Sie sind hier

Abo

Advent

Oh du fröhliches Weihnachtsessen

Zum ersten Mal geben Firmenchefs dem BT anonym Auskunft. Denn es geht um ein sehr heikles Thema. Das Firmenweihnachtsessen und die Frage: Wie umschifft man die Fettnäpfe?

Oh du fröhliches Weihnachtsessen

Umfrage

Die Zeit der Weihnachtsessen ist da. Haben Sie negative Erfahrungen mit Geschäftsweihnachtsessen bezüglich Alkohol gemacht?





Lotti Teuscher

Der Alkoholpegel stieg, die Stimmung auch. Und je höher der Pegel war, desto tiefer wurden die Hemmungen. Irgendwann erfand die Belegschaft ein neues Spiel und das ging so: Man klebte sich Damenbinden auf die Kleidung.

Was ist erlaubt am Firmenweihnachtsfest, was verboten und was führt gar zu einem Karriereknick? Niemand weiss dies besser als Christoph Stokar, Autor des «Schweizer Knigge». «Guter Umgang ist Lebensqualität», sagt Stokar. In seinem Ratgeber hat er Firmenfesten ein eigenes Kapitel gewidmet, denn an diesen Anlässen gibt es tiefe Fettnäpfe: Kaderleute treffen auf einfache Angestellte, Frauen auf Männer und alle begegnen Alkohol in Form von Sekt, Wein, Bier und manchmal auch Schnäpsen.

Ziemlich viel Alkohol war dem Chef begegnet, der ein Auge auf zwei hübsche Lehrtöchter warf. Er begann zu flirten, die jungen Frauen wanden sich, er lud sie zu einem Drink ein, auf den die beiden liebend gern verzichtet hätten.

Was tun in einem solchen Moment, Christoph Stokar? «Oh je, das tut mir leid für die jungen Frauen», sagt der Knigge-Profi. Sein Rat: Cool und distanziert bleiben, auch wenn dies in einer solchen Situation nicht einfach ist.

Achtung, witziger Chef

Schwierig wird es oft nicht am Abend, sondern am Morgen danach: Was tun, wenn der beschwipste Vorgesetzte dem Untergebenen das Duzis angeboten hat? «Erst einmal beobachten, wie der Chef sich verhält», sagt Stokar. Sollte der Chef den Mitarbeiter wieder mit «Sie» anreden, sollte der Untergebene dies ohne weitere Bemerkung akzeptieren.

Wenn sich der Chef gehen lässt, ist dies immer eine schwierige Situation für die Mitarbeiter. Sei es, weil er die Belegschaft mit seinem Tenorgesang beglücken will, oder weil er einen schlechten Witz erzählt, über den eigentlich niemand lachen möchte: In «Knigge» geht Stokar nicht explizit darauf ein, wie sich Chefs verhalten sollten. Deutlich sagt es hingegen ein Kadermann aus der Region: «Das geht gar nicht.»

Es geht auch gesittet

Doch nicht alle Firmenweihnachtsfeste arten aus; laut der BT-Recherche scheint es heute grundsätzlich gesitteter zu und her zu gehen. Drei Firmenverantwortliche erzählen, dass ihre Belegschaft fröhlich, aber bezüglich des Alkoholkonsums zurückhaltend ist. Um die Trinkfreude zu begrenzen, setzt ein grosses Unternehmen mit Handwerkern auf einen simplen Trick: Die Abteilungsleiter führen ihre Teams zum Essen aus; das Budget reicht für ein gutes Menü plus Dessert, aber nur für wenig Alkoholisches.

Bitte kleine Dekolletees

In anderen Firmen treten Frauen mit tiefem Dekolletee auf, und die Männer oder beide Geschlechter schauen tief ins Glas. Irgendwann starrt er ihr dann in den Ausschnitt statt in die Augen, und das ist verpönt. Allerdings hat auch die Frau einen Fauxpas gemacht, wie Stokar betont: «Vom Dekolletee sollte möglichst wenig gezeigt werden, so dass es gar nicht erst zum Thema wird.» Und auch zu vorgerückter Stunde sollte keiner mehr als zwei Drittel seines Körpers zeigen.

Ein Unternehmer sagt es noch deutlicher: Wer sich während des Firmenfestes anzüglich verhält, riskiert einen Karriereknick.

