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Postautoaffäre

Politik stellt Boni der Postchefs in Frage

Nun nimmt das Parlament den Postauto-Skandal unter die Lupe. Ein Bundesamt räumt vorsorglich Fehler ein. Und noch sind die Folgen dieses einzigartigen Falls in der jüngeren Schweizer Geschichte unklar.

Symbolbild: Keystone

Christoph Lenz
und Rita Flubacher

Die Tragweite der Postauto-Affäre lässt sich auf unterschiedliche Weise messen. Anhand der Subventionen, die Postauto erschwindelt hat: rund 100 Millionen Franken. Anhand der dafür notwendigen Fehlbuchungen: rund 200 000. Oder anhand der Köpfe, die schon gerollt sind: rund ein Dutzend, Tendenz steigend.

Dass es sich um einen einzigartigen Skandal in der jüngeren Schweizer Geschichte handelt, zeigt sich aber auch an der Entschlossenheit, mit der Bundesparlamentarier jetzt die politische Aufarbeitung angehen. Noch vor den Sommerferien müssen Bundesrätin Doris Leuthard und Postpräsident Urs Schwaller im Bundeshaus erstmals Rede und Antwort stehen. Es dürfte der Auftakt zu einem regelrechten Spiessrutenlauf durch die Kommissionen werden.

 

Gab es doch Boni-Profiteure?
Im Kern lastet die politische Aufarbeitung des Postauto-Skandals aber auf fünf Ständeräten, die alle der Geschäftsprüfungskommission angehören und für die Oberaufsicht über das Verkehrsdepartement von Doris Leuthard zuständig sind. Der Präsident dieser Gruppe, SP-Ständerat Claude Hêche, machte gestern Abend deutlich, dass es für die Politik nicht nur um eine Interpretation der seit Anfang Woche vorliegenden Postauto-Berichte geht. So will Hêche auch den bisher nicht ausgeleuchteten Zeitraum vor 2007 untersuchen, als sich die widerrechtlichen Mauscheleien bei Postauto etablierten. Er wolle wissen, wann es damit angefangen habe, so Hêche. Erst wenn dies klar sei, könne man das finanzielle und das personelle Ausmass dieser Affäre wirklich beurteilen.

Eigenständige Untersuchungen kündigt Hêche auch bei der brisanten Boni-Thematik an: Doris Leuthard und Urs Schwaller hatten am Montag zwar beteuert, bei der Post habe niemand einen finanziellen Nutzen aus dem Subventionsbetrug gezogen. Für Hêche ist die Sache aber damit nicht erledigt: Er wolle sich vergewissern, ob Postchefs mit Boni von den überhöhten Postauto-Gewinnen profitiert hätten und, wenn ja, ob eine Rückzahlung möglich sei.

 

Eine Warnung ohne Folgen
Besonders aufmerksam wird sich das Gremium zudem mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) auseinandersetzen. Dieses war bereits vor rund sechs Jahren vom Preisüberwacher auf die hohen Gewinne von Postauto im subventionierten Geschäft hingewiesen worden. Das Bundesamt von Direktor Peter Füglistaler ging den Hinweisen jedoch nicht auf den Grund. Ein grosses Versäumnis: «Es ist schwer verständlich und nicht nachvollziehbar, dass das BAV untätig blieb», heisst es im Bericht der drei externen Experten zur Postauto-Affäre. Auch Hêche ist darüber erschüttert. «Wir müssen in Erfahrung bringen, wer seitens des BAV von den Hinweisen des Preisüberwachers wusste und wie diese Information im Amt behandelt wurde», sagt er.

Beim Bundesamt für Verkehr will man den Vorwurf aber nicht auf sich sitzen lassen. Man habe die Hinweise des Preisüberwachers auf die Gewinne von Postauto sehr ernst genommen und sei ihnen nachgegangen, schreibt das BAV in einer Stellungnahme. Ein Grund dafür, dass die Postauto-Berichte hart mit dem Bundesamt ins Gericht gehen, ist wohl auch, dass das BAV in den letzten Monaten gar nicht darlegen konnte, was es in dieser Sache unternommen hatte. Zugleich gesteht das BAV ein: «Rückblickend betrachtet hätte das BAV den Hinweisen noch hartnäckiger nachgehen sollen, wobei offenbleibt, ob die Umbuchungen entdeckt worden wären.»

Die Aufseher des Bundes vertrauten offenbar darauf, dass die Post beherzigte, was ihr an einer Sitzung vom 26. November 2012 vom BAV und vom Verkehrsdepartement im Beisein von Postchefin Susanne Ruoff in Erinnerung gerufen wurde: Die branchenübliche Rendite im abgeltungsberechtigten Verkehr ist gleich null. Nur kurze Zeit später erteilte die Post Postauto den Auftrag, die unerlaubten Gewinne über neue Strukturen zu sichern.

Dass die Rechnungsverantwortlichen bei Postauto eher leichtes Spiel mit den Aufsehern hatten, wird im Untersuchungsbericht der Kanzlei Kellerhals & Carrard an mehreren Stellen deutlich.

So verweigerte Postauto immer mal wieder die Herausgabe von Dokumenten an die Kontrolleure des BAV. Was die Frage nach sich zieht, weshalb das BAV nicht dezidierter auftrat. Aus dem Amt ist zu vernehmen, dass man über keine Druckmittel (zum Beispiel Beschlagnahme) verfüge. Ultima Ratio wäre, die Postauto-Jahresrechnung nicht zu genehmigen. Zu dieser Methode griff das Amt tatsächlich, aber erst einige Jahre später.

 

Fehlten die Ressourcen?
Auffallend ist, dass das Amt personell eher karg aufgestellt ist. So sind für die jährliche Genehmigung der Jahresrechnungen der beaufsichtigten Unternehmen 15 Personen zuständig. Für die zweijährliche vertiefte Prüfung sind es gerade einmal vier Personen.

Zum Kundenkreis dieser Revisoren gehören SBB, BLS und gegen 150 weitere Transportunternehmen. Auf die Frage, ob er nicht mehr Personal benötige, zeigte sich BAV-Direktor Peter Füglistaler in einem Medienbeitrag in diesem Frühjahr noch skeptisch: Wenn das BAV ausbaue, werde auch die Gegenseite aufrüsten.

Das Bundesamt betont in seiner jüngsten Stellungnahme zu den Vorwürfen im Expertenbericht Donatsch, dass es keine Anhaltspunkte für ein persönliches Verschulden von BAV-Mitarbeitenden gebe. «Die Verschleierung der Gewinne durch Postauto erfolgte so systematisch, dass sie von aussen praktisch nicht erkennbar war.»

Stichwörter: Wirtschaft, Postauto, Skandal

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