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Energie

Solarindustrie in Thun lebt weiter

Patrick Hofers Firma 3S Solar Plus trotzt in Thun der Meyer-Burger-Tristesse. In übernommenen Hallen hält er mit der Produktion von Modulen den Traum der Energiewende am Leben.

Patrick Hofer-Noser macht mit 3S Solar Plus einen Neuanfang. Und es läuft, trotz Corona. Bild: Christian Pfander

Julian Witschi

Vor acht Jahren eröffnete Meyer Burger in Thun-Gwatt einen neuen Konzernsitz für rund 600 Arbeitsplätze. Der Maschinenbauer für die Solarindustrie boomte damals. Sein Gebäude mit grossen Glasscheiben und Solaranlagen in der Fassade sowie auf dem Dach war ein Aushängeschild für die Energiewende. Und dafür, dass die grüne Wirtschaft auch dem Kanton Bern viele neue Jobs bringen kann.

Doch Meyer Burger ist tief gefallen. Produziert wird inzwischen in Deutschland. Ein zweites Werk ist dort geplant, um mit neuartigen Solarmodulen die Pleite zu verhindern. In Thun arbeiten bloss noch etwa 60 Angestellte in der Verwaltung oder entwickeln Maschinen für die Verbindung von Solarzellen. Das Gebäude verkaufte Meyer Burger auf der Suche nach neuem Geld an einen Immobilienfonds.

In dem dreistöckigen Gebäude herrscht aber nicht einfach Tristesse. Schon am Eingang zeigt sich, dass die Thuner Solarindustrie weiter lebt. Acht Firmenlogos prangen auf einem Schild. Darunter sind mit Precision Surfacing Solutions (PSS) und 3S Solar Plus zwei Firmen, die Geschäftsbereiche von Meyer Burger übernommen haben.

 

Früh auf Corona reagiert

3S Solar Plus belegt einen grossen Teil des obersten Stockes und der Spedition im Erdgeschoss. Firmenchef Patrick Hofer-Noser führt zuerst vorbei an den Büros. Diese sind im Moment zwar weitgehend verwaist. Die Produktion läuft aber und war trotz der Pandemie nie unterbrochen. Erste Massnahmen gegen die Coronakrise traf Hofer bereits im Januar. Weil auch 3S Solar Plus chinesische Komponenten verwendet, erkannte er früh, was das Virus dort auslöst. Hofer kaufte vor den meisten anderen Masken und Desinfektionsmittel und vergrösserte den Lagerbestand.

Etwa 20 Mitarbeitende sind gerade daran, Solarmodule herzustellen. Gesamthaft beschäftigt die Firma rund 50 Angestellte. Das sind 20 mehr als beim Neustart vor zwei Jahren.

 

Zweite Montagelinie bestellt

Maschinen setzen im Takt Solarzellen hochpräzise nebeneinander. Von Hand löten Mitarbeiter die elektrischen Querverbinder an. Dann kommt Glas darauf, und schliesslich wird getestet, ob das fertige Solarmodul auch Strom produzieren kann. Eine zweite, stärker automatisierte Montagelinie ist bestellt.

3S Solar Plus stellt Indach- und Fassadenanlagen her. Das Solarmodul ersetzt den Ziegel respektive den Wandverputz. Verschiedenste Farben sind möglich. «Wir stellen Bauprodukte her. Anders gesagt, wir verkaufen keine Solarmodule, sondern Solardächer und -fassaden», erklärt Hofer. In diesem Geschäft sieht er eine lukrative Nische. Seine Module lassen sich einfacher einpassen und zuschneiden. Die dominanten chinesischen Firmen und künftig auch wieder Meyer Burger produzieren dagegen grössere, gerahmte Solarmodule, die auf Dächer hinaufmontiert oder für grosse Freiland-Kraftwerke verwendet werden.

 

Eine grosse Chance

«Unser Hauptkonkurrent ist der Ziegel», sagt Noser. Wer heute ein Ziegeldach baue und damit für Jahrzehnte diese Fläche nicht zur Stromproduktion nutze, der sollte für dieses Versäumnis eigentlich eine Bewilligung benötigen, findet der Solarpionier. Der 54-Jährige ist seit bald dreissig Jahren in der Branche tätig.

Die von ihm gegründete 3S Swiss Solar Systems ging an die Börse und wurde 2010 von Meyer Burger übernommen. Vor zwei Jahren hat er sie wieder herausgekauft. Er ist weiterhin Mehrheitsaktionär.

Geschäftszahlen legt 3S Solar Plus nicht offen. Die Firma sei gut finanziert, habe die Produktivität erhöht und einen profitablen Betrieb erreicht, sagt Hofer. Neu stellt sie auch Wärmekollektoren her. Und sie ist am EU-Projekt für noch effizientere Solaranlagen beteiligt.

 

Sein grosses Anliegen

Corona sieht er als grosse Chance für einen Schub bei der Energiewende. China habe vor zehn Jahren in der Finanzkrise die Solarenergie als Megatrend erkannt und konsequent gefördert. China dominiert den Weltmarkt heute zu über 90 Prozent. Wenn Europa nun die Massenproduktion zurückholen wolle, dann brauche es dafür einen europäischen Plan. «Ich würde das sehr begrüssen», sagt Hofer.

«Statt Fluggesellschaften mit Milliarden zu stützen, sollten wir die Wirtschaft klimafreundlich umgestalten», fordert der Mann, der früher die Exportplattform Cleantech Switzerland präsidierte. Eine nachhaltige Schweizer Wirtschaft ist ihm schon lange ein grosses Anliegen. «Ich will als Unternehmer Gutes tun und dabei Geld verdienen», sagte er einmal.

Die Dekarbonisierung, der Ausstieg aus fossilen Energien, sei für das Überleben des Menschen notwendig. Der Ausstoss von CO müsse viel teurer werden, appelliert Hofer an die Politik, die gerade über das CO-Gesetz berät.

Heute sei der Kauf von Solardächern zwar noch teurer als von Ziegeldächern. Aber die Rahmenbedingungen werden sich verändern, zeigt sich Hofer überzeugt. «Wärmepumpen, Elektroautos: Wir werden mehr Strom brauchen.» Mit seinem Unternehmen will er dazu beitragen, dass die Energiewende gelingt.

 

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PSS führt Meyer Burgers Stammgeschäft weiter

Die amerikanische Precision-Surfacing-Solutions-Gruppe (PSS) hat 2019 das Wafergeschäft von Meyer Burger übernommen und dafür 50 Millionen Franken bezahlt. Das entsprach etwa dem Jahresumsatz dieser Sparte. 100 Angestellte konnten wechseln, davon 70 in Thun.

Die so ausgegliederte Sparte fokussiert sich nun wieder auf das ursprüngliche Kerngeschäft der Meyer Burger, das Herstellen von Maschinen zum Trennen von harten und spröden Materialien. Meyer Burger hatte sich auf Diamantdrahtsägen für Siliziumscheiben spezialisiert, den Grundbestandteil von Solarzellen.

PSS beschäftigt am Standort Thun derzeit um die 60 Personen, wie General Manager Christoph Eggimann sagt. Corona macht der Firma natürlich auch zu schaffen. Aber erfreulicherweise werde gerade in Asien wieder investiert und Maschinen von PSS bestellt.

PSS ist weiter im Solargeschäft tätig, vor allem im Halbleiterbereich, in der Optik sowie in anderen Hightech-Industrien. Zurzeit ist laut Eggimann das Interesse speziell gross bei Kunden, welche Komponenten für 5G oder Elektroautos herstellen. PSS setzt auch in Zukunft auf den Standort Thun. jw

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