Eine Event-Managerin erinnert sich an ein Fest, das sie selber ausgerichtet hatte. Irgendwann war der Alkoholpegel so hoch, dass ihr mulmig wurde: «Die Leute sagten Dinge, von denen sie, wieder nüchtern, nicht glauben würden, dass sie sie tatsächlich gesagt hatten.»

Geht das? «Viele Leute glauben, dass der Alkoholkonsum unangenehme Verhaltensweisen entschuldbar mache», sagt Stokar. Dem sei aber nicht so. Deshalb gelte an Firmenfesten: «Sich nie betrinken.» Einfach ist dies allerdings nicht immer: Zwei Gläser Prosecco auf nüchternen Magen reichen, um beschwipst zu werden. «Und bereits dann», so Stokar, «kann man irritierend wirken auf die Kollegen.»

Achtung Polizeikontrolle

Irritiert war ebenfalls die Belegschaft, die um Mitternacht von einem Kollegen erfuhr, dass unweit des Betriebs die Polizei bei Autofahrern einen Alkoholtest durchführte. Nach einem längeren Palaver («Wie viel Wein hast du getrunken?» «Und du?»), stellte die Belegschaft fest, dass es nicht genügend nüchterne Fahrer für die Autos gab. Ein Teil stieg deshalb aufs Taxi um.

Dazu Stokar: «Fahrgemeinschaften sollten sich einigen, wer nüchtern bleibt. Und das heisst: Wirklich nüchtern! Denn 0,5 Promille hat man schnell intus.»

Zu Irritationen führt indessen nicht nur der reine Alkoholkonsum: Während eines Firmenfestes, um 1 Uhr in der Früh, wurde die Diskussion immer heftiger. Irgendwann standen sich ein paar Kontrahenten gegenüber, es kam zu einer Schlägerei. Der Kommentar des «Knigge»-Autors dazu erübrigt sich, Schlägereien sind strikte No-Gos. Dass die Schlägerei keine Konsequenzen hatte, lag einzig daran, dass die Chefs das Fest bereits verlassen hatten.

Dass jeder auf Haltung achten sollte, bestätigt eine Kaderperson, der wie allen anderen Anonymität gewährt wird: «Wenn man sich betrinkt und sich unmöglich verhält, ist es schwierig, das Image wieder zu korrigieren.» Denn dieses Verhalten sei nicht nur peinlich, die Zuschauer wüssten nicht, wie damit umgehen.

Wer trinkt, handelt sich Ärger ein, könnte das Fazit lauten. Wenn es im Seeland nicht eine Firma gäbe, in der dies ausdrücklich willkommen ist. Cocktails wurden zwar aus dem Sortiment genommen, zu viele endeten während des Firmenfests als Alkoholleichen. Wein und Bier dagegen gibt es à Discretion, schlechte Erfahrungen habe man damit keine gemacht, sagt die Auskunftsperson: «Die Mitarbeiter feiern laut und fröhlich, aber anständig.»

 

Neun goldene Regeln
Sich gehen lassen oder dauernd auf Haltung achten? Im Ratgeber «Schweizer Knigge» verrät Autor Christoph Stokar, wie man während Weihnachtsessen eine gute Figur macht und wie man Fettnäpfchen umgeht:
• Einladung annehmen, das Fernbleiben würde als Desinteresse wahrgenommen.
• Selbst wenn der Alkohol in Strömen fliesst, zurückhaltend bleiben. Gespräche sollten jederzeit mit Anstand und Charme geführt werden können.
• Keine zu tiefen Blicke. Weder ins Glas noch in Dekolletees.
• Manierlich bleiben, selbst wenn sich alle ringsum verlustieren.
• Anzüglichkeiten oder Bemerkungen über Kollegen vermeiden zum Thema Kleider ausziehen.
• Auch zu später Stunde sollten zwei Drittel des Körpers bedeckt sein.
• Weihnachtsessen sind schlechte Gelegenheiten, um Themen wie Beförderungen oder Budgetvorgaben anzusprechen.
• Weder als Erster noch als Letzter vom Fest verschwinden.
• Eigenes Verhalten nicht einfach übergehen, sondern sich entschuldigen, falls dies erforderlich ist.

Quelle: Ratgeber «Der Schweizer Knigge», 41.90 Franken, ISBN 3-85569-769-8.

Info: Porträt der neuen BT-Karikaturistin Caroline Rutz

Nachrichten zu Wirtschaft »