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Mit Präzision Nischen abdecken

Die Brüder Patrick und Michel Vuilleumier teilen sich den Posten als CEO des Familienunternehmens Vuilleumier Technology AG.
Ein Gespräch über das 30-Jahr-Jubiläum und die Herausforderungen für Industrie-KMU.

CEO-Duo: Die Brüder Patrick (links) und 
Michel
 Vuilleumier versuchen Berufliches und Privates zu trennen. Bild: Frank Nordmann

Interview: Marc Schiess

Patrick Vuilleumier, letzte Woche führten Sie anlässlich ihres 30-Jahr-Jubiläums drei Praxistage in Zusammenarbeit mit ihren Technologie-Partnern durch. Was haben wir verpasst?
Patrick Vuilleumier: Wir führten vier Workshops durch, zwei wurden von unseren Technologiepartnern geleitet.

Kann ein kleines, hochspezialisiertes KMU in Zukunft noch ohne strategische Technologie-Partner überleben?
Ja. Eine unserer Stärken ist die Flexibilität, kurzfristig reagieren zu können und dabei einen hohen Qualitätsstandard zu halten. Aus unserer Sicht ist das nur bis zu einer gewissen Grösse möglich.

Es gibt KMU, die bestrebt sind, einen möglichst grossen Bereich der Wertschöpfungskette abzudecken. Ist das auch Ihre Strategie?
Definitiv nicht. Unser Ziel ist es, einen speziellen Nischenmarkt optimal abzudecken.

Stichwort Frankenstärke: Zurzeit kostet ein Franken etwa 1.14 Euro. Ist die Frankenstärke bei diesem Kurs für exportierende KMU noch ein Problem?
Schon vorher waren EU-Länder wie Deutschland und Italien im Schnitt 10 bis 15 Prozent günstiger, und dies das bei einem Kurs von damals noch 1.50 Euro. Von daher ist die Frage bereits beantwortet. Unsere Margen sind in den letzten Jahren gesunken. Was wir nicht wollten, ist Preisdumping. Wir konzentrieren uns daher auf die korrekt bezahlten Aufträge.

Drei Jahre nach der Unternehmensgründung sind Sie, Patrick Vuilleumier, im Unternehmen eingestiegen, drei Jahre später ihr Bruder Michel Vuilleumier. Wie hat sich das Unternehmen entwickelt?
Kurz nach der Gründung 1987 durch unseren Vater Charles Vuilleumier investieren wir in die erste CNC-Maschine. Mit dieser Investition wurden die Weichen in Richtung CNC-Bearbeitung gestellt. Der Mechaniker muss nicht mehr mit Schutzbrille am Handrad drehen, sondern eine Maschine programmieren.

2008 ist Ihr Vater als CEO zurückgetreten und Sie als Brüder teilen sich die operative Unternehmensführung. Wie erfolgt die Arbeitsteilung?
Wir ergänzen uns gut und können auch mit familiären Spannungen umgehen. Gegen aussen haben wir unterschiedliche Funktionen, intern decken wir aber viele Bereiche gemeinsam ab. Wichtige Entscheidungen treffen wir immer zusammen.

Familie und Arbeit sind untrennbar verbunden?
Ja, aber wir versuchen dennoch, Geschäftliches und Privates so gut als möglich zu trennen.

Für die Automobilindustrie fertigt Vuilleumier Technology in erster Linie Prototypen sowie Einzelanfertigungen für den Rennsport. Gibt es Bestrebungen, in E-Automarkt oder in der Formel E einzusteigen?
Wir arbeiten für viele Firmen, die Maschinen herstellen, mit denen Teile für die Autoindustrie produziert werden. Bei uns in der Werkhalle steht gerade ein Elektromobil, für das wir Teile produzieren. Die Märkte für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit werden die Zukunft und omnipräsent sein.

Sie produzieren auch für die Weltraumfahrt. Wie unterscheidet sich ein Auftrag der NASA oder ESA von einem der Medizinaltechnik?
Es besteht kein Unterschied. Für die Raumfahrt stellten wir zum Beispiel Gehäuse für Steuerungen her und ein komplexes Bauteil, das im All Strömungen misst. In der Medizinaltechnik sind es Instrumente und Implantate.

