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Thun

Nach dem Kampf folgt der Härtetest

Das Management von Meyer Burger kann sich gegen seinen Grossaktionär durchsetzen – und steht nun auf dem Prüfstand.

Remo Lütolf, Verwaltungspräsident, konzentriert sich kurz vor Versammlungsbeginn. Bild: Keystone

Quentin Schlapbach

Kurz nachdem der Entscheid gefallen war, drohte die Situation komplett aus dem Ruder zu laufen. Die Aktionäre von Meyer Burger hatten soeben mit einer 65-Prozent-Mehrheit entschieden, dass Mark Kerekes, Vertreter des Grossaktionärs Sentis Capital, nicht in den Verwaltungsrat der Thuner Solarfirma einziehen darf. Da meldete sich Anton Karl, neben Kerekes Co-Geschäftsführer von Sentis, zu Wort. Sein Abstimmungsgerät habe nicht funktioniert.

Die Generalversammlung war zu diesem Zeitpunkt bereits zweieinhalb Stunden alt. Die Schlammschlacht zwischen der Führungsequipe von Meyer Burger und dem Grossaktionär Sentis, die wochenlang öffentlich über die Medien ausgefochten wurde, fand im Berner Stade de Suisse vor versammeltem Aktionariat ihren nahtlosen Fortgang. Alles mögliche wurde dabei von den beiden Seiten ins Feld geführt: Rechtsgutachten, Strafanzeigen, Rücktrittsdrohungen, eine US-Liste von Putin-Vertrauten, auf welcher der Name von Sentis-Hauptaktionär Petr Kondrashev steht. Aber als dessen Mitarbeiter Anton Karl das Abstimmungsresultat ernsthaft anzuzweifeln schien, drohte die bereits aufgeheizte Atmosphäre komplett zu kippen.

Mit fragwürdigen Mitteln

Die Episode war dann doch nur ein Missverständnis. Nach mehreren Nachfragen des unabhängigen Rechtsvertreters und nachdem sich die Sentis-Vertreter im kleinen Kreis abgesprochen hatten, gab Anton Karl Entwarnung: alles in Ordnung. Sogleich lichteten sich die voll besetzten Sitzreihen, und die Aktionäre verliessen – viele sichtlich entnervt – den Saal.

Was die Eigentümer da seit Wochen miterleben mussten, glich teilweise einer öffentlichen Demontage des eigenen Unternehmens. Die Sentis-Vertreter machten lautstark Wahlpropaganda für ihren Mann Kerekes – und schossen dabei immer wieder gegen den Verwaltungsrat und Geschäftsführer Hans Brändle. Aber auch die Führungsriege von Meyer Burger um Verwaltungsratspräsident Remo Lütolf schreckte in ihrer Abwehrschlacht gegen den Sentis-Vertreter nicht vor fragwürdigen Methoden zurück. Mit seiner Rücktrittsdrohung verstiess Geschäftsführer Brändle laut Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz von der Uni Bern gar gegen geltendes Arbeits- und Aktienrecht. Einige Aktionäre äusserten denn auch ihr Befremden über die Art und Weise, wie die Wahl von Kerekes verhindert werden sollte. «Ich bin entsetzt über die vom Verwaltungsrat hysterisch geführte und vor keinen unlauteren Mittel zurückschreckende Kampagne», sagte ein Aktionär mit französischem Akzent.

Neuer Schlüsselkunde

Das Management konnte den Kopf dann aber doch noch aus der Schlinge ziehen. Es überzeugte genügend Aktionäre von seinem neuen Plan – einer strategischen Partnerschaft mit einem Solaranlagenhersteller aus Singapur. In einer gut halbstündigen Präsentation wurde einmal mehr versprochen, dass die Technologie von Meyer Burger sich am Ende doch auf dem Markt durchsetzen werde.

Dieser Markt sei denn auch das wahre Schlachtfeld, sagte ein sichtlich erleichterter Verwaltungsratspräsident Remo Lütolf angesprochen auf die Schlammschlacht. Er sei nun bemüht, das angespannte Verhältnis zum Grossaktionär Sentis wieder zu verbessern. Er biete seine Hand zu einem konstruktiven Dialog.

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Kommentar

Jetzt muss Meyer Burger liefern

Die Schlammschlacht ist vorbei. Nach einem wochenlangen, öffentlich ausgetragenen Streit hat es die Führungsriege von Meyer Burger geschafft, die Wahl des unbequemen Aktionärsvertreters Kerekes in den Verwaltungsrat zu verhindern. Verwaltungsratspräsident Remo Lütolf und Geschäftsführer Hans Brändle gehen nach dem klaren Votum der Aktionäre als Sieger vom Feld. Oder etwa doch nicht?

Zwar gewinnen Lütolf und Brändle dank dem Vertrauensbeweis etwas Zeit. Der Druck auf die beiden wird deshalb aber nicht kleiner – im Gegenteil. Das Thuner Unternehmen bleibt es seinen Eigentümern weiterhin schuldig, die windigen Versprechen in ein funktionierendes Geschäftsmodell umzuwandeln. Lütolf und Brändle versicherten an der gestrigen Versammlung einmal mehr, dass sie die richtigen sind, um diesen Turnaround zu schaffen. Brändle stellte im Vorfeld gar seinen Job zur Disposition, sollten die Aktionäre dem Willen des Managements nicht folgen – was für seine Glaubwürdigkeit nicht gerade förderlich war.

Der Poker ging aber auf. Trotz sieben Verlustjahren in Folge haben die Aktionäre der Führung ein weiteres – womöglich aber letztes – Mal ihr Vertrauen ausgesprochen. Jetzt bleibt Lütolf und Brändle nur noch eines übrig: Sie müssen liefern. Wenn sie das nicht tun, wird ihnen ihre vehemente Ablehnung des Aktionärsvertreters Kerekes bald schon vorgehalten werden. Quentin Schlapbach

Stichwörter: Wirtschaft, Meyer Burger, Thun

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