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Tierschutz

Lieber nachhaltig im Pelz

Pelze an den Kapuzen sind wieder im Kommen. Ein Graus für Tierschützer: Viele Pelze aus Kaufhäusern entstammen qualvollen Zuchten aus China und Russland. Vertreter der Pelzverarbeitung wehren sich: Pelz sei durchaus nachhaltig.

Der Pelzimport habe ihren Beruf in Verruf gezogen: Die Pelznäherin und Designerin Barbara Roth setzt sich für das nachhaltige Tragen von Pelz ein. Esthy Rüdiger
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Esthy Rüdiger

Sie sind wieder da: Die felligen Kapuzen an den Winterjacken. Während sich einige Träger mit Billig-Imitaten begnügen, die nach dem ersten Niederschlag bereits zum Gezottel verkommen, gibt es zunehmend auch Winterjacken mit Echtpelz-Garnitur. Die Pelzträger-Gemeinde wächst, die Gegenseite ebenso: Über Jahre hat die Tierschutzorganisation Peta die Pelzdiskussion mit dem Slogan «Lieber nackt als im Pelz» geprägt, geschmückt mit zahlreichen ausgezogenen Prominenten. Dabei musste sich Peta immer wieder von seinen Testimonials trennen – etwa von Cindy Crawford und Naomi Campbell – weil sie entgegen ihres Engagements Pelz trugen.

Vergangenen Winter hat der Nachtclub des Zürcher Vegi-Restaurants Hiltl angeordnet, Echtpelz-Trägern keinen Einlass mehr in den Club zu gewähren. Dafür wurden eigens Kontrolleure angestellt, die auf die Überprüfung geschult wurden – denn hochwertiger Kunstpelz ist vom Laien kaum von der echten Version zu unterscheiden.

«Wir sind schockiert, wie viele Leute momentan mit Pelzen herumlaufen», sagt Alexandra Spring vom Tierschutzverein Biel-Seeland. «Viele sind sich bewusst, dass es sich um Echtpelz handelt und die Qualen der Tiere sind ihnen schlicht egal.» Sie resümiert: «Ein sehr trauriger Trend.»

Kaum noch Pelzgeschäfte in Biel
Pelzgeschäfte gibt es in Biel seit geraumer Zeit kaum mehr. Das einzige Geschäft, das noch Produkte mit Pelz anfertigt, ist das Pelz- und Modeatelier S. Stauffer an der Bahnhofstrasse. Sylvia Stauffer führt das Atelier seit 24 Jahren. Die Nachfrage nach Pelz sei in dieser Zeit enorm geschwunden. «Wegen dieser ganzen Antikampagne», sagt sie. In ihrem Modeatelier stellt Sylvia Stauffer ausschliesslich Haute-Couture her. Beim Pelz bietet sie Abänderungen und je nach Herkunft auch Neuanfertigungen an. Denn:_«Viele Kundinnen haben daheim noch einen Pelz.» Einige, weil sie ihn vor Jahrzehnten gekauft haben, als er noch in Mode war, ein Grossteil aber auch, weil sie ihn geerbt haben. Stauffer schätzt, dass etwa ein Drittel davon den Pelz anschliessend selbst tragen will, zwei Drittel wollen ihn weiterverkaufen. «Das müssen sie aber selbst tun. Wir handeln nicht mit Pelz», sagt Stauffer.

Die Arbeiten mit Pelz und Leder nimmt jedoch nicht Sylvia Stauffer selbst vor, sondern Barbara Roth, gelernte Pelznäherin und inzwischen auch Designerin und Kürschnerin. Ihr Atelier führt sie in Mattstetten, ist für Aufträge jedoch häufig in_Biel. Sie wehrt sich gegen das Vorurteil, dass Nachhaltigkeit und Pelztragen ein Widerspruch sei. «Ich arbeite ausschliesslich nachhaltig», sagt Roth. Entweder arbeitet sie mit bereits bestehendem Pelz, den sie von Kunden zur Abänderung erhält, oder aber mit Neupelz von einheimischem Fuchs und Dachs.

Denn: Jährlich werden in der Schweiz etwa 30'000 Rotfüchse zur Regulierung der Wildbestände erlegt. Der Schweizerische Pelzfachverband SwissFur geht davon aus, dass heute nur gerade 20 Prozent der in der Schweiz gewonnenen Rotfuchsfelle weiterverarbeitet werden. Der Rest wird entsorgt.

