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Coronakrise

Klappt das mit der Stromversorgung?

Was, wenn wegen coronabedingter Personalausfälle die kritische Infrastruktur schlapp macht? Die Post würde notfalls auf den Zivilschutz zurückgreifen. Und die anderen?

Symbolbild: Keystone

Alexandra Bröhmund 
und Isabel Strassheim

Die Omikron-Welle rollt auf die Schweiz zu. Die täglichen Fallzahlen könnten Rekordwerte erreichen, wie das in Ländern, in denen Omikron bereits dominiert, der Fall ist. Grossbritannien meldete gestern beispielsweise 119 789 neue Fälle an einem einzigen Tag – den höchsten Wert seit Pandemiebeginn. Auch in der Schweiz könnten die täglichen Fallzahlen mit Omikron auf rund 20 000 klettern, wie die wissenschaftliche Taskforce in ihrem Lagebericht vom 21. Dezember schätzt.

Sorgen bereitet ein derart starker Anstieg nicht nur dem Gesundheitswesen mit den überlasteten Krankenhäusern und dem ausgebrannten Pflegepersonal. Wenn nämlich plötzlich sehr viele Menschen gleichzeitig krank, in Quarantäne oder Isolation sind, könnten auch andere wichtige Infrastrukturen der Schweiz leiden.

So meldete die Lufthansa, dass Nordatlantikflüge ausfallen müssen, weil sich zu viele Piloten krank gemeldet haben (siehe Nachricht in der rechten Spalte). «Wir haben mit einem sehr grossen Puffer geplant. Der reicht aber für die extrem hohe Krankenquote nicht aus», sagte ein Lufthansa-Sprecher laut der Nachrichtenagentur SDA. Swiss erklärte dagegen auf Anfrage, es gäbe derzeit «keine Engpässe bei unserem fliegenden Personal.»

 

Firmen sind selbst für
Notfallpläne verantwortlich

2017 verabschiedete der Bundesrat eine überarbeitete Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen – auch für den Fall einer Pandemie. «Ich gehe davon aus, dass die entsprechenden Arbeiten nach zwei Jahren Pandemie gemacht worden sind», sagte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung des Bundesamts für Gesundheit, am Dienstag bei der Medienkonferenz auf die Frage, ob die kritische Infrastruktur auf die heranrollende Omikron-Welle vorbereitet sei.

Ist das wirklich so? Zuständig für die kritische Infrastruktur sind das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und in der jetzigen Situation vor allem das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL). Allerdings gilt hier – wie in so vielen Bereichen der Schweiz – die Eigenverantwortung, in diesem Fall jene der Wirtschaft.

«Der Fokus liegt derzeit auf der Durchhaltefähigkeit der kritischen Infrastrukturen», erklärt dazu eine Sprecherin des BWL. Die Verantwortung dafür liege zwar bei den Unternehmen. «Aber wir halten Massnahmen bereit, um bei sich abzeichnenden Engpässen rechtzeitig eingreifen zu können», heisst es beim BWL. Konkreter wird die Behörde nicht.

Swissgrid, zuständig für die Stromversorgung, ist da auskunftsfreudiger. Derzeit vertieften sich die Verantwortlichen in die Notfallpläne. Sollte es krankheitsbedingt zu grösseren Ausfällen kommen, sind im System schon doppelte Zuständigkeiten angelegt. «Wir haben je eine Netzleitstelle in Prilly und eine in Aarau», erklärt eine Swissgrid-Sprecherin.

Und beide Leitstellen könnten nötigenfalls je für die andere einspringen und das gesamte Netz steuern. Zudem gäbe es einen Pool an Mitarbeitenden, die früher an kritischen Stellen gearbeitet hätten und im Notfall auf Stand-by seien.

Der Stromanbieter Axpo hat die Regeln für den Zugang der betriebskritischen Räume verschärft: «Zutritt hat nur noch das zwingend vor Ort erforderliche Schichtpersonal, das in getrennten Schichten arbeitet», heisst es. Ferner habe Axpo sichergestellt, dass auch über die Feiertage im Homeoffice mittels Back-up-Lösungen immer genug Mitarbeitende verfügbar sind, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Im AKW Beznau verweist ein Zuständiger auf die hohe Impf- und Boosterquote bei den Mitarbeitenden, die auch nicht mehr alle vor Ort sein müssten. Ein Back-up für die Feiertage sei organisiert.

 

Bleiben Post und Bahn funktionstüchtig?

Auch die Post bereitet sich auf einen bevorstehenden Omikron-Schock vor. Um die Zustellung auch bei grösseren Personalausfällen sicherzustellen, seien interne Personalverschiebungen oder das Einstellen von Temporärkräften denkbar, zitiert SRF die Post. Als äusserstes Mittel wäre sogar der Einsatz des Zivilschutzes eine Option.

Noch keine besonderen Massnahmen stehen dagegen im Detailhandel an – oder zumindest redet niemand offen darüber. «Anpassungen in den Schichtplänen haben wir keine vorgenommen», sagt Migros-Sprecher Marcel Schlatter. «Wir beobachten die Lage nüchtern-aufmerksam und stehen in einem engen Austausch mit dem Bundesamt für Gesundheit.» Ähnlich klingt es bei Coop.

Ob es im Notfall auf einzelnen Linien zu Zugausfällen kommen könnte, ist nicht klar. Bei der SBB geben sich die Zuständigen bedeckt. Man bereite sich auf unterschiedliche Szenarien vor, mehr will eine Sprecherin nicht verraten.

Wenn die Omikron-Variante spätestens Ende des Jahres das Infektionsgeschehen auch in der Schweiz dominiert, wird sich zeigen, ob die Betreiber der kritischen Infrastruktur ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Stichwörter: Strom, Corona, Krise

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