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Wechselkurs

Lichtblick am Horizont

Die Schaublin Machines SA leidet unter dem harten Franken. Doch wie viele andere Exporteure erschliesst sie neue Märkte. Hoffnung für die Exportwirtschaft gibt es auch an der Währungsfront: Der Euro ist stärker geworden.

Bild: Adrian Streun

Seit Beginn dieses Monats nähert sich der Wechselkurs des Euro immer wieder der Marke von 1.25 Franken, zum ersten Mal seit anderthalb Jahren. Für die Exportwirtschaft bedeutet dies Hoffnung, denn der Kurs von 1.20 Franken, den die Schweizerische Nationalbank durch Devisenkäufe verteidigt, bereitet ihr nach wie vor Probleme: Der überbewertete Franken frisst Margen weg, manche Hersteller verlieren Aufträge an die günstigere Konkurrenz in den EU-Ländern.
«Für uns ist auch der aktuelle Wechselkurs zu tief», sagt denn auch Rolf Muster, Direktor der Schaublin Machines SA mit Sitz in Bévilard. Es sei aber deutlich positiver, dass der Kurs auf 1.25 Franken gestiegen sei, als dass er auf 1.15 Franken fallen würde. Vor allem Europa ist wegen des ungünstigen Wechselkurses ein schwieriger Markt für den Maschinenhersteller aus dem Berner Jura. Dennoch sagt Muster, er sei guter Hoffnung.


Starke Präsenz in China
Nicht ohne Grund. Denn Schaublin erschliesst seit Jahren neue Märkte und ist in diesem Bereich exemplarisch für die Exportindustrie der Schweiz. In China wird heute auf 15 000 Maschinen aus dem Berner Jura gearbeitet, bislang wurden diese von staatlichen Betrieben gekauft. Letztes Jahr hat Schaublin zum ersten Mal eine hochpreisige Maschine an einen Privatunternehmer aus China verkaufen können.
Auch das Schwellenland Indien gehört längst zu den Kunden des Herstellers aus Bévilard; 10 000 Schaublin-Maschinen stehen dort. In Indien ist ebenfalls der Staat Hauptauftraggeber, lediglich zwei Maschinen wurden von privaten Unternehmern gekauft.    
In die EU-Staaten verkauft Schaublin derzeit nur wenige Maschinen, wichtigere Märkte sind Russland und die Schweiz.
Derzeit ist Muster mit seinem Team daran, einen neuen Markt zu erschliessen: die arabischen Emirate. «Die arabischen Emirate sind daran, eine Industrie aufzubauen. Denn die Regierung hat realisiert, dass das Erdöl irgendwann versiegen wird», sagt Muster. Die Industrie in den Emiraten ist breit aufgestellt. Sie reicht von der Aviatik über die Medizinaltechnik bis hin zu Elektronik und Mikromechanik.


Viele Aufträge
Im letzten Jahr hat Schaublin mit einem kleinen Gewinn abgeschlossen, dies, obwohl während zweieinhalb Monaten Kurzarbeit herrschte. In den letzten drei Monaten 2012 hat der Maschinenbauer zahlreiche Aufträge erhalten; der Auftragsbestand reicht für die nächsten fünf Monate. Für seine Branche, sagt Muster, sei dies ungewöhnlich viel: »Und es wird ein kleiner Funken reichen, um weitere, grosse Aufträge auszulösen», freut sich der Direktor.
Zuversichtlich ist Muster auch in Bezug auf den Euro: Er hält es für möglich, dass der Wechselkurs dieses Jahr auf 1.30 Franken steigen könnte. Dies würde nicht nur der Exportindustrie helfen, sondern auch dem Schweizer Tourismus.    