«Jener Pelzimport hat unseren Beruf in Verruf gebracht»
Die Pelze der erlegten Tiere werden Jägern entweder direkt von Kürschnern abgekauft oder an kantonalen Pelzfellmärkten angeboten. Jener des Kantons Bern findet jeweils im Februar in_Thun statt. Profitiert von dem aufkeimenden Pelztrend hat der einheimische Markt jedoch kaum. Dieses Jahr können die Jäger mit einem Preis von etwa 20 Franken pro Fuchsfell rechnen – die Nachfrage ist gering. Den Tiefststand erreichte der Preis vor 20 Jahren: Damals bezahlte man für einen Rotfuchsbalg gerade mal vier Franken. «Viele haben Vorurteile gegenüber dem Fell», sagt etwa Kurt Günthart, Präsident des Patentjägervereins Seeland. «Sie wissen nicht, dass es aus einheimischer Jagd kommt und es sich um ein hochwertiges Produkt handelt.» Der Import aus sogenannten Qualzuchten habe die Bevölkerung geprägt, so Günthart.

Dies weiss auch Barbara Roth. Sie stellt sich strikt gegen Pelzimport, insbesondere gegen den aus Russland und China. «Jener Pelzimport hat unseren Beruf in Verruf gebracht», sagt sie. Die billige Produktion solcher Pelze sei ihm auch anzusehen. «Tiere aus einer derartigen Haltung können gar kein schönes Fell haben. Das sieht man auch den Kapuzen an.» Diese sähen teilweise gar aus wie «alte Ratten». Zudem sei der Import schlicht nicht nötig: «In der Schweiz gibt es mehr als genug Pelz, der nicht verwertet wird.»

Alexandra Spring vom Tierschutzverein Biel-Seeland gibt Roth teilweise recht: «Natürlich ist es besser, wenn Tiere, die ohnehin geschossen werden, ganz verwertet werden.» Das Problem bestehe aber darin, dass der Unterschied zwischen Pelz von Tieren, die auf der Jagd erlegt wurden, und jenen aus Qualzuchten oder Fallenfang für den Kunden nicht gut ersichtlich sei. Die Deklarationspflicht funktioniere nicht wirklich.

Barbara Roth hingegen findet die Deklarationspflicht, die in der Schweiz 2014 eingeführt wurde, einen wichtigen Schritt. «Man könnte aber noch weiter gehen.» Das Problem sehen sowohl Roth als auch_Spring aber zum grössten Teil darin, dass es den meisten Pelzträgern egal ist, unter welchen Bedingungen das Fell hergestellt wurde.

Durch die Kontroverse um das getragene Fell erhalten auch andere Marken Aufwind – so zum Beispiel Canada Goose, die ebenfalls mit nachhaltigem Pelz wirbt._Für jene Kapuzen wird vorwiegend Kojotenfell verwendet, welches in Kanada einen ähnlichen Stand hat wie jenes von Rotfüchsen in der Schweiz: Die Kojoten-Bestände in den USA_und Kanada sind zu gross und müssen zwangsläufig reguliert werden. Allerdings stammt ein Grossteil dieser Felle aus der Fallenjagd. Barbara Roth findet zudem bedenklich, dass solche Jacken mit Pelzgarnituren einfach ab der Stange gekauft werden können: «Nachhaltigkeit und Massenproduktion ist ein Widerspruch.»

Schlimmer als solche Garnituren findet sie jedoch das Tragen von Kunstpelz. «Das ist ein No-Go!», so Roth. Es sei zwar teilweise verblüffend, wie echt ein hochwertiger Kunstpelz aussehe, wie sie diverse Schweizer Luxusboutiquen verkaufen. Dennoch handle es sich dabei um ein «hochgiftiges Produkt», das nicht abbaubar sei und in der Herstellung sehr energieaufwändig. «Kunstpelz macht unsere Branche minderwertig.»

Leder zu tragen stört viele Leute weniger als Pelz
Barbara Roth arbeitet seit Jahrzehnten mit Pelz. Mitte 80er- bis Anfang der 90er-Jahre arbeitete sie für diverse Pelzhäuser, darunter auch in London. Sie hat erlebt, wie es nach einem Pelzboom in den 80ern ein «Übermass an Pelzen» gab: «Dies gefiel mir gar nicht.»

