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Solarindustrie

Meyer Burger sieht die Zukunft
 in Deutschland

Der kriselnde Maschinenbauer Meyer Burger will neu selber im grossen Stil Solaranlagen verkaufen. Die Produktion kommt aber nicht nach Thun.

Bild: Christian Pfander

Julian Witschi

Nach acht Jahren in den roten Zahlen versucht Meyer Burger eine strategische Kehrtwende. Bislang hat das Unternehmen Maschinen für die Solarindustrie hergestellt. Vorab chinesische Konzerne fabrizieren damit in Massen Solaranlagen für die ganze Welt. Neu will Meyer Burger nur noch für sich selbst Maschinen entwickeln und darauf technologisch führende Solarzellen und -module herstellen und an Endkunden verkaufen.

Warum das trotz der Billigkonkurrenz aus China klappen soll und warum Meyer Burger das nicht schon längst gemacht hat, das erklärt der neue Chef Gunter Erfurt so: Die bisher dominierende Zelltechnologie sei jetzt ausgereizt. «Wir haben eine neue, noch wesentlich effizientere Technologie nun zur Marktreife entwickelt und wollen diese exklusiv nutzen.»

Meyer Burger habe einen technologischen Vorsprung von drei Jahren, sagt Erfurt. Das bestätigte das renommierte Fraunhofer-Institut. Weil wesentlich mehr Solarstrom gewonnen werden könne, würden die Kunden auch mehr für die Module bezahlen. Statt bloss ein Mal eine Maschine zu verkaufen, könne man mit den neuen Modulen etwa 15 Mal mehr Wert generieren.

Meyer Burger genüge es, einen Anteil von knapp 1 Prozent am Weltmarkt zu erobern, um operativ wieder Gewinn zu erzielen. Das soll laut Erfurts Plänen schon nächstes Jahr gelingen. Bereits lägen bedeutende Kaufabsichtserklärungen von potenziellen Kunden aus Europa vor.

 

3500 neue Arbeitsplätze

Es sei aber nicht nur deshalb der ideale Zeitpunkt für den Neustart. Sondern auch für einen klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft und wegen der Erfahrungen der Coronakrise. Die geplante Produktion von Solarmodulen kommt aber nicht an den Sitz nach Thun, sondern an einen zweiten Produktionsstandort in Deutschland. Wohin genau, das will Erfurt noch nicht verraten. Es könnten aber günstig ehemalige Produktionsstandorte der zusammengebrochenen Solarindustrie in Deutschland übernommen werden. Auch Personal mit entsprechenden Fähigkeiten sei vorhanden. So spare man viel Zeit und Geld. Meyer Burger hatte die Produktion in Thun vor zwei Jahren geschlossen und sich auf das Werk in Hohenstein in Ostdeutschland konzentriert. Mittelfristig will Meyer Burger nun bis zu 3500 Arbeitsplätze schaffen. Neben einem neuen Werk in Deutschland sind weitere Modulfertigungen in Europa und Nordamerika geplant, sofern die Nachfrage vorhanden ist.

Verlagert der neue Chef auch noch den Rest weg aus der Schweiz? Gunter Erfurt, der wie der neue Verwaltungsratspräsident Franz Richter deutscher Staatsangehöriger ist, dementiert: «Es wird keine Abstriche an der Aufstellung in der Schweiz geben.» Meyer Burger betreibt also weiterhin die Grundlagenforschung in Hauterive zusammen mit dem Neuenburger Forschungszentrum CSEM. Thun bleibe der Sitz des Konzerns und der Standort für die Entwicklung der Maschinen für die führende Zellverbindungstechnologie Smartwire. Rund 60 Mitarbeitende sind hier noch beschäftigt. Vor acht Jahren waren es rund 600 gewesen. Und wegen der jahrelangen Verluste wird das Unternehmen hier vorerst keine Steuern zahlen müssen.

 

Aktionäre sollen wieder einzahlen

Meyer Burger will sich künftig als «Made in Germany» mit Schweizer Spitzentechnologie vermarkten. Zuerst peilt das Unternehmen den Markt für Solaranlagen an, die auf Dächer montiert werden. Später sollen auch Module für freistehende Solarkraftwerke hergestellt werden.

Für den erhofften Befreiungsschlag benötigt die Gruppe aber Geld. Geplant ist eine weitere Kapitalerhöhung, nachdem das Unternehmen die Aktionäre erst vor dreieinhalb Jahren zur Kasse gebeten hat. 150 bis 165 Millionen Franken soll die neue Kapitalerhöhung einbringen. Der russische Grossaktionär Petr Kondrashev geht voran. Schliesslich hat er diesen Frühling den Machtkampf gegen die bisherige Unternehmensführung um CEO Hans Brändle und VR-Präsident Remo Lütolf gewonnen. Kondrashev will bis zu 50 Millionen Franken beizusteuern. Ob die anderen Aktionäre mitziehen, wird sich am 10. Juli an der ausserordentlichen Generalversammlung in Thun zeigen.

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