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Autoimporte

Objekt der Begierde von Einkaufstouristen

Seit einem Vierteljahr dominiert die Frankenstärke die Schweizer Wirtschaft. Die Autohändler konnten den Frankenschock mit Rabatten abfedern. Trotzdem bleibt es für Private attraktiv, ihr Auto jenseits der Grenze zu kaufen.

Fahrzeugprüfung: Mitarbeiter des Verkehrsprüfzentrums Orpund prüfen derzeit vermehrt Importautos aus EU- Ländern. Copyright: Tanja Lander/Bieler Tagblatt

von Esther Rüdiger

Für die Schweizer Wirtschaft ging am 15. Januar dieses Jahres der Fixstern unter: der Euro-Mindestkurs. Eine Chance für Importeure, mag der erste Gedanke sein. Autohändler beispielsweise könnten vom günstigen Euro profitieren.

Dies ist aber nur teilweise korrekt. Aufgrund von vorzeitig ergänzten Lagerbeständen und Preisfixierungen vor dem Tag X, trifft sogar eher das Gegenteil zu. Die Autohändler haben die Fahrzeuge noch zum Mindestkurs eingekauft. Mit dem Fall des Euros stieg aber die Erwartung an Eurorabatte, dem praktisch geschlossen alle Autohändler Folge leisteten. Die Konsequenz waren grosse Einbussen auf der Gewinnmarge. Unmittelbar im Zusammenhang damit steht der drastische Wertverlust der Occasionen (das BT berichtete).

Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Bereits vor dem Kursfall war es für Privatpersonen eine lukrative Alternative, Autos direkt aus Deutschland zu importieren. Die Währungssituation könnte dieses Geschäft im letzten Vierteljahr angekurbelt haben.

 

Einbussen wegen Eurorabatt

Die Idee, ein Auto im günstigeren EU-Raum zu kaufen und über den Zoll in die Schweiz einzuführen, ist nicht neu. Direkt- und Parallelimporteure haben das Geschäftsmodell schon lange für sich entdeckt. Laut Roger Kunz, Präsident des Verbands freier Autohandel Schweiz (VFAS) ist dieses für den Preiswettbewerb unerlässlich. Gegenüber «Auto & Wirtschaft» sagte er im Februar: «Es braucht zehn Prozent Direkt- oder Parallelimport, damit der Preiswettbewerb funktioniert.»

Nun kam aber im Januar der unerwartete Euro-Kurszerfall. Noch nie gab es auf der anderen Seite der Grenze so viel Auto für so wenig Franken. Für die Garagisten bedeutete dies dringender Handlungsbedarf. Sie nahmen in der Folge grosse Einbussen in Kauf: Gerade Generalimporteure konnten längst nicht alle selbst vom Eurorabatt profitieren. Trotzdem konnte so ein Absatzeinbruch verhindert werden. Reto Blättler, TCS-Fahrzeugexperte, bestätigt dies: «Die Autoimporteure haben schnell reagiert, deshalb hat man die Lage sehr schnell in den Griff bekommen.»

 

Warteschlange zum Prüfen

Gab es also gar keinen gestiegenen Auto-Einkaufstourismus? Doch, wenn man sich die aktuellen Zahlen der Verkehrsprüfzentren ansieht (siehe Infobox). Denn unabhängig davon, wo die Autos gekauft wurden, müssen sie in der Schweiz geprüft werden.

So nahm etwa Jean-Jacques Lièvre, Abteilungsleiter vom Verkehrsprüfzentrum (VPZ) Orpund, diesen Trend durchaus wahr. «Wir haben tatsächlich eine Zunahme seit Januar festgestellt aus EU-Ländern, aber auch aus den USA», sagt Lièvre.

Seit Januar seien 245 importierte Fahrzeuge in Orpund geprüft worden. Regional bedingt waren etwas mehr als die Hälfte Fahrzeuge von Garagen. So gibt es im Einzugsgebiet, zu welchem der Berner Jura und das Seeland zählt, beispielsweise Garagen wie «American Automobile» in Lengnau, wo man sich auf den Import von amerikanischen Autos spezialisiert hat.

