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Berufslehre

Lernende zeigen ihr Handwerk

In zahlreichen Workshops in der Region können sich Schülerinnen und Schüler der achten und neunten Klasse verschiedene Berufe zeigen lassen. Der Andrang ist gross.

Volle Konzentration: Lernender Liam Kleber zeigt Jessica Bendle und Rabea Hanhart (v.r.), wie man präzise Löcher bohrt. Bild: Matthias Käser

Manuela Habegger

In der Lehrwerkstatt der Feintool in Lyss summten gestern kurz vor dem Mittag an zwei Stationen fleissig die Bohrmaschinen. Bedient werden die Maschinen für einmal nicht von den Lernenden, sondern von Schülern und Schülerinnen, die sich für den Beruf des Polymechanikers oder der Polymechanikerin interessieren: «Am Morgen haben wir die Kanten an der Drehbank abgerundet. Wenn wir die Löcher fertig gebohrt haben, ziehen wir das Aluminiumstück mit feinem Schleifpapier von Hand ab, damit die Oberfläche schön wird», erklärt der Lernende Liam Kleber, der das Handwerk zwei Schülerinnen der achten Klasse zeigt.

Das Ziel dieses Workshops ist ein Aluminiumwürfel. Die Jugendlichen müssen auf jeder Seite die richtige Anzahl Löcher an der vorgegebenen Stelle einfräsen. «Ich arbeite sehr gern mit Metall und Maschinen. Ich habe mir schon einen Skateboarduntersatz selber gemacht», sagt Rabea Hanhart aus Lyss. Und auch Jessica Bendle aus Oberbipp, die mit ihr an derselben Bohrmaschine arbeitet, bringt bereits Erfahrung mit: «Mein Grossvater hat eine Werkstätte im Keller, wo ich schon ein paar Sachen ausprobieren durfte», sagt sie.

Der Polymechanik-Workshop ist dabei längst nicht der einzige Workshop in der Region, wo Schülerinnen und Schüler seit gestern einen halben Tag lang einen Beruf schnuppern können.

Mangel an Fachkräften

Organisiert wird die Berufswahlwoche von der Wirtschaftskammer Biel-Seeland (Wibs) und dem Berufsinformationszentrum (BIZ) Biel. «Wir wollen jungen Personen im Berufswahlprozess helfen und ihnen ohne grössere Hürden einen nächsten Schritt nach den Berufsmessen bieten», sagt Wibs-Geschäftsführer Gilbert Hirsch. Dabei geht es vor allem darum, jungen Personen erste praktische Einblicke in verschiedene Berufe zu ermöglichen, bevor sie sich für eine längere Schnupperlehre entscheiden und sich mit einem bestimmten Handwerk vertieft auseinandersetzen.

Das findet auch Ausbildner Lukas Bickel wichtig, der die beiden Workshops bei Feintool beaufsichtigt: «So können sich die Jugendlichen an Berufe herantasten, die sie vielleicht nicht gerade als Erstes für eine Schnupperlehre auswählen würden.»

Der Automobilzulieferer ist vor allem für seine Feinschneid- und Umformtechnologie bekannt, womit Werkzeuge, Anlagen oder Einzelteile und Komponenten für Fahrzeuge aller Art produziert werden. Doch dafür braucht die Lysser Firma laufend qualifiziertes Personal, was in der Industrie nun schon seit Längerem immer mehr fehlt: «Wir haben deutlich mehr Mühe, unsere Polymechanikerstellen schnell zu besetzen», sagt der Personalchef der Schweizer Standorte, François Boss.

Das Problem betrifft die gesamte Industrie. Und das nicht nur, weil mehr qualifizierte Arbeitskräfte in die Pension gehen, als neue auf den Markt kommen. Sondern vor allem auch deshalb, weil immer mehr Jugendliche sich an einer Hochschule aus- oder weiterbilden lassen. «Das ist sicher auch gut, weil wir auch Leute auf Stufe der Hochschule benötigen, zum Beispiel Ingenieure. Aber es fehlen dadurch die Fachkräfte, die im Beruf bleiben», sagt François Boss weiter.

Feintool versuche daher vor allem, den eigenen Nachwuchs dafür auszubilden. «Wir achten heute stärker auf den Mix. Also nicht nur auf die schulischen Noten, sondern auch darauf, ob jemand gerne praktisch arbeitet.»

Mehr als 500 Anmeldungen

Der Mangel an Fachkräften in den technischen Berufen ist kein neues Phänomen. Die Wibs lancierte bereits im Jahr 2013 die ersten Berufsbesichtigungen in der Industrie, um junge Personen für die technischen Berufswelten zu begeistern: «Der Fachkräftemangel ist in der ganzen Schweiz ein Thema. Als Technikregion sind wir jedoch überdurchschnittlich betroffen», erklärt Gilbert Hürsch.

Zu einem späteren Zeitpunkt kam die Zusammenarbeit mit dem BIZ dazu, und die Workshops wurden auch auf andere Berufsgattungen ausgedehnt. Dazu zählen heute Handwerksberufe, Berufe im Gesundheitswesen, im Lebensmittelsektor, in der Gestaltung oder im Detailhandel.

Dabei engagiert sich nicht nur Feintool an den Workshops, auch die Bieler Maschinenbausparte der Georg-Fischer-Gruppe, der Detailhändler Coop, der Lysser Holzbaubetrieb Feldmann & Co. und das Aarberger Pflegezentrum Aarvital geben den Jugendlichen in dieser Woche Einblick in ihre Tätigkeiten. Und die Workshops kommen bei den Schülerinnen und Schülern gut an: «Die gesamte Berufswahlwoche ist praktisch ausgebucht», sagt Gilbert Hürsch.

Gesamthaft sind über 500 Anmeldungen in 35 deutschen und 11 französischen Workshops eingegangen. Auch im Bezug auf die technischen Berufen ist die Nachfrage erfreulich, wo sich fast 120 Jugendliche aus der Region für die Workshops angemeldet haben, wie Hürsch sagt.

Gemäss dem Feintool-Personalexperten ist die Lage auf dem Lehrstellenmarkt für technische Berufe denn auch noch nicht so dramatisch wie bei den «Professionals», also den Ausgelernten. «Wir haben zwar etwas weniger Bewerbungen, können aber unsere Lehrstellen noch besetzen», meint François Boss. Man müsse aber auch dran bleiben, weshalb die Feintool sich mit Aktivitäten wie der Lehrstellenbörse in Lyss, dem Zukunftstag oder eben der Berufswahlwoche für die Nachwuchsförderung einsetze.

Die regionale Polymechanikabteilung dürfte sich bereits zusätzlicher Fachkräfte sicher sein: Rabea Hanhart und Jessica Bendle haben sich bereits entschieden, wie beide erzählen.

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