Seit 2003 ist sie selbständig und arbeitet zumeist in ihrem Atelier  (www.pelzledermanufaktur.ch) im ländlichen Mattstetten. Mit Tierschützern hat sie bisher nie negative Erfahrungen gemacht. Und auch sonst reagierten die meisten Leute mehr interessiert als verurteilend, wenn sie von ihrem Beruf erzählte. Ihr scheint nicht, dass die ländliche Gesellschaft verschlossener gegenüber Pelz ist. «Auch hier haben viele Frauen geerbte Pelze zuhause. Oftmals trauen sie sich aber nicht, diese zu tragen.» Sowohl Barbara Roth als auch Sylvia Stauffer sind überzeugt, dass es auch mit der Ausstrahlung der jeweiligen Pelzträgerin zu tun hat, ob man etwa auf der Strasse verurteilende Blicke erntet. «Es gab auch schon Kundinnen, die auf der Strasse angepöbelt wurden wegen ihres Pelzes», erzählt Sylvia Stauffer. «Oftmals waren es aber genau jene Kundinnen, die sich auch nicht ganz wohl dabei fühlten, Pelz zu tragen.»

Genau wie Roth plädiert auch Stauffer für einen natürlichen Umgang mit Tierfell. «Es ist das älteste Bekleidungsstück der Menschen. Ich sehe nicht ein, weshalb ich einen Pelz fortwerfen soll.» Auch Sylvia Stauffer selbst besitzt einen mit Kaninchenfell gefütterten und einen mit Lammfell gefütterten Mantel. «Den einen habe ich bereits seit 15 Jahren.» Böse Kommentare habe sie dafür noch nie geerntet – wohl auch, weil die Aussenseite Leder ist. «Leder stört die Leute interessanterweise weniger als Pelz.» Es sei durchaus nachhaltiger, alte Pelzmäntel zu tragen, als diese wegzuschmeissen und jedes Jahr neue Jacken zu kaufen, gibt Alexandra Spring vom Tierschutzverein
Biel-Seeland zu. «Besser noch kauft man hochwertige Kleider, die eben nicht jedes Jahr ersetzt werden müssen.» Generell animiere eben jedes Tragen von Pelz andere Konsumenten dazu, neue Pelzprodukte zu kaufen. «Schliesslich ist es eine Tatsache, dass wir in der heutigen Zeit nicht mehr auf das Tragen von Pelz angewiesen sind, um warm zu haben», so Alexandra Spring.

Barbara Roth gibt ihr teilweise recht. Dennoch sagt sie: «Pelz ist in der Schweiz zur Genüge vorhanden. Wäre es denn nicht würdevoller, auch das Fell oder die Haut – also das Leder – eines erlegten Tieres zu verarbeiten und nicht nur das Fleisch?»

Fleisch essen, aber Pelz mit schlechtem Gewissen tragen?
Die Nachfrage nach Pelz sei in Biel verschwindend klein, sagt Sylvia Stauffer. Junge Frauen seien vorwiegend an Garnituren oder Accessoires interessiert. Nach wie vor herrscht aber Bedarf, seinen Pelzmantel übersommern zu lassen. «Etwa 30 Pelze lagern wir über den Sommer bei uns, weil die Kundinnen entweder keinen Platz oder keine guten Bedingungen dafür haben», so Stauffer.

Die typischen Pelzträgerinnen und -träger, so sagt sie, seien keineswegs nur gut betucht. «Entweder man hat die Liebe zum Pelz und schätzt das Handwerk oder nicht.» Auch Barbara Roth versteht die Stigmatisierung der «versnobten»_Pelzträgerin nicht. «Auch der Mittelstand gönnt sich im Restaurant einmal guten Gewissens ein gutes Stück Fleisch – warum sollte man also nicht auch einen hochwertigen oder bereits getragenen Pelz guten Gewissens tragen?»

Sylvia Stauffer hat das Pensionsalter bereits erreicht, «ich bin am Abbauen». Barbara Roth könnte sich zwar gut vorstellen, einen Teil der Räumlichkeiten zu übernehmen, ein grosser Teil ihrer Kundschaft in Biel. Dies täte sie jedoch nur, wenn sie eine Geschäftspartnerin fände – bestenfalls eine Schneiderin oder Sattlerin. «Bisher haben wir aber niemanden gefunden.» Schliesst Sylvia Stauffers Geschäft planmässig 2019, wäre in Biel auch das letzte Geschäft verschwunden, in dem Pelz verarbeitet wird.

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