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Frankenstärke

Swissness – der Luxus im Exportgeschäft

Seeländer Exportfirmen stehen unter Druck. Viele greifen deshalb auf Produktionsstätten und Zulieferer aus dem Ausland zurück. Aber es gibt sie noch: Firmen, die bewusst auf die teurere Schweizer Qualität setzen.

Beim Automobilzulieferer Feintool AG in Lyss ist man sich sicher: «Aus der Region, für die Region» funktioniert hier nicht. Anita Vozza/a

Esthy Rüdiger

Das vergangene Jahr hat die Schweizer Wirtschaft in Schockstarre versetzt. Von einem Tag auf den anderen mussten exportabhängige Firmen ihre Strategie ändern, den Kampf gegen den starken Franken aufnehmen. Die Zahlen des ersten Quartals 2016 deuten zwar auf eine leichte Erholung hin, die Exporte stiegen arbeitstagbereinigt um 2,5 Prozent, branchenbedingt konnte die Chemie-Pharma-Industrie ihre Ausfuhren am deutlichsten steigern.

Trotzdem kann in einem Grossteil der exportabhängigen Firmen von Aufatmen keine Rede sein. Nicht nur, weil die Region um Biel stark mit der Uhrenindustrie verflochten ist und diese den grössten Exportrückgang seit 2009 verzeichnete. Auch bei den übrigen Unternehmen scheint die erhoffte Entspannung der Lage, wenn überhaupt, nur verzögert einzusetzen.

Nach wie vor stehen Firmen, die einen Grossteil des Absatzes im Ausland pflegen, unter Druck. Manche verlagern die Produktion oder zumindest Teile davon ins Ausland. Diese Strategie wählte etwa die Etampa AG in Grenchen, wie sie vergangenen Juni bekannt gab. Gleichzeitig teilte die Firma mit, zwischen sechs und sieben Stellen zu streichen.

Automatisierte Produktion

Der Lysser Automobilzulieferer Feintool federte die Frankenstärke mit einer Reihe von Massnahmen ab – auch mit Investitionen. Ein Stellenabbau im herkömmlichen Sinne wurde abgewendet. Hochqualifizierte Mitarbeiter im Kaderbereich seien in der Schweiz letztlich nicht viel teurer als im umliegenden Ausland, sagt Mediensprecherin Karin Labhart. Die Gehälter für einfachere Tätigkeiten hingegen lägen hierzulande ein Mehrfaches über den Kosten im Ausland.

«Deshalb sind wir gezwungen, unseren Produktionsstandort Lyss auf anspruchsvolle, hochautomatisierte Anwendungen auszurichten», so Labhart. Allein im letzten Jahr hat Feintool dafür 10 Millionen Franken investiert. Als Pufferzone dient Temporärpersonal. «Zudem wurden einige Mitarbeiter umgeschult», so Labhart.

Eine Produktionsverlagerung ins Ausland konnte aber nicht gänzlich abgewendet werden. «Einfachere Aufgaben», etwa die Produktion einfacher Feinschneidprodukte, mussten ins Ausland verlagert werden. Zudem wurde die Wochenarbeitszeit für die Schweizer Mitarbeitenden von Feintool auf 44 Stunden erhöht.

Wertschöpfung überarbeitet

Die Produktion ins Ausland zu verlagern war hingegen beim Bieler Edelmetall-Verarbeiter Cendres+Métaux zu keinem Zeitpunkt Thema. Vorläufig bestehen auch keine Pläne, dies zu ändern, wie Finanzchef Ralf Novacek sagt. Die Frankenstärke habe sich bei ihnen insbesondere auf die Margensituation negativ ausgewirkt. «Die Preise für den Export mussten wegen dem Franken punktuell angepasst werden», so Novacek.

Ausserdem befindet sich Cendres+Métaux derzeit in einem Programm zur Effizienzsteigerung der Produktion und der gesamten Wertschöpfungskette. Auch die Marktbearbeitung wird intensiviert: «Das Ziel ist, neue Kunden zu gewinnen», so Novacek.

Auch DT Swiss, Hersteller von Fahrradkomponenten, nahm in den vergangenen Monaten eine «Optimierung der Wertschöpfungskette» vor, wie es Daniel Berger, Mitglied der Geschäftsleitung und Marketing-Chef, bezeichnet. Im Zuge davon sei es zu einer «Verschiebung der Kapazitäten» in ihren Produktionsstätten gekommen. Diese befinden sich in Asien, in den USA, Polen und beim Hauptsitz in Biel. Das Unternehmen habe jedoch versucht, die Preise für die Kunden «so stabil als möglich» zu halten.

Anders als viele andere Firmen bemüht sich DT Swiss, seine Zulieferer zu einem Grossteil aus der Schweiz zu wählen. «Wir legen Wert auf langfristige Partnerschaften und prüfen jeden Partner genaustens auf höchste Qualität», sagt Berger. Daher werde das Unternehmen auch in Zukunft mehrheitlich bei Schweizer Zulieferern einkaufen.

Ähnlich sieht es Ralf Novacek von Cendres+Métaux: «Wo immer möglich, werden Schweizer Lieferanten berücksichtigt.» Dennoch fügt er an: «Um konkurrenzfähig zu bleiben, wählen wir die Lieferanten noch konsequenter nach dem Preis-Leistungsverhältnis aus.»

Lieferanten aus der Schweiz zu berücksichtigen und damit die regionale Wirtschaft zu stärken, ist aber mehr Luxus denn die Regel. Bei Feintool beschränken sich die Auswahlkriterien der Zulieferer auf Qualität, Zuverlässigkeit und Preis. «‹Aus der Region, für die Region› funktioniert in der sehr kompetitiven, globalen Automobil-Zulieferbranche leider nicht», so Mediensprecherin Karin Labhart.

Offene Stellen statt Abbau

Die Stimmung in der Export-Branche bleibt angespannt, davon zeugen die Effizienzsteigerungen und «Optimierungen» über die gesamte Wertschöpfungskette der Firmen. Auch Daniel Berger von DT Swiss spricht von einer «enormen Herausforderung». DT Swiss habe sich mit den genannten Massnahmen aber bereits erfolgreich angepasst, ohne auf Schweizer Zulieferer verzichten zu müssen.

Auch bei Feintool scheinen die Effizienzmassnahmen ihre Wirkung zu zeigen: Ein Stellenabbau in der Lysser Produktion sei nicht geplant, im Gegenteil. «Momentan werden sogar noch Mitarbeiter gesucht», so Labhart.

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