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Werbebranche

Radeln, werben, Geld verdienen

Das Start-up Working Bicycle expandiert nach Biel. Es spannt Velofahrende für Werbezwecke ein und will weiter so stark wachsen wie bisher.

Mini-Plakate auf der Gepäckträgerbox: Das ist die Geschäftsidee von Working Bicycle. Bild: zvg

Tobias Graden

Velo fahren und damit Geld verdienen: Mit diesem einfachen Versprechen lockt das Start-up Working Bicyle nun auch in Biel. Gut, ein kleines bisschen mehr Gegenleistung ist nötig. Velofahrerinnen und Velofahrer lassen auf dem Gepäckträger ihres Fahrrads eine Holzbox montieren. Sie können diese als Stauraum nutzen, gleichzeitig ist sie mit Werbung beklebt. Wer mindestens zehn Kilometer pro Woche diese Werbung durch die Stadt fährt, erhält dafür 22.50 Franken.

70 Anmeldungen bislang

Mit dieser Geschäftsidee ist Working Bicycle 2018 als GmbH gestartet. Die drei Gründer Luca und Patrick Tschudi und Jérôme Huber haben sich in Brugg AG am Berufs- und Weiterbildungszentrum kennengelernt, sie haben eine Banklehre absolviert. Doch mittlerweile arbeiten sie für ihr Unternehmen, das sie in der Zwischenzeit in eine Aktiengesellschaft umgewandelt haben und das weiterhin den drei Gründern gehört.

Das Start-up wächst: Diese Woche hat die neunte Mitarbeiterin angefangen, Ende Jahr sollen es zwölf sein. Mit dem Wachstum einhergeht die geografische Ausbreitung: Neben weiteren Städten, in denen Working Bicycle neu aktiv ist, kommt nun Biel hinzu. Bereits hätten sich hier gegen 70 Velofahrerinnen und -fahrer angemeldet, sagt Mitgründer Huber, die erste Kampagne werde im April starten.

Fahrten werden überwacht

Damit die Werbekunden sichergehen können, dass ihre Kampagne auch «ausgefahren» wird, hat Working Bicycle Massnahmen getroffen: Die Box, die in einem Fachgeschäft angebracht wird, ist plombiert. Sie kann also nicht selber demontiert werden. Und die Fahrenden lassen sich auf ihren Routen mittels einer eigens programmierten Sport-App überwachen. So ist sichergestellt, dass sie auch die wöchentliche Mindeststrecke abradeln. Der Auftraggeber erhält die zurückgelegten Routen konsolidiert in einer Stadtkarte zugespielt. So kann er sicher sein, dass seine Kampagne im öffentlichen Raum sichtbar ist.

Provoziert solche Überwachung denn keine Skepsis? Jérôme Huber beschwichtigt: «Wir agieren im Einklang mit dem Datenschutzgesetz. Die Daten werden komplett anonymisiert, es sind keine Rückschlüsse auf die einzelnen Fahrer möglich.» Negative Rückmeldungen seien bislang jedenfalls keine eingegangen, im Gegenteil: «Schweizweit machen mittlerweile 6000 Menschen mit, jede Woche kommen derzeit 200 hinzu.»

«Biel ist eine Velostadt»

Dabei dürfte helfen, dass die Velofahrerinnen wählen können, welche Kampagnen sie ausfahren wollen und welche nicht. «Working Bicycle ist auch eine Plattform», sagt Jérôme Huber. Die App diene auch als Sport-Gadget, ein Zwang soll für niemanden bestehen.

Ein Blick auf die Kundenliste von Working Bicycle zeigt, dass bislang zu einem guten Teil NGOs und Akteure aus dem Bildungs- oder Kulturbereich mit den Veloboxen geworben haben. Hinzu kämen lokale Akteure wie Hotels oder Tourismusorganisationen, aber auch national bekannte Unternehmen, sagt Huber. Für Politkampagnen habe es bislang keine Umsetzung gegeben – Working Bicycle sei aber für alle Kunden offen, solange keine sexistischen Inhalte transportiert würden oder etwa für Waffen geworben werde.

In Biel sieht Jérôme Huber grosses Potenzial. «Wir zählen Biel zu den Velostädten», sagt der 22-Jährige, «mindestens 300 Fahrerinnen und Fahrer wollen wir uns hier erschliessen.» Erfahrungswerte zeigten, dass dies gut möglich sei: So machen im deutlich kleineren Aarau bereits 500 Personen mit.

Dabei arbeitet Working Bicycle in der Region Biel-Solothurn mit der Bieler Stiftung Battenberg zusammen. Diese baut die Birkenholzboxen zusammen, lagert sie, beklebt sie mit der Werbung. Am Ende einer Kampagne geben die Teilnehmer die Boxen wieder ab, die Stiftung Battenberg bereitet diese dann für die nächste Kampagne vor.

Pro Velo ist neutral

Braucht es denn zwingend noch mehr Werbung im öffentlichen Raum und müssen dafür Velofahrerinnen eingespannt werden? Genau solche Fragen hat der Verband Pro Velo Biel-Seeland diese Woche an einer Vorstandssitzung diskutiert, denn er war von Working Bicycle kontaktiert worden. Die Meinungen im Vorstand gingen auseinander, sagt Geschäftsleiter Matthias Rutishauser, man habe dann quasi «Stimmfreigabe» beschlossen: «Wir unterstützen Working Bicycle nicht aktiv, denn es ist nicht unsere Kernaufgabe, jeglichen Akteuren zu helfen, mit dem Velo fahren Geld zu verdienen.» Pro Velo sei aber auch nicht gegen diese Art der Werbung: «Wenn jemand deswegen mehr Velo fährt, ist das sicher gut», sagt Ruishauser, «ob dies dann auch der Fall ist, wird sich zeigen.»

Working Bicycle jedenfalls will so rasch wie möglich wachsen, bis Anfang April will das Unternehmen in 18 Städten in der Deutschschweiz und der Romandie präsent sein. «Wir wollen sehr rasch vorwärtskommen», sagt Huber, «auch, um uns vor Nachahmern zu schützen.» Das Unternehmen ist bis jetzt eigenfinanziert; wann die Gewinnschwelle erreicht werden soll, darüber macht Huber keine Angaben.

Mehr Verdienstmöglichkeiten verspricht Huber jenen Fahrerinnen und Fahrern, die mehr fahren als die eher bescheidenen zehn Kilometer pro Woche – eine Anpassung sei angedacht. Wer hingegen weniger fährt, dem wird dies schon heute anteilsmässig von der Vergütung abgezogen.

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