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Jubiläum

Mit 75 Jahren noch immer im Laden

Fast hätten Diebe dem Optiker Félix Matthey das 50-Jahr-Jubiläum vermiest – sie klauten mehrere Tausend Brillen aus seinem Laden. Ans Aufhören denkt er deswegen aber nicht.

Félix Matthey in seinem Laden in Biel: Mit 75 Jahren verschreibt er noch selber drei Tage die Woche Brillengläser. Bild: Matthias Käser

Manuela Schnyder

Félix Matthey ist 75-jährig und verschreibt in seinem Geschäft an der Murtenstrasse 10 in der Bieler Innenstadt noch immer selber Brillengläser: «Ich sehe keinen Grund aufzuhören. Ich arbeite gerne, habe eine treue Kundschaft und nette Mitarbeiterinnen», sagt Matthey, der heute in Port lebt. Den finanziellen Zustupf benötigt Matthey auch für die Altersvorsorge: «Ich habe sonst nur die AHV. Aber das macht nichts. Der Kundenkontakt, die handwerkliche Arbeit im Atelier und das Rechnen und Denken halten mich fit», erzählt er.

Seinen Optikerladen betreibt der Unternehmer am nächsten Samstag genau seit 50 Jahren. Zeitweise besass er in Biel noch zwei andere Optikergeschäfte oder hielt Beteiligungen, etwa auch in Gstaad. «Die guten Zeiten sind vorbei», sagt er. So war früher am Ende der Bahnhofstrasse, wo heute der New Yorker die Jungen mit Kleidern versorgt, ein Hotel untergebracht: «Der Car mit den Touristen hat immer vor meiner Tür angehalten. Da kamen viele Gäste und kauften sich eine Sonnenbrille.»

Auch die Uhrenindustrie und die Uhrenmessen haben Kunden in das Hotel gelockt und damit auch in seine Strasse. Hat Félix Matthey damals noch Sonnenbrillen im Wert von 50 000 Franken im Jahr verkauft, sind es heute noch 5000 Franken. Viele, vor allem Jüngere, kämen in den Laden, um die Sonnenbrillen zu probieren, und kauften sie dann billiger im Internet, sagt Matthey.

 

Keine gute Entwicklung

Etwas enttäuscht ist Félix Matthey, der sich 14 Jahre als Bellmunder Gemeinderat und 17 Jahre im Leitenden Ausschuss des Gewerbeverbands Bieler KMU engagierte, auch von der Entwicklung der Stadt Biel. «Früher war Biel eine Stadt der Zukunft. Davon merkt man heute nicht mehr viel», meint er.

So hat er sich damals unter anderem für mehr Parkplätze in der Stadt eingesetzt. «Viele Leute begreifen einfach nicht, wie wichtig Parkplätze für die Geschäfte sind. Gerade ältere Leute kommen nicht mit dem Velo in die Stadt. Und der Autoverkehr, das ist nicht unser Weltuntergang.»

Und kurz vor dem Jubiläum musste Matthey seinen Laden schliessen, wenn auch nur vorübergehend: «Mehrere Tausend Brillen haben sie mir vor fünf Wochen geklaut. Die Scheiben waren zerschlagen und ich glaube, die haben sich noch geschnitten. Es waren Blutflecken am Boden. Jetzt mussten wir alle Brillen nochmals neu einkaufen», erzählt er.

Wird bei ihm nicht eingebrochen, ist er mit dem Geschäftsgang aber zufrieden. «Meine Kundinnen und Kunden haben das Spiel der grossen Ketten längst durchschaut», sagt er. So werben die grossen Mitstreiter laut Matthey zwar mit Gratisgläsern oder günstigerem Preis auf die Zweitbrille, nehmen sich dann aber zu wenig Zeit für die Beratung oder verrechnen die Montage separat: «Ich habe einige Kunden, die mit Konkurrenzofferten kommen, unter dem Strich bin ich dann nicht wirklich teurer», sagt er.

Das bestätigt Dominic Ramspeck von Optikschweiz, dem Verband für Optometrie und Optik : «Die unabhängigen Fachoptiker halten sich erstaunlich gut, obwohl der Preisdruck in der Branche gewaltig ist», sagt er (siehe Infobox). Die Bevölkerung werde immer älter und zudem aktiver, weshalb die Ansprüche an das Sehvermögen stiegen: «Und mit komplexen Anliegen geht man dann vielleicht doch lieber zum Fachoptiker», so Ramspeck. Zudem organisiert sich der Grossteil der Fachoptiker in sogenannten Einkaufs- und Marketinggruppen, in denen die Mitglieder die Einkäufe dann ebenfalls günstiger tätigen können.

 

Jedes Jahr nach Laos

Félix Matthey reist nicht zuletzt auch selber an Optikermessen etwa nach Paris und wählt Brillenmarken aus: «Im Moment habe ich die Marke Röhm im Sortiment, in Biel bin ich damit der Einzige», sagt er.

Genervt ist er weniger von den Ketten als von den Kioskbetreibern: «Wir machen eine Ausbildung zum Optometristen und die Kioskverkäufer dürfen Lesebrillen anbieten. Das geht doch nicht», sagt er.

So braucht es, um Korrekturen zu bestimmen, Kontaktlinsen zu verschreiben wie auch Verdachtsfälle von Augenkrankheiten oder den Einfluss von Medikamenten auf das Sehvermögen zu erkennen, eine Ausbildung zum Optometristen und damit einen Abschluss an einer Fachhochschule. Die dreijährige Ausbildung zum Augenoptiker befugt zum Verkauf und zur Anfertigung von Brillen im Atelier. Somit dürfe nicht mal seine Lernende Lesebrillen verkaufen, und sie habe ja mehr Ahnung von der Materie.

Aktuell arbeitet Matthey selber noch drei Tage die Woche in seinem Laden: «Im Moment geht es sehr gut so. Ich bin aber offen, wenn jemand auf mich zukommt, um den Laden zu kaufen», sagt Matthey. Dann würde er sich auf seine Leidenschaft, das Reisen und Fotografieren, konzentrieren. Einige Male war er in Australien, so etwa 1987 am Solarmobilrennen «World Solar Challenge», als die Ingenieurschule Biel dabei war. Und jedes Jahr im Herbst besucht er Laos: «Das erste Mal, als ich da war, hatten gerade die Grenzen geöffnet. Es ist spannend, zu sehen, wie sich das Land entwickelt.»

 

Zur Branche

  • In der Schweiz gibt es 1018 Optikerläden, davon gehören 307 Läden einer Kette an. Die Zahlen sind über die letzten fünf Jahre stabil geblieben.
  • Umsatz: Knapp 1,3 Mrd. Franken (gut 50 % von Ketten).
  • Rund 5500 Beschäftigte zählt die Branche, davon knapp 1000 Lernende, rund 2300 Optometristen und 2200 im Verkauf und der Anfertigung.
  • Die Coronakrise hat den Optikern weniger stark zugesetzt. Die Geschäfte waren durchgehend geöffnet. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. msd

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