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Uhrenbranche

Totgesagte leben länger

Wer hätte das gedacht: Die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld will nächsten Frühling auferstehen – mit neuem Konzept, neuer Ausrichtung und als reine Businessangelegenheit.

Michel Loris-Melikoff, Messeleiter: "Die neue Show soll mehr Rock'n'Roll sein." Bild: zvg

Tobias Graden

Einst war sie der jährliche Mittelpunkt der gesamten Uhrenbranche: Die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld. Die Bauten der wichtigsten Aussteller in der Halle 1.0 waren nicht profane Stände, sondern pompöse Paläste, in deren labyrinthartigen Innenräumen Hersteller und Händler aus aller Welt den grössten Teil ihres Jahresgeschäfts abwickelten. Immer mehr Aussteller, immer mehr Besucher, immer mehr Luxus: Unterbrochen einzig von der Sars- und der Finanzkrise, schien für die Baselworld lange einzig der Himmel das Limit zu sein – symbolisiert durch die runde Öffnung im Neubau, der den Basler Messeplatz überspannte, gebaut von niemand Geringerem als Herzog & De Meuron.

Doch zwei Faktoren führten in der zweiten Hälfte der Zehnerjahre zum Niedergang: ausufernder Gigantismus und die Veränderung des Marktes. Die Kosten für eine Teilnahme in Basel wurden für die Marken immer höher – nicht nur die Preise an der Messe selber und der Umgang der Messeleitung mit den Ausstellern sorgten zunehmend für Kritik, auch die Hotellerie in Basel stiess zunehmend auf Unmut, zockte sie doch ihre Kunden in der Messezeit regelrecht ab. Gleichzeitig passte das althergebrachte Konzept einer traditionellen physischen Messe immer weniger in eine Gegenwart des digitalen Marketings, des Onlinehandels, aber auch zum Umstand, dass vor allem grosse Marken immer mehr Bereiche der Distribution in ihre eigenen Hände nahmen.

Als sich die Swatch Group 2018 von der Baselworld zurückzog – nicht als erster, aber als der grösste Aussteller im Uhrenbereich –, musste die alte Messeleitung abtreten. Der neue Leiter Michel Loris-Melikoff versuchte zu retten, was zu retten war. Vorerst mit wenig Erfolg, etablierten sich doch zunehmend die Konkurrenzveranstaltungen in Genf. Als schliesslich noch die Coronakrise über die Welt hereinbrach, hätte wohl niemand mehr viel Geld auf eine Wiederauferstehung der Baselworld, die zwischenzeitlich in «Houruniverse» umgetauft wurde, gewettet.

Mit Genf koordiniert

Doch Totgesagte leben länger. Gestern hat Michel Loris-Melikoff die Pläne für die neue Baselworld – der Name «Houruniverse» ist bereits wieder Geschichte – vorgestellt. So unvermittelt, dass offenbar die eigene Organisation davon überrascht wurde, präsentierte sich doch die Website der Messe zunächst noch im alten Gewand. Dabei wird sehr vieles sehr neu, auch der visuelle Auftritt. Die neue Bildsprache kommt deutlich nüchterner daher, das neue Logo zeigt einen Kreis, der nicht geschlossen ist – ein Symbol für die Offenheit, wie Michel Loris-Melikoff gestern an einer Online-Pressekonferenz sagte.

Neu ist zum Beispiel das Datum: Die Baselworld wird vom 31. März bis 4. April 2022 stattfinden, parallel zu den Uhrensalons in Genf. Es war dies eines der oft geäusserten Bedürfnisse der Branche – die internationalen Besucher brauchen so bloss einmal in die Schweiz zu reisen, nicht an zwei verschiedenen Daten. Weitere Kooperationen zwischen Genf und Basel sind noch nicht spruchreif, doch wo ein Bedürfnis sei, würden sich Lösungen finden, so Loris-Melikoff, etwa was den Transfer zwischen den beiden Städten betreffe.

Da das Luxussegment der Branche mittlerweile grossteils in Genf an die Schau geht, hat die Baselworld dieses aus seinem Fokus gestrichen. Die neue Messe werde sich aufs «mittlere Luxussegment» fokussieren, lautet die offizielle Sprachregelung. Der Messeleiter betont jedoch, dass grundsätzlich alle Marken willkommen seien. Die früheren Stand-Paläste sind jedoch passé. Diese hätten nämlich nicht nur die Kosten für die Aussteller in siebenstellige Höhen getrieben, sondern mit der Zeit auch den Return on Investment für die Messe selber erschwert. «Die Coronakrise brachte es mit sich, dass weniger Geld fürs Marketing vorhanden ist», konstatiert Loris-Melikoff, «also müssen wir es den Marken einfacher machen, nach Basel zu kommen.»

