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Berufsbildung

Lernende händeringend gesucht

Ein Vorschlag von Swatch-Group-Chef Nick Hayek fordert ein grösseres Angebot an Lehrstellen. Allerdings können schon heute viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden.

Nicht immer sind die Werkbänke besetzt: Die MEM-Branche hat Mühe, ihre Lehrstellen zu besetzen. Bild: Keystone

Thomas Uhland

Die Idee besticht: Pro zwölf Mitarbeitende sollen Unternehmen eine Lehrstelle anbieten. Damit soll der Fachkräftemangel in der Schweiz bekämpft werden. Der diesen Vorschlag macht, ist kein Geringerer als Swatch-Chef Nick Hayek. Er sieht darin eine Investition in den Werkplatz Schweiz, der zielführender sei als die 1:12-Initiative, über die an diesem Wochenende abgestimmt wird. So sagte Hayek vor Wochenfrist in einem Interview mit der Zeitung «Finanz und Wirtschaft»: «Wie ich bereits vor Monaten vorgeschlagen habe, wäre die Zielsetzung, auf zwölf Angestellte eine Lehrstelle zu schaffen, viel konstruktiver für den Werkplatz Schweiz.»

Über seine Pressestelle lässt Hayek allerdings verlauten, dass es ihm nicht um eine starre, staatlich auferlegte Regelung gehe. Er sei «gegen alle diese Regeln und Vorschriften, welche die Unternehmen standardisieren sollen».

Sympathiepunkte

Für seinen Vorschlag erntet Hayek Sympathiepunkte - aber nicht mehr. «Ein kreativer und zukunftsorientierter Vorschlag», der aber letztlich nicht durchführbar sei und zudem am Hauptproblem der Schweizer Unternehmen vorbeiziele. Dies sagt etwa Markus Kammermann, Geschäftsführer der Sektionen Bern und Biel/Bienne von Swissmechanic, dem Verband der KMU in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Branche.

Das Problem der Branche sei heute nicht der Mangel an Lehrstellen, sondern der Mangel an geeigneten jungen Männern und Frauen, die sich für einen mechanisch-technischen Beruf entscheiden. Anders als noch vor ein paar Jahren herrsche heute kein Lehrstellenmangel mehr. Eine positive Entwicklung für die jungen Leute zwar, doch die Lehrbetriebe gewisser Branchen müssen feststellen, dass sie Mühe haben, genügend Lernende zu rekrutieren, die ihren Anforderungen genügen.

Demografisches Problem

Ähnlich sagt es Ivo Zimmermann, Sprecher von Swissmem: «Es liegt nicht daran, dass die Unternehmen zu wenige Lehrstellen anbieten, sondern dass die vorhandenen Lehrstellen nicht besetzt werden können.» Dies sei nicht zuletzt ein demografisches Problem, denn die Gesamtzahl der Schulabgänger gehe seit einigen Jahren kontinuierlich zurück. «Die Unternehmen der MEM- Industrie suchen teils hände- ringend nach geeigneten Lernenden», sagt Zimmermann. Dies bestätigt auch eines der wichtigen Unternehmen der Region: «Im Sommer 2013 konnten wir nicht alle Lehrstellen besetzen», sagt Karin Labhart, Mediensprecherin der Lysser Firma Feintool.

Ein Blick auf die Zahlen (vgl. Infobox) verdeutlicht die Relationen: Im Kanton Bern gab es per Ende 2011 umgerechnet etwas über 536 000 Vollzeitstellen, aber «nur» 30 000 Lehrabschlüsse.

Manche Firmen profitieren

Für Markus Kammermann ist nicht die Verpflichtung der Unternehmen auf eine gewisse Anzahl Lehrstellen - ob diese nun von aussen kommt oder selbstauferlegt ist - das drängendste Problem. Er stösst sich mehr an der «Ungerechtigkeit», dass Unternehmen, die keine Lernenden ausbilden, von jenen profitieren, die Lehrstellen anbieten. Denn auf Fachkräfte sind sie alle angewiesen.

Kammermann verweist auf den Kanton Zürich, wo Unternehmen, die nicht ausbilden, per Gesetz verpflichtet sind, in einen Fonds einzuzahlen. Dies entlastet jene Unternehmen, die Lernende ausbilden.

Hayeks Wunsch erfüllt

Wie steht es denn nun um die Bereitschaft der MEM-Branche, Lernende auszubilden? Karin Labhart von Feintool rechnet es für ihr Unternehmen vor. 347 Personen beschäftigt Feintool in der Schweiz. Bei 30 Lehrstellen beträgt das Verhältnis also rund 1:11. Zählt man nur die Mitarbeitenden mit Berufsausbildung, kommt man gar auf 1:10. Auf ähnliche Zahlen kommt Swissmechanic. In den 1400 Firmen, welche die Organisation in der ganzen Schweiz vertritt, arbeiten rund 60 000 Personen. Bei 6000 Lerndenden kommt man auf ein Verhältnis von 1:10. Auch auf ein vergleichbares Verhältnis kommt die andere Branchenorganisation Swissmem.

Wie sieht es denn im Unternehmen des «Initianten» Nick Hayek aus? Die Swatch Group beschäftigte per Ende 2012 in der Schweiz 15 800 Personen. Laut Auskunft der Swatch-Medien-stelle bildet die Swatch Group derzeit rund 400 Lernende aus. Das Verhältnis dürfte sich in Nick Hayeks Unternehmen also irgendwo um 1:40 bewegen.

 

Zahlen

Anzahl Berufslehr-Abschlüsse (2012)
ganze Schweiz: 212000
Kanton Bern: 30 000
Anzahl Beschäftigte
ganze Schweiz (2012): 4 147 000
Kanton Bern (2011): 685 674
Anzahl Beschäftigte (Vollzeitäquivalente)
Kanton Bern (2011): 536 703
Anzahl Beschäftigte in der MEM-Branche
ganze Schweiz (Stand 2012): ca. 335000

Quellen: Swissmem, Bundesamt für Statistik, Statistikportal des Kantons Bern. Die Zahlen «Beschäftigte» und «Vollzeitäquivalente» im Kanton Bern 2011 sind provisorisch.

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