Nicht zu unterschätzen ist laut Lièvre dennoch die Zahl der Fahrzeugprüfungen von privaten Importeuren. 105 an der Zahl sind es im Einzugsgebiet vom VPZ Orpund, das ansonsten stark von Autohändlern geprägt ist. «Im Verkehrsprüfzentrum Bern sieht es genau umgekehrt aus: Dort ist die Zahl der privat importierten Autos dreimal so hoch wie die von Garagen», sagt Lièvre. Eine Abnahme des Trends sei noch nicht zu erkennen, der Andrang bleibe gross. Die Wartefrist in Orpund beträgt deshalb aktuell zwei Wochen.

 

Nicht korrekte Preisangaben

Dino Graf, Mitglied der Amag Konzernleitung, sieht die aktuelle Lage ein wenig anders. «Im Januar, nach Bekanntgabe der Schweizerischen Nationalbank, gingen die Bestelleingänge bei Amag Biel tatsächlich zurück.»

Die Amag reagierte schon nach zwei Tagen mit der Einführung eines Eurorabatts auf Occasion-Fahrzeuge. Im Februar folgte schliesslich der «Swiss Netto Bonus», eine Vergünstigung auf Neuwagen und führte zu einem «sehr guten Februar», wie Graf mitteilt. Und obwohl der März wieder etwas verhaltener sei, bewege man sich auf Vorjahresniveau.

Ganz so einfach sei die momentane Situation denn aber doch nicht: Der Kunde sei sich zwar bewusst, dass gewisse Dinge in der Schweiz teurer sind, so Graf. Deshalb sei er auch bereit, in der Schweiz fünf bis zehn Prozent mehr für eine Leistung zu bezahlen als über der Grenze. Die Konkurrenz erschwere den Wettbewerb aber.

«Herausfordernd ist, dass gewisse Marktteilnehmer nicht mit korrekten Preisangaben operieren und Kunden nur die reinen Katalogpreise, ohne Rabatte und Prämien vergleichen. Da kann das eine oder andere Angebot fälschlicherweise interessanter wirken als es tatsächlich ist», sagt Graf. Zu grosse Preisdifferenzen toleriere der Kunde nämlich nicht.

 

CO-Richtlinien helfen Amag

Die Amag gibt sich also mehrheitlich gelassen. Für Roger Kunz ist dies keine Überraschung. Anfang Januar wurden die CO-Richtlinien verschärft. «Deren Umsetzung bevorteilt die Importmonopole von Amag und Emil Frey», so Kunz gegenüber «Auto & Wirtschaft». Private und Kleinimporteure dagegen würden nun faktisch doppelt besteuert.

Offenbar hält die hohe Besteuerung und der Zoll viele Private dennoch nicht davon ab, ihre Neuwagen im günstigen EU-Raum einzukaufen. Davon profitieren Verkehrsprüfzentren. Als Verlierer sehen sich aber Generalimporteure wie die Amag keineswegs. Von markanten Einbussen wollen sie nichts wissen. Aber ein Wermutstropfen inform von Verlust ist nicht schön zu reden: «Auch wenn die Amag in Schweizerfranken einkauft, war die Belastung auf den Lagerbeständen gross», sagt Graf.

Einig sind sich die Exponenten in einer Sache: Die ersten drei Monate sind noch nicht wegweisend für das ganze Jahr. Trotzdem gilt für Autohändler nun, die in erster Linie aus Occasionen und Inventarkorrekturen entstandenen Verluste aufzuholen.

Prüfungen in Zahlen

Die Fahrzeugprüfungen des Verkehrsprüfzentrums Seeland/ Berner Jura in Orpund ergaben folgende Struktur (Zahlen erhoben seit Januar 2015):

• Total Importe : 245 Fahrzeuge

• Anteil Importe von privaten Kunden : 105 Fahrzeuge

• Anteil Importe von Garagen im Einzugsgebiet: 140 Fahrzeuge

• Anteil aus dem EU-Raum (Garagen + Kunden): 170 Fahrzeuge

• Anteil aus Deutschland (Garagen + Kunden): 102 Fahrzeuge reu

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