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Postfinance

Plan B: Postcard soll extra kosten

Der Einstieg der Posttochter Postfinance ins Kreditgeschäft hat politisch wenig Chancen.
 Die Manager feilen bereits an einem Alternativszenario – mit neuen Gebühren und Stellenabbau.

Die Postcard war bis dato im Konto-Grundpreis inbegriffen: Postfinance-Kunde am Geldautomat. Bild: Keystone

Holger Alich

Im Ringen um die Zukunft der Postfinance stehen nun entscheidende Weichenstellungen an. Bis zum 25. September läuft die Vernehmlassung über die Reform des Postorganisationsgesetzes. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich Sprengstoff: Denn der Bundesrat möchte der Banktochter der staatlichen Post erlauben, Hypotheken zu vergeben. Parallel soll ein Teil der Aktien der Postfinance an Investoren verkauft werden.

Beide Teile des Plans hängen zusammen. Der Einstieg in den 1000-Milliarden-Franken grossen Hypothekarmarkt soll Postfinance eine neue Einnahmequelle erschliessen. Denn mit der Anlage der Kundengelder verdient die Posttochter immer weniger Geld. Und ohne die Erlaubnis, Hypotheken zu vergeben, wird sie keine Investoren finden. «Niemand wird in Aktien einer Bank investieren, die keine Kredite vergeben darf», sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng der «NZZ am Sonntag» (NZZaS).

Der Weg der Vorlage ins Parlament ist zwar noch weit. Doch Köng weiss jetzt schon: Das Geschäft wird einen schweren Stand haben. Daher arbeitet er bereits an einem Plan B, sollte das Parlament der Postfinance den heiss ersehnten Einstieg ins Kreditgeschäft verweigern. Eckpunkte der Planungen sind bereits durchgesickert.

Callcenter droht Schliessung

«Der Plan hat zwei Teile», sagen Kenner, «zum einen geht es darum, über neue Preiserhöhungen die Einnahmen zu erhöhen, der zweite Teil sind weitere Effizienzsteigerungen, dazu zählt auch ein neuer Stellenabbau.» Wie viel dieser Plan B einbringen soll oder wie viele Stellen in Gefahr sind, ist noch nicht bekannt. Laut den vorliegenden Informationen sind Callcenter der Postfinance im Visier. Hier könnten Standorte geschlossen werden.

In Sachen Preiserhöhungen müssen sich Kundinnen und Kunden darauf einstellen, dass die Postcard, die bis dato im Konto-Grundpreis inbegriffen ist, extra kosten soll und damit teurer würde. Zudem wird eine weitere Absenkung des Freibetrags für Negativzinsen von bis 250 000 Franken auf 100 000 Franken vorbereitet. Über die Verschärfung der Negativzinsen hatte zuletzt die «Finanz und Wirtschaft» berichtet.

«Wir kommentieren keine Gerüchte und Spekulationen», sagt ein Sprecher der Postfinance. Sollte sich in Sachen Preise oder Negativzinsen etwas ändern, so würde die Bank ihre Kundinnen und Kunden «schriftlich darüber informieren», heisst es weiter. Ein Dementi klingt anders.

Ein Insider erklärt, dass sich Postfinance derzeit nicht öffentlich zu den Preiserhöhungs- und Stellenkürzungsplänen äussern wolle, um nicht den Eindruck zu erwecken, die Parlamentarier zu erpressen. Aber bereits im NZZaS-Interview hatte Köng neue Stellenkürzungen nicht ausgeschlossen. «Dies analysieren wir, wenn wir wissen, ob wir Kredite vergeben dürfen oder nicht», sagte er dazu. Und schob nach: «Fest steht: In die Verlustzone zu fallen, kommt für uns nicht infrage.»

Postfinance hat bereits ein paar Mal an der Preisschraube gedreht. Für einen Aufschrei sorgte, dass das bisher kostenfreie Zahlungsverkehrskonto seit Anfang des vergangenen Jahres 60 Franken Gebühr im Jahr kostet. Anfang 2022 ist auch das bisher kostenfreie Wertschriftendepot Geschichte, es soll dann pro Jahr 0,15 Prozent des Depotwerts Gebühren kosten.

Und erst im März halbierte die Bank den Freibetrag, ab dem Negativzinsen fällig werden, von 500 000 auf 250 000 Franken. Dass dabei der Strafzins von 1 auf 0,75 Prozent gesenkt wurde, dürfte die Kundinnen und Kunden kaum trösten. Angesichts der Verschlechterung der Konditionen verlor Postfinance in den vergangenen zwölf Monaten rund 70 000 Kunden. Sollten die Preise weiter steigen, dürfte sich der Exodus noch beschleunigen. Das ist den Verantwortlichen sogar recht. Denn aufgrund ihrer grossen Bilanz und ihrer zentralen Rolle im Zahlungsverkehr hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) Postfinance für «systemrelevant» erklärt. Die Folge: Postfinance muss ihre Bilanz und ihre Eigenmittel um 3 Milliarden Franken stärken.

Streitfall Grundversorgung

Die Hoffnung: Sollten noch mehr Kunden Postfinance den Rücken kehren und ihre Spargelder mitnehmen, schrumpft die Bilanz und damit der zusätzliche Eigenmittelbedarf. Ohne neue Gewinnquellen wie der Vergabe von Hypotheken ist unklar, woher das Geld zur Kapitalstärkung kommen soll.

Ein wahrer Klotz am Bein ist zudem der Grundversorgungsauftrag, welchen die Postfinance erfüllen muss. Diesen hatte das Parlament per Anfang 2020 sogar noch verschärft. Bisher galt, dass eine Bareinzahlung in der Poststelle für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb 30 Minuten möglich sein muss. Neu gilt eine Frist von 20 Minuten.

Letztlich wickelt die Post mit ihren Geschäftsstellen im Auftrag der Postfinance diese Bargeldzahlungen ab. Postfinance vergütet ihre Mutter dafür, laut Insidern kostet sie das 300 Millionen Franken im Jahr.

Die Coronakrise hat aber dazu geführt, dass weniger mit Bargeld bezahlt wird. Mangels Nachfrage streichen mehr Banken das Angebot von Bargeldtransaktionen aus den Filialen. Daher empfinden die Verantwortlichen bei Postfinance den teuren Grundversorgungsauftrag als zunehmend obsolet.

Doch diesen Service public zu streichen, dürfte im Parlament noch weniger Chancen haben, als Postfinance den Einstieg ins Kreditgeschäft zu erlauben.

Stichwörter: Post, Postfinance, Kredit

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