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Jurabogen

Markante Abkühlung wegen des starken Frankens

Zwei Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung im Jurabogen zeigen: Die Schweizer Seite spürt die Auswirkungen des Entscheides der Nationalbank vom Januar 2015. Trotz Schwierigkeiten ist der Frankenschock aber gut aufgefangen worden.

Die Uhren und Mikromechanikbranche beschäftigt seit jeher viele Grenzgänger aus Frankreich. Aber auch im Dienstleistungssektor wie in der Krankenpflege finden viele Menschen aus unserem Nachbarland Arbeit. bt/a

Philippe Oudot/pl

Die französisch-schweizerische Statistikstelle Observatoire statistique transfrontalier (Ostaj) hat zwei neue Berichte über die wirtschaftliche Entwicklung im Jurabogen veröffentlicht.

Demzufolge zeigt das Jahr 2015 je nach Wirtschaftssektor und Region ein uneinheitliches Bild. Die Schweizer Seite nagt am Entscheid der Nationalbank, die Kursuntergrenze zum Euro ab Januar 2015 nicht mehr zu schützen. Der starke Franken hat direkte Auswirkungen auf den Industriesektor, wobei exportorientierte Unternehmen besonders betroffen sind.

Dementsprechend hat auch die Anzahl der Arbeitslosen im Sekundärsektor zugenommen. Aber gesamthaft betrachtet hat die Wirtschaft im Jurabogen den Frankenschock gut aufgefangen. Das liegt am breiten Diversifizierungsgrad unserer Industrie, der hohen Wertschöpfung bei den Produkten und an der Dynamik des Binnenmarktes.

Auch im französischen Jura hat sich die Konjunktur ein wenig verbessert. Nach einem Einbruch zwischen Mitte 2011 und Mitte 2014 hat sich der dortige Arbeitsmarkt wieder stabilisiert. Dass die Arbeitslosenzahlen in den französischen Departementen der Juraregion nicht mehr steigen, liegt auch am Schweizer Stellenangebot für Grenzgänger, auch wenn dieser Arbeitsmarkt an Dynamik verloren hat.

Zahl der befristeten Arbeitsverträge nimmt zu

Wenn man die Zahlen genauer betrachtet, stellt man besonders auf französischer Seite eine Zunahme der Vermittlungstätigkeit für Temporärarbeit fest. Vor allem junge Arbeitnehmer konnten auf diese Weise in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Die Zunahme der befristeten Arbeitsverträge «spiegelt die Rolle der Temporärabeit als variable Antwort auf Schwankungen in der industriellen Produktion wieder», heisst es im Bericht. Trotz allem sind im französischen Industriesektor Arbeitsplätze verloren gegangen.

Allerdings war der Rückgang 2015 weniger ausgeprägt als in den Vorjahren. Deshalb geht die Statistikstelle heute von einer «leichten Verbesserung» der Arbeitsmarktsituation aus. Allerdings habe «keines der grenznahen französischen Departemente wieder den Beschäftigungsgrad vor der Krise von 2008 erreicht». In der Schweiz bewirkte der starke Franken je nach Kanton unterschiedliche Entwicklungen: Als erster war der Dienstleistungssektor betroffen. Der Industriesektor hatte vorerst weniger anfällig reagiert, weil die Bestellbücher aus der Zeit vor 2015 abgearbeitet werden mussten. Der Kanton Waadt hat dank seiner diversifizierten Wirtschaft weniger als die anderen Jurakantone gelitten. Neuenburg beheimatet hingegen eine stark exportorientierte Industrie. Dort gingen im zweiten Wirtschaftssektor 2,6 Prozent der Arbeitsplätze verloren. Hingegen verhielt sich der Tertiärsektor robust.

Schweizer sind besser aufgestellt

Gesamthaft betrachtet haben sich die Arbeitslosenzahlen in Frankreich stabilisiert; in der Schweiz hat die Zahl der Stellensuchenden zugenommen. Im Kanton Bern sind 3,7 Prozent der Erwerbstätigkeiten beim Arbeitsamt gemeldet; im Neuenburgischen sind es 5,8 Prozent. Immerhin sind die Schweizer bedeutend besser aufgestellt als unsere französischen Nachbarn. Im französischen Departement du Jura werden 7,7 Prozent Arbeitslose gezählt, und im Territoire de Belfort sind es sogar 11,3 Prozent.

Im Jahr 2015 hat die Dynamik des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes an Schwung verloren. Ende Jahr arbeiteten 49 000 französische Grenzgänger aus dem Jurabogen in der Schweiz. Mit Ausnahme des Kantons Waadt, wo viele Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor angeboten werden, arbeiten 54 Prozent aller Grenzgänger in der Industrie. Die französischen Grenzgänger generieren immerhin 11 Prozent des Brutto-Inlandprodukts (BIP) im Schweizer Jurabogen. Das BIP ist Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Region erwirtschaftet wird. Allerdings gibt es je nach Branche Leistungsunterschiede: Der grösste Teil des BIP wird im industriellen Sektor erarbeitet, besonders in der Uhrenbranche, der Maschinenindustrie, der Chemie und in der Pharmaindustrie.

Ende 2015 betrug der Anteil der Grenzgänger im gesamten Jurabogen 7,3 Prozent. In den Kantonen mit einem starken Industriesektor wie dem Jura und Neuenburg lag die Proportion bei 17,4 beziehungsweise bei 12 Prozent.

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Was sich verändert hat

Bevölkerungsentwicklung: Die Studie der Statistikstelle Observatoire statistique transfrontalier blickt auf 30 Jahre Entwicklung im grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt zurück. Denn so lange existiert die Transjurassische Konferenz (Conférence transjurassienne CTJ). Die Wohnbevölkerung ist auf Schweizer Seite bedeutend stärker als in Frankreich gewachsen. Das zeigt sich auch in der Bevölkerungsdichte. Sie beträgt bei uns 204 und im Nachbarland 70 Einwohner pro Quadratkilometer.

Landwirtschaft: Auf beiden Seiten der Grenze überwiegt Weidewirtschaft mit Rinderzucht (Milch- und Fleischproduktion).

Grenzgänger: Die Anzahl der französischen Grenzgänger hat vor allem seit der Ratifizierung des Freizügigkeitsabkommens stark zugenommen. Allein zwischen 2011 und 2015 ist diese Arbeitnehmergruppe um 28 Prozent gewachsen.

Arbeitsmarkt: Im Jahr 1980 gab es im französisch-schweizerischen Jurabogen rund 900 000 Arbeitsplätze. 2011 wurden im selben Wirtschaftsraum 1,1 Millionen Stellen angeboten. 60 Prozent davon entfallen auf die Schweiz. pho/pl

 

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