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Mehr Härte gegen Schwarzfahrer

Wo die Geldeintreiber von der Postauto AG nicht weiterkommen, sollen neu Profis von einer Inkassofirma anpacken. Solche Praktiken haben für Betroffene mitunter schlimme Folgen.

Für Reisende ohne Tickets kann es bald noch ungemütlicher werden. Bild: Keystone

Konrad Staehelin

Die Postauto AG muss gegenüber Schwarzfahrern jedes Jahr Forderungen in der Höhe von mehreren Millionen Franken abschreiben, weil sie es nicht schafft, das Geld einzutreiben.

Damit soll jetzt Schluss sein: Das Staatsunternehmen hat auf der Beschaffungsplattform Simap angekündigt, bald einen Auftrag auszuschreiben, das Inkasso bei säumigen Schuldnerinnen und Schuldnern zu übernehmen. Dabei ist der Post-Tochter bewusst, dass das heikel sein kann: Der Inkassobranche eilt ein schlechter Ruf voraus.

Es handle sich um «Forderungen, welche heute adresslos sind, eine schlechte Bonität ausweisen» oder bei denen «jegliche Inkassoschritte bei Postauto nicht zielführend waren», heisst es auf Simap. «Durch eine erneute Bearbeitung durch einen geeigneten Anbieter strebt Postauto an, weitere Zahlungseingänge zu generieren.»

 

17 Millionen Franken
sind ausstehend

Die Inkassofirma soll dann die Bearbeitung von Forderungen aus den Jahren 2017 bis 2021 übernehmen. Das entspricht 69 000 Fällen mit einem Volumen von 17 Millionen Franken. Zudem dürfe die Inkassofirma auch die bis 2026 anfallenden Forderungen übernehmen.

Postauto selbst betreibt in Zürich und Delsberg eigene Inkassobüros, die Rechnungen, Mahnungen und Betreibungen schreiben. Sie werden das auch künftig tun. Das externe Inkassobüro wird dann zum Zug kommen, wenn eine Betreibung nichts gefruchtet hat.

Die beiden Büros kümmern sich nicht nur um die Schwarzfahrerbussen, die in Postautos angefallen sind, sondern auch um jene von zwei Dutzend weiteren kleineren und mittelgrossen Verkehrsunternehmen. Darunter sind in der Deutschschweiz etwa der Zürcher Verkehrsverbund, der Regionalverkehr Bern-Solothurn, die Verkehrsbetriebe von Steffisburg-Thun-Interlaken und St. Gallen oder im Tessin der Tarifverbund Arcobaleno.

Eine Postauto-Sprecherin sagt, spezialisierte Inkassofirmen hätten Zugang zu grossen Datenbanken, mehr Personalressourcen und mehr Erfahrung als Postauto selbst. Zu den konkreten Aufgaben der Inkassofirma gehören laut den Ausschreibungsunterlagen das Mahnwesen, Adressrecherchen und Anfragen bei Einwohnerkontrollen. Zudem sollen Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren gestellt werden und mit Schuldnern Abzahlungsvereinbarungen getroffen werden.

Allerdings wurden diese Leistungen in der Vergangenheit wiederholt in einer Art erbracht, die dem Gläubiger nicht gut anstand. So berichtete der «Kassensturz» vor zwei Jahren etwa über die verunmöglichte Schuldensanierung eines Mannes aus Zürich. Er hatte sich mit mehreren Gläubigern auf einen Rückzahlungsplan für einen Grossteil seiner seit Jahrzehnten angehäuften Schulden über 80 000 Franken geeinigt, wobei die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichteten. 14 000 Franken davon schuldete er den SBB. Verantwortlich fürs Eintreiben war die Berner Firma Inkasso Küng. Anders als alle anderen Gläubiger lehnte sie die Schuldensanierung ab, ignorierte Kontaktversuche des Mannes und liess dessen Lohnkonto blockieren.

 

Besuche am Wohn- oder Arbeitsort sind verboten

Das ist nicht illegal, aber es widerspricht den Richtlinien der Schuldenberatungsstellen, die von grossen Gläubigern üblicherweise beachtet werden. Inkasso Küng verteidigte sich, man habe die Bedingungen für die Schuldensanierung im besagten Fall nicht als genügend angesehen. Die SBB schrieben, man habe keine Kenntnis vom Vorgehen von Inkasso Küng gehabt. Sie treten seit 2015 keine Verlustscheine mehr an die Firma ab. Seit einigen Jahren übergeben sie Verlustscheine zur weiteren Bearbeitung an die Firma Intrum aus Schwerzenbach ZH. Diese habe sich an einen SBB-Verhaltenskodex zu halten, schreibt ein SBB-Sprecher.

Auch Postauto scheint verhindern zu wollen, dass in ihrem Namen auf ungebührliche Weise Geld eingetrieben wird. Die Firma schreibt, dass sich die Anbieter wohl zu gewissen Standards werden bekennen müssen. Genaue Vorgaben habe man allerdings noch nicht erarbeitet.

Zudem ist noch nicht klar, ob die Forderungen ganz abgetreten werden oder ob der externe Dienstleister im Auftrag von Postauto auf Provision arbeiten wird. All das muss Postauto noch vor der definitiven Ausschreibung festlegen. Diese wird in den nächsten Monaten erfolgen.

Denkbar ist etwa, dass die Firma Mitglied im Verband Inkasso Suisse sein muss. Allerdings trifft das auch auf die Inkasso Küng zu. Deren Verwaltungsratspräsidentin war bis Ende 2019 sogar Präsidentin des Verbands.

Im Verband fand 2020 jedoch ein Philosophiewechsel statt, wie Vorstandsmitglied Raoul Egeli erklärt: «Inkasso Suisse macht heute klare Vorgaben dafür, was im Inkasso erlaubt ist und was nicht. Wir haben deswegen neu eine Ombudsstelle eingerichtet und einen Code of Conduct erlassen.»

In Letzterem ist etwa geregelt, dass Schuldensanierungen in einem Fall wie jenem von Inkasso Küng nicht mehr abgelehnt werden dürfen.

Zudem sind Besuche am Wohn- oder Arbeitsort des Schuldners verboten, und Schuldner dürfen nicht mehr als dreimal pro Tag telefonisch kontaktiert werden. Dies darf zudem nicht mit dem Einsatz von Anrufrobotern geschehen.

Ein Teil der Inkassobranche kämpft also aktiv um seinen Ruf.

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