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Uhrenindustrie

Swatch Group vs. Tiffany & Co.: Anatomie eines Milliardendstreits

Mit dem Kauf der US-Luxusmarke Harry Winston durch die Swatch Group rückt wieder ein anderer Deal des Bieler Konzerns in den Mittelpunkt: die gescheiterte Kooperation mit dem US-Juwelier Tiffany & Co. Der Fall zeigt, wie in der Luxusbranche ein Rosenkrieg ausgetragen wird.

Audrey Hepburn in «Breakfast at Tiffany’s»: Der Film machte den New Yorker Edeljuwelier Tiffany & Co. einem breiten Publikum bekannt. Bild: Keystone

JON METTLER

Beim zweiten Anlauf klappt es hoffentlich: Um im lukrativen Schmuckmarkt gegen gewichtige Mitbewerber wie Cartier bestehen zu können, übernimmt die Swatch Group den amerikanischen US-Edeljuwelier Harry Winston. Eine Milliarde Franken lässt sich der weltgrösste Uhrenkonzern mit Sitz in Biel das Geschäft kosten, wie er diesen Monat ankündigte (siehe Kasten).

Schon im Jahr 2007 will die Swatch Group (Omega, Swatch, Tissot, Longines) zusammen mit dem renommierten US-Partner Tiffany& Co. den Geschäftsbereich Schmuckuhren für Damen stärken. Dazu gründet die Gruppe in Biel die Marke Tiffany Watch Co. Ltd, welche Luxusuhren herstellt und vertreibt. Die börsenkotierte New Yorker Uhren- und Schmuckkette soll an den Gewinnen beteiligt werden.

Grosse Erwartungen
Die Erwartungen sind hoch: «Die Swatch Group ist die denkbar beste strategische Partnerin für den schon seit geraumer Zeit geplanten aktiven Wiedereinstieg von Tiffany& Co. in den Uhrenmarkt», sagt damals Michael Kowalski, Verwaltungsratspräsident und Chef von Tiffany. Das Unternehmen erlangte Berühmtheit durch den Filmklassiker «Frühstück bei Tiffany» mit Audrey Hepburn.

Aus der Kooperation ist allerdings nichts geworden. Die Bieler liegen mit Tiffany& Co. in einem milliardenschweren Rechtsstreit. Beide Seiten lehnen es auf Anfrage mit Verweis auf das laufende Verfahren ab, über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren. Bekannt ist einzig, dass die Swatch Group die Zusammenarbeit mit Tiffany& Co. gekündigt und das Unternehmen auf Schadenersatz verklagt hat. Die Amerikaner reagierten mit einer Gegenklage.

Ein Drama in vier Akten
Um was es im Streit genau geht, zeigen Recherchen dieser Zeitung. So informiert Tiffany& Co. im August und November 2012 in Quartalsberichten («Form 10- Q») zuhanden der US-Börsenaufsicht SEC über den Konflikt. Es ist ein Drama in vier Akten. Der Schlussakt steht noch aus:

Im Juni 2011 strengen die Swatch Group und ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft Tiffany Watch Co. Ltd ein Schiedsverfahren gegen Tiffany& Co. an. Der Vorwurf lautet auf Bruch der Zusammenarbeitsverträge. Die Swatch Group macht Schadenersatz geltend. Die Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen sehen einerseits vor, gemeinsam das Uhrengeschäft zu entwickeln und zu kommerzialisieren. Andererseits regelt das Abkommen die Anforderungen in Bezug auf Geschäfts-, Marketing- und Markenführung. Schliesslich umschreibt es die Vorschriften für die Zuteilung der Gewinne.

Im September 2011 gibt die börsenkotierte Swatch Group öffentlich bekannt, dass sie die Zusammenarbeit mit Tiffany& Co. beendet.