Das bedeutet: Die Quadratmeterpreise sollen nicht mehr auf dem (teuren) Niveau von früher sein. Eine physische Präsenz in Basel soll ab 20 000 Franken möglich sein, unter Umständen geht es auch günstiger. Einerseits signalisiert die Messeleitung grundsätzlich Gesprächsbereitschaft, anderseits gibt es beispielsweise die Sektion «Incubators», die 2019 erstmals lanciert wurde. Sie steht jungen Marken zur Verfügung und ermöglicht ihnen eine Messepräsenz für unter 5000 Franken. Die 20 Stände waren bei der letzten Durchführung (2020 fand wegen Corona keine Messe statt) innert 20 Minuten ausverkauft.

300 Aussteller avisiert

Auch im Umfeld der Messe – etwa in der Hotellerie – sollen die Preise sinken. «Wir haben viel Zeit investiert, die Gastfreundschaft in Basel zu verbessern», versichert Michel Loris-Melikoff. Dabei habe die Coronakrise geholfen: «Es war einfacher, die Akteure zu überzeugen, dass es ein neues Mindset braucht.»

Ziel ist es, die neue Baselworld mit etwa 300 Ausstellern starten zu können, unter denen sich zu je ungefähr einem Drittel auch weiterhin Firmen aus der Schmuck- und Edelsteinbranche befinden. Wer mitmachen wird, kann Michel Loris-Melikoff noch nicht sagen. Der Verkaufsprozess starte erst jetzt, und dann sei es an den jeweiligen Marken selber, ihre Präsenz zu kommunizieren. Mit der Swatch Group etwa stehe er regelmässig in Kontakt, so Loris-Melikoff. Genauere Angaben zu diesen Gesprächen könne er aber nicht machen, da dies nicht mit Nick Hayek vereinbart sei. Anschliessend wolle die Baselworld organisch wachsen.

Die Messe findet aber nicht nur an einigen Tagen in Basel statt, sondern – neben offenbar geplanten, aber noch nicht näher spezifizierten Aktionen in Asien und den USA – übers ganze Jahr auch digital. Die Baselworld bietet ihren Kunden eine Plattform, welche die beiden Sphären verbinden will. «Wir sind die erste unabhängige Plattform, die digitale und Live-Events verbindet», heisst es dazu in der gestrigen Medienmitteilung. Die digitale Plattform wird im Herbst lanciert, die Präsenz darauf kostet 5000 Franken im Jahr. Es sollen «neue Instrumente für die Kreation von Inhalt zum Einsatz kommen». Diese sollen eine «maximale Erfahrung» von «Touch and Feel» erlauben und die Möglichkeit zum Ausbau von Netzwerken bieten. Ziel ist es, möglichst viele Akteure aus der ganzen Branche darauf zu vereinen.

Das Alte gibt es nicht mehr

Insgesamt sei die neue Baselworld, die sich nur noch an Branchenteilnehmer richtet, das Resultat zahlreicher Gespräche in der Branche, so Michel Loris-Melikoff. Die Rückmeldungen seien mehrheitlich positiv: 80 Prozent jener Akteure, mit denen man sich ausgetauscht habe, zögen eine Teilnahme an der Baselworld in Betracht. Die Transformation benötige aber Zeit. Loris-Melikoff verweist auf den ursprünglich gesetzten Zeithorizont, der einen Rahmen bis 2023 setzt. Klar ist: Die alte Baselworld, «das, was die letzten 20, 30 Jahre war», die gibt es nicht mehr.

Eine Frage, die in der Online-Pressekonferenz gestellt wurde, bleibt aber vorerst unbeantwortet: «What’s the price for a Bratwurst?», wollte ein Teilnehmer wissen. Einen weiteren Hinweis auf die neue Baselworld gab dafür der Messeleiter mit folgender Aussage: «Ich mag Rock’n’Roll. Die neue Show soll mehr Rock’n’Roll sein.»

Stichwörter: Uhrenbranche, Basel World

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