonflikt darstellen. Das sei rechtlich eine absurde Argumentation, sagt Kunz. «Zwischen Meyer Burger und Sentis Capital sind keine Interessenkonflikte ersichtlich.» Weder bestehe ein Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Unternehmen, noch sei Sentis an einer konkurrenzierenden Firma beteiligt.

«Allfällige unterschiedliche Ansichten zur strategischen Ausrichtung sind jedenfalls kein rechtlich relevanter Interessenkonflikt», sagt Kunz. Als Grossaktionärin sei Sentis Capital vor allem an der Wertsteigerung ihrer Investition sowie an Mitsprache interessiert – und das sei absolut legitim.

Zu wenige Verwaltungsräte

Kunz sieht im Vorgehen von Meyer Burger den typischen Fall einer Abwehrschlacht. In der jüngeren Vergangenheit fanden solche Konflikte immer wieder zwischen Führungen von Schweizer Unternehmen und ausländischen Grossaktionären statt – Sentis Capital, in Österreich domiziliert, gehört dem russischen Investor Petr Kondrashev. «Die betroffenen Schweizer Unternehmensleitungen haben dabei immer wieder zu rechtlich fragwürdigen Verteidigungsmethoden gegriffen und ihren institutionellen Heimvorteil ausgenutzt», sagt Kunz. So etwa im Fall der Baustoffherstellerin Sika, wo Verwaltungsrat und Geschäftsleitung gemeinsam eine Übernahme durch den französischen Industriekonzern Saint-Gobain verhinderten.

Bei Meyer Burger geht es aber gar nicht einmal um eine Übernahme. Es geht darum, wie das Unternehmen, das seit sieben Jahren rote Zahlen schreibt, wieder auf Kurs gebracht werden kann. Dass ein Unternehmen in einer solchen Situation bloss vier Verwaltungsräte habe, sei bedenklich, findet Kunz. «Für eine effiziente Unternehmensführung braucht es unbedingt personelle Verstärkung.» Ursprünglich hatte Sentis Capital sogar zwei Vertreter an der nächsten Generalversammlung in das Aufsichtsgremium wählen lassen wollen. sad

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Am Mittwoch ist High Noon

Nach sieben Jahren mit grossen Verlusten, massivem Arbeitsplatzabbau und vielen Spartenverkäufen sucht der einstige Börsenliebling Meyer Burger den Befreiungsschlag. Doch zuerst kommt es zum Schlagabtausch zwischen dem Solarunternehmen und der Aktionärsgruppe um den russischen Milliardär Petr Kondrashev. Am Mittwoch kommt es zum Kräftemessen. Im Stade de Suisse werden die Aktionäre an einer ausserordentlichen Generalversammlung über einen Antrag von Kondra­shevs Aktionärsgruppe entscheiden, nämlich über die Wahl ihres Vertreters Mark Kerekes in den Verwaltungsrat. Die Führung von Meyer Burger lehnt dies vehement ab. CEO Hans Brändle droht gar mit Rücktritt.

Remo Lütolf, Verwaltungsratspräsident, spricht Kerekes auf Anfrage die nötigen Qualifikationen ab, um für den Verwaltungsrat geeignet zu sein. Vielmehr habe der ehemalige Investmentbanker die Interessen von Kondrashevs Anlagegesellschaft Sentis Capital im Sinn, deren Co-Geschäftsleiter er ist.

Was also will die Investorengruppe um Sentis, die inzwischen über 11 Prozent der Aktien kontrolliert? Man sei an einem langfristigen Investment interessiert, heisst es in einem Schreiben an die Aktionäre. Es gebe keine Diskrepanz um die strategische Stossrichtung, man wolle als Grossaktionär aber mitreden.

Lütolf sagt hingegen: «Von Sentis haben wir kaum konstruktive alternative Vorschläge für die strategische Entwicklung gehört, sondern primär Kritik an der Vergangenheit. Wir wissen nicht, was sie vorhaben.» Der Antrag für die Wahl von Kerekes komme zur Unzeit: «Sentis hätte schon bei der Generalversammlung im Frühling einen Kandidaten zur Wahl stellen können», sagt Lütolf. Der Aufwand für die ausserordentliche Generalversammlung sei nun beträchtlich.

Die finanzielle Situation von Meyer Burger hatte sich zugespitzt. Im ersten Halbjahr 2019 sanken die flüssigen Mittel von 102 auf knapp 32 Millionen Franken. So kann es nicht weitergehen. Inzwischen hat das Unternehmen einige Aktiven zu Geld gemacht, zuletzt durch den Verkauf der deutschen Tochterfirma AIS Automation Dresden und des Konzerngebäudes in Thun. Anfang Jahr hat Meyer Burger bereits die Produktion am Stammsitz aufgegeben.

Trotzdem: «Thun bleibt ein wichtiger Standort für Meyer Burger», beteuert Lütolf. Hier befindet sich der Konzernsitz, das Unternehmen bleibt als Mieterin in dem Gebäude. «Zudem entwickeln wir hier die Smartwire-Technologie, und die Produktverantwortung dafür ist hier beheimatet.» Smartwire sind dünne Drähte zur Verbindung der Solarzellen. Wird Smartwire kopiert, kann man das bei jedem Modul sehen, wie Lütolf erklärt. «Mit einem weltweiten Patentschutz für Smartwire sind wir zusätzlich geschützt. Im Westen sind Sanktionen für Produktkopien inzwischen beträchtlich.»

Meyer Burger hat leidvolle Erfahrungen gemacht in China, die Investitionen haben sich nicht ausgezahlt. «Im heutigen Hauptmarkt China sind unsere Entwicklungen, unser geistiges Eigentum, nicht genügend geschützt», stellt Lütolf fest. Meyer Burger habe regelmässig Kopien entdeckt, sei aber mit Patentrechtsklagen mehrfach gescheitert. «Wir konnten also ein paar wenige, für viel Geld entwickelte neue Anlagen nach China verkaufen, dann gab es einige Monate später bereits ein Nachahmerprodukt.»

Lütolf glaubt, dagegen ein Rezept gefunden zu haben: Kunden, die sich verpflichten, die Technologien nicht zu kopieren. Im Gegenzug erhalten sie gegen bestimmte Volumenverpflichtungen eine gewisse Exklusivität, diese ist zeitlich und geografisch begrenzt. So will Lütolf Meyer Burgers neueste, noch effizientere Solarzellentechnologien Heterojunction und später Perovskit sowie die Zellverbindungstechnologie Smartwire schützen. Und die Thuner sind an den Gewinnen aus dem Verkauf der Technologien beteiligt. Diese Strategie hat Meyer Burger im August vorgestellt. Trotzdem haben die Anleger kaum neue Hoffnung geschöpft. Julian Witschi

Stichwörter: Wirtschaft, Meyer Burger

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