Sie sind hier

Abo

Marketing

Seeländer Influencer zeigen Köpfchen

Die Artworth Brothers aus dem Seeland haben sich mit ihrem Instragram-Account einen Namen gemacht. Nun reicht ihr Geschäft schon bis nach China.

Bild: Screenshot

Manuela Schnyder

In der frisch eingerichteten Wohnung in Worben stehen erlesene Kunstgegenstände und stilvolle Möbelstücke, darunter ein Whisky-Regal und eine Barista-Theke. «Ich habe mir Latte-Art per Youtube beigebracht», sagt Vasco Branschi und meint damit die kreativen Zeichnungen auf der Milchschaumoberfläche von Espresso-Getränken. In schickem Anzug und Krawatte und hochwertiger Uhr am Handgelenk serviert er den Capuccino mit einer gekonnt gezeichneten Blumenblüte. Das ist der Gentlemen-Lifestyle, den er zusammen mit seinen Freunden Thierry und Thomas Moser auf seinem Instragram-Account vermitteln will. Auf ihren Fotos posieren sie in massgeschneiderten Anzügen, mit teurem Gin oder exquisitem Kaffee in der Hand, vor Sportwagen oder mit Luxusuhren. Der Account kommt an.

Jüngst hat er die Marke von 100000 Followern geknackt. Ob das viel ist? «Ja, in der Schweiz schon», sagt Branschi. «Und das ganz ohne gekaufte Follower».

Viel Inspiration nötig
Dass ihre Gemeinschaft so stark gewachsen sei, habe viel mit Arbeit und Leidenschaft zu tun, sagt Branschi weiter. Jeden Tag würden sie mindestens ein Foto auf ihrem Profil hochladen. Dafür müsse man sich Zeit nehmen, kreative Ideen entwickeln, Fotoshootings machen, Geschichten ausdenken. Sie haben sich eine Drohne und professionelle Fotoapparate zugelegt. Zudem konnten sie auf ihren Freundeskreis zählen, der sie oft zu Fototerminen begleitete. Neben den Schnappschüssen für ihre Seite sei auch die Interaktion mit ihrer «Community» wichtig gewesen und sei es immer noch. Bis zu 15 Anfragen beantworten sie täglich. Welche Anzug-Kombi sie beispielsweise für Hochzeiten empfehlen würden oder für das Vorstellungsgespräch? Nur wenn sie ihre Gemeinschaft pflegen, würden sie ernst genommen und an Reichweite gewinnen. Und das wiederum mache es für die grossen Marken interessant, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Auf der Liste der bisherigen Partner stehen in der Tat sehr grosse Namen, darunter die Schmuck- und Luxusuhrenmarken Longines und Jaeger-LeCoultre oder der Chocolatier Läderach. Weil Instagram so viele Nutzer zählt, setzen Firmen immer öfter auf sogenannte Influencer, also Personen, deren Fotos regelmässig von vielen Nutzern angeschaut werden, um ihre Produkte zu bewerben.

«Wir vermarkten die Produkte nicht nur, wir sind auch wirklich Fans davon», sagt Branschi weiter. Im Team werde jeweils entschieden, mit welchen Produkten sie sich auf ihrem Profil präsentieren wollen. Gerade bei Produkten, in denen Schweizer Unternehmen stark sind, wie etwa bei Uhren und Schokolade, kämen nur hiesige Marken in Frage. Wie viel die Firmen für die Vermarktung ihrer Produkte auf Instragram bezahlen, wollen die beiden nicht sagen. Behalten könnten sie die teuren Uhren nicht, sagt Branschi und schmunzelt.

«Kopflose» Bilder
Auf den Fotos sind die drei jungen Herren jeweils nur kopflos zu sehen. Der Fokus sollte von Anfang klar auf der Kleidung, den Uhren oder der Autos liegen. Entstanden ist die Idee im Büro von Vasco Branschi. Er habe bei seiner Arbeit auf der Bank in Anzügen gearbeitet und dabei viel Wert auf stilvolle Kombinationen von Mustern, Farben und Stoffen gelegt. Eine Arbeitskollegin habe ihn ermutigt, seinen Stil auf Instragram zu präsentieren. Fasziniert von der Idee beteiligten sich auch die guten Freunde Thierry und Thomas Moser, die bei ihrer Arbeit auf der Bank und im Autoverkauf ebenfalls in Anzügen auftreten.

Seit 2018 ist der Name Artworth Brothers nicht nur ein Profil, sondern ein Unternehmen. Kunst, Wertigkeit und Familiengefühl soll der Name vermitteln, der bei einem gemeinsamen Brainstorming zustande kam. Die Firma ist als GmbH organisiert. Thierry Moser arbeitet Vollzeit für das Jungunternehmen, während Branschi und sein Bruder noch zu 80 Prozent bei der Bank und im Autoverkauf arbeiten. Viel verdienen die jungen Geschäftsleute mit der Firma also noch nicht, doch es scheint aufwärts zu gehen.

Ein Team in Shanghai
Die drei Seeländer haben ihr Geschäftsfeld erweitert und sind ambitioniert. Auf einer knapp 30-seitigen Powerpointpräsentation zeigen sie ihren Kunden, welche Dienstleistungen sie anzubieten haben und wie sie diese umzusetzen gedenken. Neben Produktplatzierungen auf ihrem eigenem Account führen sie beispielsweise auch Accounts für ihre Kunden oder erstellen für sie Influencer-Analysen. Sie hätten sich auf diesem Gebiet sehr viel Wissen und ein Netzwerk angeeignet, so dass sie ihren Kunden seriöse Influencer mit einer relevanten Reichweite vorschlagen könnten, die zu ihren Produkten passten und über die sie ihre Produkte vermarkten könnten, sagt Moser.

Der neueste Coup der Seeländer ist die Vernetzung mit der chinesischen Social-Media-Szene. Er sei im Austausch in Hong Kong gewesen und habe in Shanghai gearbeitet, wo er sich auf einer Marketingagentur ein Netzwerk aufgebaut hat, sagt Thierry Moser. Dort gebe es ja weder Instagram noch Facebook, aber Ähnliches. Nun hätten sie dort ein Team, das die Übersetzungen vornehme und die Posts auf den dortigen sozialen Medien streue. Dieses Angebot komme hier in der Schweiz gut an, vor allem bei Hotels. Ein aktueller Kunde sei das Grand Hotel Zermatterhof.

Das Seeländer Unternehmer-Trio setzt nun alles auf eine Karte. Der Instagram-Bereich sei in den traditionellen Firmen noch nicht ausgeprägt. Man wisse aber nicht genau, wo die Reise hingeht. Für die drei geht es nächste Woche jedenfalls erstmal nach Paris für ein weiteres bezahltes Foto-Shooting.

Nachrichten zu Wirtschaft »