Tobias Graden
«Wir glauben, dass die grössten Unsicherheiten überwunden sind»: Knut Zimmer, CEO des Lysser Technologiekonzerns Feintool, zeigt sich ein Jahr, nachdem die Coronapandemie auch in der Schweiz angekommen ist, verhalten zuversichtlich. An der gestrigen digital abgehaltenen Bilanzmedienkonferenz ging es aber zuerst um einen Rückblick auf ein beispielloses Jahr, in dem Feintool einen Umsatzrückgang um über 20 Prozent hinnehmen musste und ein negatives Konzernergebnis ausweist (vgl. Infobox).
Dieser Rückblick fällt zweigeteilt aus. Finanzchef Thomas Bögli sagt es so: «2020 war bestimmt durch zwei völlig unterschiedliche Jahreshälften.»
Kurzarbeit und Reduktion
Das erste Halbjahr war geprägt durch die Coronakrise, die tiefe Spuren hinterliess. Gesundheitlich gesehen hatte Feintool Glück:Unter den über 2500 Mitarbeitenden gab es keine tödlichen Fälle von Covid-19 und weltweit nur zwei schwere Krankheitsverläufe. Doch wirtschaftlich sah es anders aus:Werksschliessungen und ein tiefer Einbruch der Nachfrage – Feintool liefert fast ausschliesslich in die Automobilindustrie – machten rasche Massnahmen nötig, die allerdings erst mit Verzögerung greifen konnten.
So hat Feintool Kurzarbeit eingeführt und auch Personal reduziert. Weltweit sank der Personalbestand um 2,7 Prozent auf 2570 Personen. Am Hauptsitz Lyss arbeiteten per Ende Jahr in den Bereichen Technologie, Produktion und Holding 355 Personen, das sind 22 weniger als vor Jahresfrist. Auch jetzt noch sind laut Auskunft von Sprecherin Karin Labhart zwischen 60 und 80 Mitarbeitende in Kurzarbeit. «Wir sind während des Jahres durch ein tiefes Tal gegangen», sagt Zimmer, Schlüsselpositionen habe man aber besetzt gehalten.
Das Unternehmen hat aber auch frei gewordene Kapazitäten dazu genutzt, outgesourcte Aktiviäten wieder selber vorzunehmen – musste diesen Vorgang allerdings auch bei seinen Kunden zur Kenntnis nehmen. Manche Investitionen wurden gestoppt oder verschoben, und es wurde ein nachträglicher Dividendenverzicht beschlossen.
Fast auf Vorkrisenniveau
Das zweite Halbjahr war dann laut Zimmer zwar geprägt von den Auswirkungen des ersten Semesters, doch habe sich der Markt ausgehend von Asien deutlich erholt. In Asien liegen die Volumen mittlerweile über dem Vorkrisenniveau, was auch mit der zunehmenden Etablierung der Standorte in China und der anlaufenden Fertigung neuer Produkte zu tun hat. In den USAwurde das Vorkrisenniveau im dritten Quartal erreicht, in Europa liegt man immer noch um 10 bis 15 Prozent darunter.
Besonders stark getroffen – ei typischer Vorgang in einer Krise – wurde das zyklische Investitionsgütergeschäft Fineblanking Technology, in dem Feintool Feinschneidpressen anbietet. Der Auftragsbestand von 10,7 Millionen Franken per Ende Jahr ist in den Worten von Thomas Bögli «ungenügend»: «In Jona wird uns die Kurzarbeit noch eine Weile begleiten.» Doch auch da gibt es erste Lichtblicke: Erste Maschinen der neuen «FB One», einer Hydraulikpresse der obersten Leistungsklasse, sind laut CEO Zimmer verkauft, die Rückmeldung positiv: «Unsere Kunden brauchen relativ schnell zusätzliche Kapazitäten.»
Jedenfalls zeigten insgesamt die Zahlen im zweiten Halbjahr wieder deutlich nach oben oder zumindest nur noch schwach nach unten. «Die Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen zeitigten eine erfreuliche Entwicklung», sagt CFO Thomas Bögli. In den chinesischen Werken betrage das Wachstum mittlerweile 15 Prozent, die Entwicklung des Betriebsergebnisses sei im zweiten Halbjahr erfreulich.
Eine Million neue Aktien
Während sich also der Markt konjunkturell wieder einer früheren Normalität annähert, so wird die struktrelle Entwicklung Feintool weiter fordern. In einem Ausblick bis ins Jahr 2040 kommt Knut Zimmer zum Schluss: «Die Verhältnisse werden sich nachhaltig verändern. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Elektrifizierung zunimmt.» Frohlockten die Lysser in früheren Jahren über immer feiner übersetzte Automatikgetriebe mit immer mehr Zahnrädern, so heisst das Zauberwort heute «Transformationspotenzial». Dieses gelte es für Feintool zu nutzen, oder anders gesagt: Feintool muss für seine Technologien Anwendungen finden, die sich auch in Elektroautos in grossen Volumen einsetzen lassen. So achtet das Unternehmen darauf, mit den E-Auto-Herstellern Entwicklungsprogramme gestalten zu können. «Unser Produktspektrum bietet sich für alle Fahrzeugkonzepte an», zeigt sich Knut Zimmer überzeugt.
Um «weitere Marktchancen schnell nutzen» zu können, plant Feintool eine Kapitalerhöhung um eine Million Aktien, was 20,3 Prozent des heutigen Aktienkapitals entspricht. Die genauen Modalitäten sind noch nicht festgelegt, ein Ausschluss des Bezugsrechts für bestehende Aktionäre ist möglich. Gespräche mit neuen Grossaktionären seien noch keine geführt worden, wurde gestern versichert.
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Linderung kam im zweiten Semester
Das vergangene Geschäftsjahr hatte für Feintool zwei Gesichter: Die rasche Erholung – vor allem in Asien – nach dem Coronatief verhinderte noch tiefere Bremsspuren in den Zahlen.
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