LOTTI TEUSCHER

Hoffnung für die Industrie
Erstmals seit anderthalb Jahren steigt der Wert des Euro über 1.20 Franken. Die regionale Exportindustrie hofft auf eine weitere Abschwächung.
Zum ersten Mal, seit die Schweizer Nationalbank (SNB) den Wechselkurs von 1.20 Franken gegenüber dem Euro verteidigt, ist der Franken ohne Eingriff der SNB um knapp fünf Rappen schwächer geworden. Seit bald vier Wochen nähert sich der Wechselkurs immer wieder dem Wert 1.25 Franken pro Euro, am 18.Januar wurde diese Grenze erstmals seit gut zwei Jahren überschritten.
Allerdings ist Kaffeesatzlesen einfacher, als die weitere Entwicklung vorauszusehen, wie die BT-Recherche zeigt. Denn diese wird von vielen Variablen und Risiken beeinflusst. Ernst Baltensperger, eremitierter Professor für Volkswirtschaftslehre, sagt: «Wir müssen froh sein, wenn diese Situation ein halbes oder ein Jahr lang anhält.» (Siehe Interview.)
Wichtiges Signal
Samuel Estoppey, Vizepräsident des Handels- und Industrievereins Biel-Seeland (HIV), verweist auf eine Analyse von Credit Suisse, die prognostiziert, dass der Euro bis Ende Jahr 1.30 bis 1.35 Franken kosten könnte. Jean-Philippe Kohl, Leiter Wirtschaftspolitik beim Branchen-verband Swissmem, sagt auf die Frage nach der künftigen Kursentwicklung: «Ich gebe eine ehrliche Antwort: Ich weiss nicht, wie sich der Franken entwickeln wird. Aber wir hoffen natürlich, dass er sich gegenüber dem Euro weiterhin abschwächt.»
Dennoch wird die Änderung des Wechselkurses mit Erleichterung begrüsst. «Jeder Rappen  erleichtert uns die Arbeit», sagt Estoppey. Wichtiger noch sei allerdings das Signal, das vom derzeitigen Wechselkurs ausgehe: «Wer sich überlegt, die Produktion von der Schweiz ins Ausland zu verlagern, wird dies nun nochmals überdenken.» Dies banne die Gefahr einer Desindustri-alisierung der Hochpreisinsel Schweiz.
Laut Swissmem ist der Währungseffekt für die Exportindustrie gering; ein um fünf Rappen stärkerer Euro bedeutet eine Entlastung von einem bis zwei Prozent. Doch der neue Kurs überzeuge nun auch jene Geschäftsleute, die daran zweifelten, dass die SNB tatsächlich die Untergrenze von 1.20 Franken verteidige, was wiederum Vertrauen schaffe.
«Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling», sagt Manfred Laubscher von der Laubscher Präzision AG in Täuffelen. Der Mitinhaber des KMU wünscht sich, wie alle anderen Hersteller von Exportgütern, eine Kurs-untergrenze von mindestens 1.30 Franken, denn: «Mit einem Kurs von 1.20 Franken leben wir eher schlecht als recht». Dies bedeutet, dass Güter zum Selbstkostenpreis in die EU verkauft werden, oder dass das Unternehmen Aufträge verliert, weil Konkurrenten aus der EU günstiger produzieren können. Sparmassnahmen hat das Unternehmen aus Täufelen viele eingeführt, «doch irgendwann sind die Möglichkeiten ausgeschöpft», sagt Laubscher.
Einkaufen in der EU
Hinzu kommt: Wie viele Firmen exportiert die Laubscher Präzisions AG nicht nur direkt in die EU, sondern beliefert auch Schweizer Kunden, deren Endprodukte nach Europa verkauft werden. Um den Nachteil des zu starken Schweizer Frankens wettzu-machen, kaufen diese vermehrt Komponenten in der EU ein, was wiederum zu Lasten der Schweizer Hersteller geht.
Chance Innovation
Dennoch schaut HIV-Vizepräsident Estoppey recht optimistisch in die Zukunft. Zwar gebe es kritische Bereiche, zum Beispiel die Automobil- und die Maschinenindustrie müssten sich in einem preissensiblen Markt behaupten. «Doch wer innovative Produkte herstellt, befindet sich in einer guten Position», sagt der Inhaber der Estoppey Reber SA mit Sitz in Aegerten.
Gut positioniert sind Unternehmen, die sich in der Medizinaltechnik, in der Umwelt- und Energiebranche positioniert haben. Denn Europa setzt zunehmend auf eine dezentrale Stromversorgung. Schweizer Innovationen, die bei der Übertragung von Strom den Energieverlust verringern, sind in der EU deshalb begehrt. Trotz des immer noch stark überbewerteten Frankens.
    Lotti Teuscher
 

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