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Kleine Läden sind benachteiligt

Der Bundesrat lässt ab dem 27. April die Grossverteiler ihr gesamtes Sortiment im stationären Handel öffnen. Dieser Entscheid stösst bei Bieler Ladeninhabern auf viel Unverständnis.

«Es ist einfach nicht fair»: Patrick Widmer vom Bieler Veloladen 47 Grad Nord. Bild: Matthias Käser/a

Manuela Schnyder

Der Bundesrat hat am Donnerstag die schrittweise Lockerung der Massnahmen gegen das Coronavirus bekannt gegeben. Und genau die geplanten Schritte sorgen nun für Ärger. Denn ab dem 27. April dürfen nicht nur Coiffeure, Massagesalons, Gärtnereien und Baumärkte öffnen, sondern insbesondere auch die Grossverteiler wieder ihr gesamtes Sortiment zum Verkauf anbieten. Dazu gehören auch Kleidung, Sportartikel oder Bücher.

Der Detail- und Fachhandel darf die gleichen Produkte aber erst ab dem 11. Mai anbieten. Diese zweiwöchige Vorlaufszeit stösst dem hiesigen Kleingewerbe sauer auf: «Ich verstehe absolut nicht, warum jetzt Baumärkte öffnen dürfen und wir nicht», sagt etwa Geschäftsführerin Fatima Fankhauser vom Bieler Kleider- und Sportgeschäft Longboarder.

Die Begründung Fankhausers: Weder Kleidung und Sportsachen noch Bau- und Hobbyutensilien gehörten zum Grundbedarf. Wenn der Bundesrat die eine Sortimentsgruppe jetzt erlaube, dann sollte auch die andere gestattet sein – also das, was das Geschäft an der Bahnhofstrasse anbietet. Fankhauser fordert, die Türen öffnen zu dürfen. Zudem betont sie, in ihrem Laden die Abstands- und Hygieneregeln besser umsetzen zu können als die Grossisten.

Regeln wären gut umsetzbar

Fankhauser ist nicht die einzige, die sich über die «diskriminierende» Lockerung des Bundesrates aufregt: «Es ist einfach nicht fair und willkürlich, dass jetzt die Grossisten auf grosser Fläche Velos verkaufen dürfen und wir mit unserem kleinen Laden und viel weniger Durchlauf nicht», sagt etwa Patrik Widmer vom Bieler Veloladen 47 Grad Nord. In Widmers Laden sind zu normalen Zeiten oft nur ein oder zwei Kunden im Geschäft: «Das wäre organisatorisch ein Leichtes, die Massnahmen des Bundes umzusetzen, viel besser als bei den Grossen», sagt auch er. Zum Glück dürfe er noch in der Werkstatt reparieren, andere hätten gar keine Erträge.

Dass die Grossverteiler Ende April also ihre bislang abgesperrten Regale wegnehmen dürfen, das kann auch der Buchhandel nicht verstehen. «Es ist schon unschön, wenn die Grossverteiler jetzt auch wieder Bücher verkaufen dürfen und wir nicht», sagt David Bucher, Marketingleiter von Bücher Lüthy. Die Leute hätten sich mittlerweile an die Abstands- und Hygienemassnahmen gewöhnt und würden diese einhalten, wie etwa auch beim Einkauf in der Bäckerei und der Apotheke. Und auch Deutschland, Österreich und sogar Italien öffneten ihre Buchhandlungen wieder. Immerhin könne Lüthy noch einen gewissen Teil online verkaufen.

Auch der Bieler Sportartikelverkäufer Hügi Sport kann seine Geschäfte zu einem grossen Teil online tätigen. Geschäftlich sei die längere Wartezeit für ihn nicht so schlimm, sagt Inhaber Marcel Fröhling. Der Bundesrat wolle den Menschenstrom kontrollieren und er akzeptiere daher den Entscheid. Trotzdem findet auch er, dass die Massnahmen im kleinen Laden gut umzusetzen wären: «Bei mir sind oft nur ein bis zwei Kunden im Geschäft, und das meist auf Termin», sagt er. Besonders schade für das kleine Gewerbe sei, dass er oft im Telefongespräch mit seinen Kunden höre, dass sie gerade wegen der Corona-Krise beim kleinen lokalen Laden einkaufen wollten.

Die Zeit läuft davon

Noch unschlüssig über die Lockerungen des Bundes zeigt sich Markus Gygax, Mitinhaber der Kleiderkette Bijou les Boutiques. So sei etwa noch unklar, ob auch Manor, Globus oder Loeb, die ja ebenfalls einen Food-Bereich haben, auch andere Warenabteilungen öffnen dürften. «Falls aber auch diese Einkaufsketten per 27. April qualitativ hochstehende Kleidung anbieten werden, dann wäre das eine krasse Marktverzerrung», sagt er. Solange aber nur Coop und Migros ihr kleines Sortiment an Kleidung zum Verkauf freigeben und damit die Leute Strümpfe und Unterwäsche für den täglichen Bedarf kaufen könnten, dann sei das in Ordnung.

«Es sei ein schöner Lichtblick, dass jetzt etwa Blumenläden wieder ihre Frischware verkaufen können», sagt derweil Fabian Blaser, Inhaber des Goldschmiede und Gemmologielabors. Trotzdem findet auch Blaser den Entscheid des Bundes fragwürdig, dass die Grossen wieder alles – von Glückwunschkarten über Schmuck bis zu Hemden – als Erste verkaufen dürfen. Bei ihm und sicherlich auch bei vielen anderen kleinen Geschäften könnten die geforderten Hygienemassnahmen ohne weiteres auch eingehalten werden, meint er. Er habe zwar bis jetzt noch seine Auftragsbücher abarbeiten können, doch seit der Ladenschliessung seien keine neuen Aufträge reingekommen. Er versuche nun, mit einer einfacheren Kollektion den wegfallenden Erträgen und Löhnen bei der Bevölkerung gerecht zu werden.

Während also einige Geschäfte sich mit Online-Handel oder angepassten Angeboten über Wasser halten, leiden andere Geschäfte stärker: Longboarder etwa hat keinen Online-Handel und damit derzeit keine Möglichkeit, seine Waren zu verkaufen: «Wir haben Existenzängste, bei uns spielt jeder Tag, an dem wir nicht öffnen, eine Rolle», sagt die Geschäftsführerin. Und die verbürgten Kredite verschöben das Problem nur in die Zukunft, die Schulden lösten sich ja nicht in Luft auf. Dass jetzt Migros & Co. Flipflops verkaufen dürften und sie nicht, das sei einfach unfair.

Und genau das moniert auch die Präsidentin des Gewerbeverbands Bieler KMU: «Es ist einfach wieder einmal eine ungerechte Behandlung der Kleinen», sagt Miriam Stebler. Die KMU seien dermassen sensibilisiert und parat, die Massnahmen des Bundes in ihren Läden umzusetzen. Und jetzt dürften nur die Grossen wieder Kosmetik, Kleider und andere Waren anbieten und die Kleinen hätten das Nachsehen. Dabei laufe gerade den kleinen Betrieben die Zeit davon: «Ich bin schon sehr verärgert.»

Stichwörter: Fachandel, Coronakrise, Laden

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