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«Bern Cluster Day»

Mobilität unter Strom

Wie sieht der Individualverkehr in mittlerer Zukunft aus? Er ist elektrisch. Davon zeigte sich die Expertenrunde im Bieler Kongresshaus überzeugt.

Jochen Rudat, Chef von Tesla Schweiz: «In drei Jahren werden wir mit einem neuen Modell in den Massenmarkt eindringen.» Bild: Jonathan Liechti

Wenn Bundesrätinnen und Bundesräte zu Referaten anreisen, tun sie das in der Regel in den Bundesratslimousinen. Das sind grosse, schwere, und vor allem: benzinbetriebene Autos. Letzten Mittwoch war Bundesrätin Doris Leuthard zu Gast in Biel (das BT berichtete), die Delegation reiste in zwei Wagen an.

Der eine: ein grosses, schweres und benzinbetriebenes Auto. Der zweite aber war ein Tesla, Model S, ein Elektroauto der neusten Generation.

Glaubt man den Ausführungen am gestrigen «Bern Cluster Day» im Bieler Kongresshaus, geht es nicht mehr allzu lange, und schon bald werden längst nicht mehr nur Bundesrätinnen, Early Adapters und Statusbewusste mit Elektroautos unterwegs sein. Die Mobilität, so sind sich die Experten einig, wird elektrischer.

«Druck wird zunehmen»

Im Jahr 2008 hat der Energiekonzern Alpiq die bundesrätlichen Ziele zur Verringerung des CO-Ausstosses im Verkehr bis 2020 umgerechnet in die Anzahl Elektroautos, die zur Erreichung dieser Ziele in diesem Jahr auf Schweizer Strassen unterwegs sein müssten. Er kam auf 720 000. Eine Zahl, die für etwas Verwirrung sorgt, wenn sie als Prognose der Marktdurchdringung von E-Autos missverstanden wird.

Peter Arnet, Geschäftsführer der Alpiq E-Mobility AG, stellt darum klar: Der Befund prognostizierte nicht die tatsächliche Zahl, sondern verdeutlichte den Handlungsbedarf. Während die Schweiz im Gebäudebereich die CO-Reduktionsziele nämlich erreiche, sei sie im Bereich Verkehr weit davon entfernt. «Der politische Druck auf den Verkehr wird darum zunehmen», ist Arnet überzeugt.

Ebenso ist er überzeugt: «Die E-Autos werden kommen.» Die Auswahl an Modellen war noch nie so gross wie dieses Jahr, und auch die grossen Autohersteller investieren mittlerweile beträchtliche Summen in die Weiterentwicklung.

Nun stellen sich zahlreiche Herausforderungen und es eröffnen sich ebensoviele Geschäftsfelder und -chancen. So müssen für die E-Autos (wie auch für E-Bikes) etwa genügend Ladestationen bereitstehen, ein Markt, in dem Alpiq breit Fuss fassen will.

So ist die Alpiq denn auch Mitglied im Verband «Swiss eMobility», der die «Schaffung der politischen und institutionellen Grundlagen für die Entwicklung der Elektromobilität in der Schweiz» vorantreiben will und in dem sich auch Autohersteller oder etwa der TCS engagieren. Ein Projekt, das der Verband vorantreibt, ist das des Schweizer Schnelladenetzes «eVite». Jedes gängige Elektroauto soll so in der ganzen Schweiz rasch aufgeladen werden können – eine weltweit bislang einzigartige Lösung.

Gratis nach Lissabon

Einen eigenen Weg geht bislang der US-E-Autohersteller Tesla: Er baut ein eigenes Netz an Stationen auf. Bereits heute sei es möglich, in den USA von der Ost- an die Westküste zu fahren und dabei den Wagen jeweils an den teslaeigenen Schnelladestationen mit Strom zu tanken. In der Schweiz sollen Ende 2014 genug Stationen stehen, ebenso solle man von Skandinavien bis nach Lissabon oder Italien fahren können, sagt Jochen Rudat, Chef von Tesla Schweiz. Teuer ist das nicht für die Kunden, sondern gratis: Wer einen Tesla besitzt, kann die Ladestationen kostenlos nutzen.

Preislich sind die Tesla-Autos noch nicht massenfähig, das Modell S kostet etwas über 70 000 Franken. Doch bereits das nächste Modell dürfte günstiger kommen, und bis in drei Jahren plant Tesla laut Rudat den Eintritt in den Massenmarkt. Die Reichweite der Elektrofahrzeuge reicht nämlich ohnehin für die allermeisten Alltagsfahrten aus, auch an den Schnelladestationen kommt der Fahrer nach 20 Minuten wieder 250 Kilometer weit.

Zweifel, wonach die graue Energie in der Herstellung die bessere Energiebilanz im Betrieb «auffressen» könnte, zerstreut Andrea Vezzini von der Berner Fachhochschule: Nach einigen Tausend Kilometern Fahrt sei der Effekt zweifellos positiv. Auch dürften die Preise von E-Autos weiter sinken. Die Autoindustrie investiere derzeit grosse Summen in die wirtschaftlichere Herstellung von Batterien. Hinzu komme, so Peter Baumann von der Drivetek AG, dass Elektromotoren grundsätzlich günstiger herzustellen seien als Verbrennungsmotoren. Wie Elektromobilität den Markt durchdringt, zeigt sich bislang an den Velos: «Für Strecken von bis zu 25 Kilometern ist das E-Bike das beste Fortbewegungsmittel», sagt Thomas Binggeli, der den Elektrovelohersteller Stromer aufgebaut hat.

Klar ist, dass die Elektrifizierung der Mobilität nur Sinn macht, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt. Heute werde die Diskussion noch entlang der Linie «privater Verkehr/öffentlicher Verkehr» geführt, sagt Peter Arnet: «Künftig werden wir nach elektrischem und fossilem Verkehr unterscheiden.»

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