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Bévilard

Neues Zuhause für alte Fabrik

Wie zügelt man eine grosse Fabrik? Derzeit zieht die Schaublin Machines SA vom alten ins neue Gebäude. Für alle Beteiligten eine schwierige Aufgabe. Zur Erinnerung an die 98-jährige Tradition der Fabrik ist ein kleines Museum geplant.

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LOTTI TEUSCHER

Als das Licht zum ersten Mal im Demonstrationsraum der neuen Schaublin Machines SA eingeschaltet wird, geht das Licht in einem anderen Raum aus. Bei der Planung für den Umzug werden WC-Papier und Seife vergessen, die dann auf der Toilette fehlen. «Eine Firma zu zügeln ist tausendmal schlimmer als eine Wohnung», sagt Direktor Rolf Muster.

Zumindest logistisch ist der Umzug eines Unternehmens von der Grösse des Maschinenherstellers in Bévilard tausendmal komplizierter. 200 Mal fahren Lastwagen mit Anhängern zwischen dem alten und neuen Produktionsgebäude hin und her; Material, das 20 Lastwagen füllt, wird weggeworfen. Rolf Muster zeigt auf ein altes, riesiges Regal, das noch im alten Gebäude steht: «Jede einzelne Schublade muss nach dem Umzug zurück an den gleichen Platz.»

 

30-Tonnen-Ungetüm

Die grösste Maschine, die 15 Meter lange und 30 Tonnen schwere Camut, wurde in drei Teilen transportiert. Klaviere sind beim Zügeln von Privathaushalten gefürchtet, doch im Vergleich mit der Camut sind sie einfach zu transportierende Fliegengewichte.

Der Umzug wird von Spezialisten organisiert, 200 000 Franken kostet das. Zugleich wird die «Züglete» dazu benutzt, alle grossen Maschinen zu revidieren. Die Produktionszeit verlängert sich um einen Monat, denn während vier Wochen kann nicht produziert werden. Im November 2011 hatte Schaublin angekündigt, ein neues Gebäude zu bauen; ebenfalls an der Hauptstrasse von Bévilard. Denn trotz der damals ungewissen Wirtschaftslage beschloss die Direktion zu investieren. Der Spatenstich erfolgte im Januar 2012, die Bauzeit wurde eingehalten.

 

Direktoren und Buchhalter

110 eindrucksvolle Meter lang ist das Gebäude geworden, 76 Meter breit und 12,7 Meter hoch. Auf drei Etagen sind Produktion und Montage untergebracht, der Empfang und die Büros. Der Umzug ist fast abgeschlossen, die hellen und hohen Räume, die noch nach frischer Farbe riechen, sind bereits belebt durch die 115 Mitarbeiter der Schaublin SA.

Die alten Hallen und die Kontore in der alten Fabrik sind fast leer. Nur noch jede zweite Lampe brennt in der Fabrikhalle, eine verstaubte Pflanze kämpft im Halbdunkel ums Überleben.

Verlassen wirkt auch der lange, beige gestrichene Gang mit einem Boden aus abgewetztem Linoleum, gesäumt von den Türen zu den Kontoren links und rechts. Hier gingen seit 1929, als die Fabrik eingeweiht wurde, die Buchhalter ein und aus. Und hier sassen die Direktoren in ihren Büros mit den mittlerweile abgetretenen Teppichböden; die Möbel haben im Flur deutliche Spuren hinterlassen.

 

Mutiger Gründer

Seit 1981 arbeitet Rolf Muster für die Fabrik, damals und noch viele Jahre später wurde in den Büros geraucht. Bis heute hängt ein leichter Geruch nach Zigaretten in der Luft.

In den Archiven im ersten Stock hängt noch ein altes Bild des Fabrikgebäudes an der Wand mit dem Montoz im Hintergrund, umgeben von blühenden Feldern. Auch Fotos ehemaliger Direktoren zieren den Raum und eine kleine Musikdose, die den «Charles-Schäublin-Marsch» spielt, erinnert an den Gründer. Im Jahr 1915 hatte Schäublin in Malleray die erste Fabrik eröffnet, die Drehmaschinen für die Uhrenindustrie herstellte. Die Idee erwies sich als verwegen: Wegen des Ersten Weltkriegs war es schwierig, Personal, Maschinen und Rohstoffe zu finden - kurz alles, was es braucht, um eine Fabrik zu betreiben.

Etliche Maschinen aus den Ursprüngen der Fabrik sind noch heute in Betrieb: Die älteste steht in den USA, sie wurde 1925 hergestellt. «Wenn nötig, können wir noch immer Ersatzteile liefern», sagt Rolf Muster.

Bis heute, bald ein Jahrhundert nach der Gründung, stellt die Schaublin Machines SA Präzisionsmaschinen her: konventionelle und CNC-Drehmaschinen sowie vertikale Bearbeitungszentren.

 

Schweizer Pionier

Die Entwicklung einer CNC-Maschine war ein Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens: Schaublin hat 1973 als erste Fabrik der Schweiz eine CNC-Maschine gebaut; eine Maschine, die dank moderner Steuerungstechnik in der Lage ist, automatisch Werkstücke mit hoher Präzision für komplexe Formen herzustellen.

Allein von den bekanntesten Maschinen, den Schaublin Drehmaschinen 102 und 70, hat das Unternehmen weltweit 100 000 Stück verkauft. Auf allen fünf Kontinenten stehen über 250 000 Maschinen aus dem Berner Jura. Im Laufe der Jahrzehnte ist Schaublin buchstäblich zu einem Synonym für Präzision geworden; laut Rolf Muster sagen Russen jeweils, wenn sie eine hochpräzise Drehmaschine irgendeiner Marke erwerben wollen: «Ich will eine Schaublin.»

Hauptmärkte der Fabrik sind heute die Schweiz, gefolgt von Russland, China und Indien. Die Schaublin Machines SA bewegt sich in einem schwierigen Markt, der von Rezessionen jeweils besonders stark und lang betroffen ist. «Dennoch», sagt Rolf Muster mit Stolz, «haben wir seit dem Jahr 2000 nie Geld verloren. Auch nicht in schwierigen Zeiten.» In besseren Zeiten hat die Fabrik laut ihrem Direktor sehr gute Resultate erzielt.

Derzeit werden nur noch kleinere Gegenstände gezügelt, die alten Räumlichkeiten sind bald leer. Doch die vielen Jahrzehnte, die die Schaublin Machines SA mit dem Umzug hinter sich lässt, sollen nicht vergessen werden: Rolf Muster will im neuen Gebäude ein kleines Museum einrichten. Einiges hat er bereits gesammelt, wahrend des Rundgangs durch die alten Räume wird er erneut fündig.

An einer Wand hängen Preise der Siams, der Messe für Produktionsmittel der Mikrotechnik in Moutier. Muster findet Zahltagsformulare aus einer Zeit, als der Lohn noch bar in einem Couvert überreicht wurde. Bedienungsanleitungen, die noch von Hand geschrieben wurden.

 

2014 das endgültige Aus

Fällt es Rolf Muster schwer, mit dem Umzug so viele Jahre Industriegeschichte hinter sich zu lassen? «Äs bitzeli scho», sagt der Romand, der fast perfekt Berndeutsch spricht. Praktisch war die alte Fabrik allerdings schon länger nicht mehr. Mehrmals wurde sie aus- und umgebaut, sie ist unübersichtlich und unpraktisch geworden.

Im Jahr 2014 wird die altehrwürdige Fabrik gänzlich Geschichte sein: Dann nämlich wird sie abgerissen.

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