Im Dezember 2011 macht die Swatch Group ihren Anspruch auf Schadenersatz in einer Klageschrift vor dem Schiedsgericht geltend. Konkret wirft die Uhrengruppe dem US-Partner vor, die Entwicklung von Tiffany Watch behindert und verzögert zu haben. Die Summe des Schadenersatzes beziffert die Swatch Group auf zwischen 73 Millionen und 3,8 Milliarden Franken.

Im März 2012 reicht Tiffany& Co. eine Gegenklage ein. Die New Yorker werfen der Swatch Group vor, nicht genug Ressourcen für Management, Vertrieb und Marketing der gemeinsamen Uhrenmarke zur Verfügung gestellt zu haben. So stuft das US-Unternehmen die Tantiemen an den verkauften Tiffany-Uhren als wenig «signifikant» ein. Der Anteil an den Nettoverkäufen in den eigenen Läden habe in den Jahren 2009 bis 2011 ein Prozent betragen. Tiffany& Co. verlangt Schadenersatz in einer Bandbreite von 120 Millionen bis 540 Millionen Franken.

Anhörung vor Schiedsgericht
Die erste Anhörung vor dem Schiedsgericht hat im Oktober 2012 stattgefunden. Das Gremium hat Zeugen angehört und weitere Kurzdarstellungen des Falls sowie zusätzliche Unterlagen verlangt. Die Beweisaufnahme soll Mitte Februar 2013 beendet sein. Wann das Gericht sein Urteil fällt, ist noch offen.

Das Gericht setzt sich aus drei Personen zusammen. Es orientiert sich an den Regeln des Niederländischen Schiedsinstituts (Netherlands Arbitration Institute, NAI). Diese halten in 67 Artikeln fest, wie das Schiedsverfahren geregelt ist. So können Kläger und Beklagte selber vor Gericht auftreten oder sich von Anwälten oder Dritten vertreten lassen. Das Gericht kann Zeugen befragen und Expertenmeinungen einholen. Die Kosten für das Verfahren trägt der Kläger. Im Falle einer Gegenklage muss sich auch der Beklagte an den Kosten beteiligen.

Schiedsverfahren unterscheiden sich gegenüber Gerichtsprozessen dadurch, dass sie nicht öffentlich sind. Geschäftspartner können so ihre Streitigkeiten diskret bereinigen.

Niemand sagt etwas
Zu den gegenseitigen Vorwürfen nehmen beide Parteien ebenfalls nicht Stellung. Aufseiten der Swatch Group lassen Konzernchef Nick Hayek und Verwaltungsratspräsidentin Nayla Hayek in Interviews mit der «Basler Zeitung» und der «Financial Times Deutschland» durchblicken, warum es zum Zerwürfnis gekommen ist. Aus Sicht der Geschwister Hayek zog Tiffany& Co. das Schmuckgeschäft dem Uhrenbereich vor und legte eher eine Buchhaltermentalität statt Unternehmergeist an den Tag.

Inwiefern die Swatch Group ihre Management- und Marketingaufgaben für die Uhrenmarke von Tiffany vernachlässigt haben soll, lassen die Amerikaner in ihrer Börseninformation offen. Ein Blick ins Handelsregister zeigt, dass sich fünf Verwaltungsräte und zwei operative Leiter um die Marke kümmerten. Tiffany& Co. war mit einem Verwaltungsrat im Aufsichtsgremium vertreten. Nayla Hayek leitete Tiffany Watch. Damit wollte die Swatch Group betonen, wie wichtig ihr die neue Marke ist.

Zum Vergleich: Die Marke cK Watch, eine Gemeinschaftsfirma der Swatch Group und des US-Modelabels Calvin Klein, wird ebenfalls von einem fünfköpfigen Verwaltungsrat beaufsichtigt. Die Geschäftsleitung besteht aus drei Personen. Die Swatch Group legt zudem in ihren Geschäftsberichten Wert darauf, die Präsenz der Marke Tiffany erhöht zu haben. Die Kollektion wurde um neue Modelle ergänzt. Das Vertriebsnetz wurde weltweit sukzessive durch neue Verkaufspunkte erweitert.

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