Dennoch: Sind die Vorgaben zum Beispiel in Bezug auf die Hygienevorschriften nicht viel höher?
Nein, in beiden Bereichen stellen wir das Produkt her und liefern es dem Kunden. Durch die ISO-Zertifizierung sind wir verpflichtet, jeden Arbeitsschritt sowie die verwendeten Materialien zu dokumentieren. Der Kunde reinigt die von uns gefertigten Teile und nimmt die Folgeprozesse vor. Die Verantwortung für die Reinheit liegt somit beim Kunden.

Wo muss präziser gearbeitet werden: In der Medizinaltechnik oder in der Raumfahrt?
Dies kann nicht verallgemeinert werden, da es eher teile- und nicht branchenspezifisch beurteilt werden kann. Bei der Präzision haben zum Beispiel die Uhrenbranche und Maschinenindustrie die höchsten Anforderungen. In der Medizinaltechnik und der Raumfahrt sind die Anforderungen eher optisch und visuell.

Weiter stellen Sie Teile für die Rüstungsindustrie her. Eines der auf der Website ersichtlichen Teile sieht aus wie der Verschlussbolzen des Sturmgewehrs 90.
Das ist korrekt. Wir arbeiten aber schon lange nicht mehr für die Rüstung, haben jedoch auf der Website das Spektrum aufgeführt, in welchen Bereichen wir schon produziert haben.

Wie viel liefern Sie in die EU?
Wir liefern im Moment nur an Schweizer Kunden. Diese exportieren aber einen grossen Anteil ins Ausland.

Sind die bilateralen Verträge für KMU noch ein gangbarer Weg?
Wir hoffen auf weiterhin akzeptable Rahmenbedingungen, welche unsere Tätigkeit nicht erschweren. Die Branchenverbände sollten in Zukunft noch stärker in Bern vertreten sein.

Mit Johann Schneider Ammann als Bundesrat gibt es bereits heute einen Industrievertreter. Hätten Sie einen Wunsch frei, was würden Sie sich von ihm wünschen?
Der Industrie sollte in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, damit der Standort Schweiz als Produktionsstandort wieder mehr gestärkt wird und um einer Deindustrialisierung entgegenzuwirken.

Und welchen Wunsch haben Sie an den Lysser Gemeindepräsident Andreas Hegg?
Der Standort Lyss ist für uns optimal. Als wir damals wegen nicht erfüllbaren Bedingungen des Heimatschutzes aus Täuffelen weggezogen sind, waren Biel und Lyss Favoriten. Bereits bei der ersten Kontaktaufnahme zeigte die Gemeinde Lyss grosses Interesse an unserem Betrieb, was unseren Entscheid massgeblich beeinflusste. Landreserven für eine Gebäudeerweiterung sind ebenfalls vorhanden.

Bundesrat Schneider-Ammann spricht vom Seeland als ein «industrielles Cluster». Inwiefern profitieren Sie als KMU am Standort Lyss von diesem Cluster?
Sicherlich hat das Seeland einen grossen Anteil an technischem Know-how, aber wir haben bis heute nicht merklich davon profitiert. Gemeinsame Synergien in der Region könnten optimaler genutzt werden.

Wie sieht das Unternehmen in 30 Jahren aus?
Dieser Zeithorizont ist etwas gar weit.

Was werden Sie in Zukunft produzieren?
Das ist schwer zu sagen. Aber wir werden unserem Firmenleitbild sicher treu bleiben. Ziel wird es sein, neue Technologien zu prüfen und umzusetzen, um weiterhin unsere Position auf dem Markt zu halten.

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Zur Firma

  • 1987 gründete Charles Vuilleumier die Vuilleumier Technology AG, seit knapp zehn Jahren wird der Betrieb von seinen Söhnen Patrick (47) und Michel (44) geführt.
  • Nach Dotzigen und Täuffelen hat die Firma heute ihren Sitz in Lyss.
  • Als Zulieferbetrieb gegründet, ist das KMU heute auf die Bearbeitung von präzisen Implantaten und medizinischen Instrumenten sowie auf die Herstellung von Komponenten für die Luftfahrtindustrie, den Motorsport und die Maschinen- und Automationsindustrie spezialisiert.
  • Sie beschäftigt elf Mitarbeiter und zwei Lernende. msc

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