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Referendum

SP will Verrechnungssteuer an die Urne bringen

Parlament und Bundesrat wollen die Steuer in Teilen abschaffen. Die Sozialdemokraten wehren sich dagegen – die Partei spricht von einer «Einladung zur Steuerkriminalität».

Bild: Adrian Moser

Philipp Felber-Eisele

Noch ist das Geschäft nicht in trockenen Tüchern, doch klar ist jetzt bereits: Die SP ergreift das Referendum, wenn eine geplante Änderung im Steuerbereich nicht in letzter Minute gestoppt wird, wie sie nun erstmals ankündigte. Damit dürfte die Schweiz schon bald über ein weiteres Steuer-Referendum der SP abstimmen.

Im Oktober kam das Referendum gegen die Teilabschaffung der Stempelsteuer zustande, über das die Bevölkerung im kommenden Februar entscheidet. Nun geht es um eine gewichtige Änderung bei der Verrechnungssteuer. Und es geht vor ­allem um viel Geld, das künftig weniger eingenommen würde.

Die Verrechnungssteuer kennen viele wohl aus eigener Erfahrung: Sie wird unter anderem vom Zins auf Sparkonten abgezogen. Heisst: Wer 100 Franken Zins auf seinem Konto erhält, dem werden 35 Franken abgezogen. Wer sein Vermögen korrekt in der Steuererklärung angibt, erhält das Geld im Anschluss wieder zurück, meist verrechnet mit der Steuerschuld.

Der Zweck: So soll Steuerhinterziehung vermindert werden. Die Verrechnungssteuer wird aber nicht nur beim Sparkonto fällig, sondern etwa auch bei Zinsen für Obligationen für Firmen.

 

Werkplatz Schweiz soll gestärkt werden

Mit der Änderung soll die Verrechnungssteuer auf inländische Zinsen gestrichen werden. Aber nicht für die Gelder auf Bankkonti von natürlichen Personen, sondern für Obligationen. Heute weichen viele Schweizer Firmen der Verrechnungssteuer aus, indem sie Obligationen über ausländische Konzerngesellschaften ausgeben. Dies, weil die Rückforderung der Verrechnungssteuer mit Aufwand verbunden und nicht immer vollständig möglich ist.

Fällt nun die Verrechnungssteuer, werden diese Obligationen in Zukunft vermehrt in der Schweiz ausgegeben, so die Idee. Was am Ende der Wirtschaft ­helfe. Das ist die Haltung des Bundesrats und der Mehrheit des Parlaments. Mit der Aufhebung der Verrechnungssteuer auf Obligationen soll der Fremdkapitalmarkt in der Schweiz gestärkt werden.

Bundesrat Ueli Maurer sagte dazu in der Ratsdebatte vergangene Woche: Es gehe um den Werkplatz Schweiz, «um Unternehmen, die Fremdkapital brauchen und darum Emissionen ­tätigen. Wenn wir diesen Handel in der Schweiz nicht zu günstigen Bedingungen zulassen, dann findet er schlicht und einfach im Ausland statt.»

Die Reform landet nun aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Volk. Denn für die SP ist klar: Macht das Parlament nicht noch eine sehr unrealistische Kehrtwende, ergreift sie das Referendum. «Bei dieser Vorlage kommen verschiedene Ebenen zusammen, und sie ist Ausdruck einer neuen Arroganz der rechten Mehrheit», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.

Die SP führe seit Jahrzehnten den Kampf für eine Weissgeldstrategie. Seit der Bankenkrise gibt es dafür eigentlich einen breiten gesellschaftlichen Konsens: «Diese Änderung ist nicht anders zu verstehen als eine Einladung zur Steuerkriminalität. Das ist eine Ohrfeige für alle ehrlichen Steuerzahler, die als einzige auf ihrem Sparkonto weiterhin Verrechnungssteuer zahlen müssen», sagt Wermuth.

Zudem sei es ein weiteres Geschenk an die Grosskonzerne, die bereits in den letzten Jahren massiv entlastet worden seien. Genau jene also, die es nicht nötig hätten. Wermuth: «Die Bürgerlichen jammern heute wegen der Corona-Schulden, wenn es aber um Privilegien für ihre eigene Klientel geht, sind sie immer vorne dabei.»

 

Wie hoch sind die Mindereinnahmen?

Was Wermuth ebenso anspricht: Die Reform wird jährlich wiederkehrende Mindereinnahmen für den Staat mit sich bringen – also etwa Verrechnungszinsen, die nicht zurückgefordert wurden. Der Bundesrat spricht in seiner Botschaft von jährlich 170 Millionen Franken. Doch die Höhe dieser Mindereinnahmen ist umstritten. Der Bundesrat verweist darauf, dass die Höhe der Ausfälle mit steigendem Zinsniveau zunehme. Was das im Detail bedeuten könnte, führt er nicht aus.

Die 170 Millionen basieren auf den momentan tiefen Zinsen. Steigen die Zinsen, steigen die Ausfälle. Eine Berechnung, die die eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) machte, zeigt nun: Steigen die Zinsen auf ein Niveau von 3 bis 4 Prozent, sieht es plötzlich ganz anders aus.

Allein die Ausfälle der Verrechnungssteuer dürften dann bei 500 bis 550 Millionen Franken liegen. Dazu kommt noch eine Anpassung bei der Umsatzabgabe auf Schweizer Obligationen. Gleichzeitig hat der Nationalrat noch eine weitergehende Anpassung im Steuerbereich in die Reform gepackt, was in der bundesrätlichen Botschaft noch nicht berücksichtigt ist. Alles zusammen ergibt einen Ausfall von 600 bis 800 Millionen Franken, so die Berechnung der ESTV.

Verbunden mit den jährlichen Mindereinnahmen sind die Hoffnungen auf einen positiven Effekt. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Reform nach fünf Jahren die Mindereinnahmen anderweitig kompensieren kann. Dies, weil etwa Jobs in die Schweiz zurückkommen, wodurch die Wertschöpfung im Inland wegen der Reform steigt.

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