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Landwirtschaft

Pestizid soll Zucker retten

Ein Virus hat sich auf den Schweizer Zuckerrübenfeldern ausgebreitet. Das wirksamste Mittel dagegen ist seit 2019 verboten. Nun kämpft der Verband der Zuckerrübenpflanzer für eine Notzulassung.

Das Rübenvergilbungsvirus wird von Blattläusen auf die Rèbenplfanzen übertragen und hemmt das Wachstum. Bild: Keystone

Hannah Frei

Mit Mindererträgen bis zu 50 Prozent rechnet der Schweizerische Verband der Zuckerrübenpflanzer in diesem Jahr. Grund dafür ist ein Vergilbungsvirus, das von Blattläusen übertragen wird und sich auf den Blättern der Pflanzen ausbreitet. Die Folgen: Das Wachstum wird gehemmt, der Zuckergehalt gesenkt. Neu ist das Virus nicht. Bis 2019 setzten die Rübenproduzenten neonicotinoidhaltige Mittel dagegen ein – mit Erfolg. Dann kam das Verbot. Denn laut dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) sind diese Pestizide Gift für die Bestäuber, unter anderem für Bienen.

Doch der Schweizerische Verband der Zuckerrübenpflanzer (SVZ) will das Mittel zurück. Es soll für eine Übergangszeit von drei Jahren wieder zugelassen werden – bis resistentere Rübensorten auf dem Markt sind. Letzte Woche reichte der Verband einen Antrag für eine Notfallzulassung von neonicotinoidhaltigen Mitteln fürs Beizen der Zuckerrübenpflanzen beim BLW ein. Für Josef Meyer, Präsident der SVZ, ist die Situation alles andere als befriedigend. «Wir müssen klar sagen: Wir sind nicht glücklich, dass wir diese Forderung stellen müssen. Aber wir haben keine andere Wahl.»

Die Mittel wurden zwar auch in den EU-Staaten verboten, werden seither aber vielerorts mit Sonderbewilligungen wieder zugelassen, etwa in Frankreich und Deutschland. Nun stehen die Schweizer Zuckerproduzenten noch stärker unter Druck, als sie es aufgrund der niedrigeren Preise im EU-Raum ohnehin waren. «Wir fordern gleich lange Spiesse für den Schweizer Zucker», sagt Meyer.

Nicht spritzen, sondern beizen

Es ist nicht der erste Antrag, den der Verband in diesem Jahr beim BLW einreichte: Im Juni forderte er ein Insektizid, um die Blattläuse zu bekämpfen. Denn zurzeit ist gemäss BLW lediglich das Produkt Pirimicarb für die Insektizidbehandlungen zugelassen. Gemäss Verband hat dessen Wirkung jedoch aufgrund von Resistenzen deutlich nachgelassen. Der starke Befall in diesem Jahr sei damit nicht zu beheben, sagt Meyer. Das BLW ist auf diesen Antrag jedoch nicht eingetreten.

Bei der aktuellen Forderung des SVZ geht es hingegen ums Beizen, also darum, das Saatgut vor dem Aussäen zu behandeln. Laut Josef Meyer sind die Zuckerrübenpflanzer daher bereits in diesem Jahr auf die Zusicherung einer vorübergehenden Zulassung des Pestizids ab 2020 angewiesen. Das Saatgut fürs kommende Jahr werde jeweils bereits im November bestellt. Und dann müsse der Bauer wissen, ob die Beizung erfolgen wird oder nicht.

Meyer zeigt sich zuversichtlich, dass das BLW dem aktuellen Antrag eine stärkere Relevanz zuschreibt. Er stehe mit den Zuständigen in Kontakt und habe mit ihnen einen Feldrundgang gemacht, um das Ausmass des Befalls aufzuzeigen. «Und ich hatte den Eindruck, dass sie schockiert waren», sagt Meyer.

BLW will Lösung suchen

Über die aktuell schwierige Lage der Zuckerrübenproduzenten sei sich der Bundesrat bewusst, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft auf Anfrage. Das BLW stehe im Kontakt mit der Branche. «Zurzeit werden Diskussionen geführt, um eine optimale Lösung zu finden», heisst es weiter.

Nebst dem Verband der Pflanzer macht sich auch der Schweizer Bauernverband für die Forderung nach einer Notfallzulassung stark. In einer Mitteilung hält diese fest, dass ohne ein zusätzliches Mittel «die Lücke durch Zucker geschlossen wird, der im Ausland mithilfe dieser in der Schweiz nicht mehr zugelassenen Wirkstoffe hergestellt wird». Eine solche Auslagerung des Problems sei nicht im Interesse des Bauernverbands.

Auch die Schweizer Zucker AG, die die beiden Zuckerfabriken in Aarberg und Frauenfeld betreibt, stellt sich hinter die Forderung. Laut Andreas Blank, Verwaltungsratspräsident der Schweizer Zucker AG, sind in diesem Jahr praktisch alle Zuckerrübenfelder im Seeland von der Krankheit betroffen.

Nicht vorhergesehen

Im letzten Jahr sei das Virus nur vereinzelt aufgetreten. «Aber dieses Jahr verbreitete sich die Krankheit explosionsartig», sagt Blank. Damit habe man nicht gerechnet. Sowohl die Rübenproduzenten als auch die verarbeitende Schweizer Zucker AG hätten sich weitaus mehr vor dem sogenannten «Syndrom de basse richesse» gefürchtet, eine über Zirpen übertragbare Krankheit mit ähnlichem Schadensausmass. Doch nun steht auf dem Feld das Virus im Fokus.

Für die Schweizer Zuckerbranche könne dies das Fass zum überlaufen bringen, sagt Blank. Denn seitdem 2017 der Zuckerpreis massiv gesunken ist, hängen die Schweizer Zuckerrüben-Bauern am seidenen Faden. Ohne das bereits laufende Massnahmenpaket des Bundesrates würde die Zuckerproduktion kaum rentieren. Doch auch diese Massnahmen würden langfristig nicht ausreichen, wenn der Bund jetzt nicht auf die Verbreitung des Virus reagiert, sagt Blank. Er wolle nicht schwarzmalen. Aber: «Wenn wir jetzt nichts unternehmen, ist das das Ende des Schweizer Zuckers.»

Stichwörter: Zuckerrüben, Pestizid, Virus

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