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Jubiläum

«Ohne meine Angestellten wäre ich nichts»

Babette Keller-Liechti startete mit einem Nischenprodukt als Ein-Frau-Unternehmen. Heute beliefert sie von Biel und Hongkong aus mit ihren Mikrofaserprodukten für die Uhren- und Schmuckindustrie 3000 Kunden weltweit.

Setzt auf Perfektion: Die Unternehmerin Babette keller Liechti. Bild: Stéphane Gerber
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Daniel Rohrbach

Zielstrebig führt Babette Keller Liechti durch die lichtdurchfluteten Räume im ehemaligen Drahtzuggebäude an der Solothurnstrasse 1 in Biel, wo ihr Unternehmen seit sechs Monaten untergebracht ist (siehe Zweittext). Vor rund einem Monat konnte zudem auch die Druckerei in die neuen Räume einziehen. Sie zeigt das Lager für Mikrofasertücher, wo rund eine Million Stück auf die weitere Verarbeitung warten. Erwähnt, dass die in Asien produzierten Tücher allesamt mit dem Flugzeug und nicht etwa mit dem Schiff transportiert werden. Sie schreitet weiter zur Druckerei, zieht die Schubladen auf, zeigt Prägestempel mit den Logos unzähliger Uhrenfirmen. Weiter geht es in einen Saal, wo gut ein Dutzend Frauen Handschuhe und Tücher konfektionieren und verpacken. Das Unternehmen, das letzte Woche sein 25-jähriges Bestehen feiern konnte, fertigt hochwertiges Mikrofasergewebe zu Handschuhen, Poliertüchern und Etuis, die als exklusive Accessoires weltweit in der Uhren- und Schmuckwelt Absatz finden.

Rund 3000 Kunden weltweit beliefert die Firma mit einer umfangreichen Palette an Artikeln. Dabei lässt sie es aber nicht nur bei Textilien bewenden, sondern hat ihr Angebot auch auf Pflegeprodukte ausgeweitet. Jüngstes Beispiel sind die im letzten Jahr lancierten «Eaux du Joillier», eine zu 100 Prozent natürliche Swiss-Made-Pflegelinie für Schmuck und Uhr. Sie sei stolz auf das Erreichte, sagt die Firmeneigentümerin und lacht. Sie sei aber auch stolz auf ihre Angestellten, derzeit sind es rund 35 – in der Mehrheit Frauen. «Ohne sie wäre ich nichts.»

Start mit Breitling

Es ist die sprichwörtliche Tellerwäscherinnen-Karriere, die Babette Keller Liechti gemacht hat. Die in Porrentruy aufgewachsene Patronne der Bieler Keller Trading SA begann ihre berufliche Laufbahn als Schuhverkäuferin. Sie heiratete, wurde früh Mutter und nähte für ihre vier Kinder Kleider. Ihr Vater, der bei Breitling arbeitete, entdeckte ihre Leidenschaft fürs Nähen. In seinem Auftrag nähte die heute 52-Jährige 1987 die ersten Uhrenetuis für Breitling. Als später regelmässige Aufträge folgten, kontaktierte Keller andere Uhrenmarken, wodurch sie immer mehr Abnehmer fand. Doch das Material aus Baumwolle, das viel Staub verursachte, überzeugte Keller nicht. Es war ihr Ex-Ehemann, der eine dicht gewobene Mikrofaser aus Nylon und Polyester entdeckte. Die Unternehmerin verfolgte daraufhin die Spur bis zum Gewebe-Hersteller in Kanada und etablierte den exklusiven Vertrieb des Gewebes für die Schweiz, für Europa und später weltweit.

1991 schliesslich gründete sie die Firma «Keller Trading - Haute Couture pour l’Horlogerie», aus der acht Jahre später die heutige Keller Trading SA wurde. Als Selfmade-Unternehmerin startete sie ohne Eigenkapital. Dazu eine kleine Anekdote: Als sie bei einer Bank um einen Kredit von 5000 Franken für eine neue Nähmaschine nachfragte, erhielt sie einen abschlägigen Bescheid. Dennoch kaufte sie bei Bernina eine moderne Nähmaschine mit einer Zahlungsfrist von 60 Tagen. «Ich arbeitete 29 Nächte lang und habe Breitling die Nähware am 30. Tag geliefert. Die Uhrenfirma zahlte mich nach zehn Tagen aus, und so gelang es mir, den Betrag für die Nähmaschine rechtzeitig zu überweisen», erzählt sie. Es versteht sich von selbst, dass sie von der Bank, die ihr den Kredit verweigerte, nichts mehr wissen wollte. Hausbank seit der Gründung des Unternehmens ist daher die Raiffeisenbank Chasseral. Mit diesem Institut sei sie sehr zufrieden sagt die Unternehmerin, deren Philosophie lautet, den Gewinn wieder in die Firma zu investieren.

Niederlassung in Hongkong

In diesem Zusammenhang ist auch die Eröffnung einer Niederlassung in Hongkong zu sehen, die vor drei Jahren erfolgte. Babette Keller Liechti verhehlt nicht, dass die ersten beiden Jahre in Südostasien nicht einfach gewesen sind. Mittlerweile habe sie sich aber etablieren können und arbeite kostendeckend. «Die Entscheidung nach Hongkong zu gehen war richtig», sagt sie. Das zweite Standbein sei aber als Erweiterung und nicht etwa als Auslagerung zu verstehen, unterstreicht die Unternehmerin. «Zudem können wir uns versichern, dass unsere Kunden die von Herstellern gewünschten Accessoires verwenden und so die hohen Qualitätskriterien eingehalten werden.»

Zweite Generation steht bereit

«Unsere Standards sind hoch», umschreibt sie ihre Firmenphilsophie. Jedes Tuch, jeder Beutel, jeder Handschuh müsse perfekt sein. «Unsere Produkte sollen keine Fehler aufweisen. Wir wollen zudem weiter diversifizieren und stetig besser werden. Dies funktioniert aber nur in einem Team, dessen Chemie stimmt.» Deshalb messe sie einer guten Arbeitsatmosphäre höchste Bedeutung bei. Es erfülle sie mit Genugtuung, dass die diese Werte von ihrer Tochter Harmonie Keller Matthey, die dereinst zusammen mit ihrem Ehemann François Matthey ihre Nachfolge antreten werde, geteilt würden.

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