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Medizinische Ästhetik

Unter den Beauty-Studios 
gibt es schwarze Schafe

Angesichts von Corona haben Beauty-Behandlungen einen regen Zulauf, unter anderem jene mit Botox und Hyaluron-Fillern. Zunehmend bieten das auch regionale Kosmetikstudios an.

Symbolbild: Keystone

Manuela Schnyder

Der Zeitpunkt für eine Schlupflidbehandlung, eine Brustvergrösserung oder eine Nasenkorrektur könnte nicht besser sein als jetzt. Im Homeoffice sieht keiner Schwellungen, Rötungen oder Blutergüsse im Gesicht: «Die Leute haben jetzt weniger Angst, sich bei ihren Kollegen oder dem Chef gegenüber erklären zu müssen», bestätigt Raphael Wirth, Facharzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie in Biel. Zudem haben die Kunden auch mehr Zeit und Geld, da viele auf Ferien verzichten und auch sonst wenig unternehmen: «Am Liebsten würden alle gleich sofort kommen, während es vor Corona sehr viel schwieriger war, einen Termin anzusetzen», sagt Daniel Knutti, ebenfalls ein Facharzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie.

Die Nachfrage nach chirurgischen Schönheitsbehandlungen hat daher zugenommen, wie die beiden Plastiker bestätigen. Gleichzeitig bleiben die Operationskapazitäten aber beschränkt, was sich nun vor allem in längeren Wartezeiten auswirkt, die aktuell bei acht Wochen liegen. Zugenommen hat angesichts der Pandemie auch der Wunsch nach Beratungen per Skype und Videokonferenz, wie Daniel Knutti sagt. Dagegen sei und bleibe ein chirurgischer Eingriff kein Schnellschuss, den man jetzt habe, weil der Moment gut sei: «Das ist nicht wie Schuhe kaufen – eine Operation will gut überlegt sein», sagt Wirth.

 

Ärger über Kosmetikstudios

Einen etwas stärkeren Zulauf von Patienten haben die so genannten minimal-invasiven Behandlungen, also zum Beispiel die Behandlung von Falten mit Botulinumtoxin, bekannt als Botox, und Unterspritzungen mit Hyaluron-Fillern zur Lippenvergrösserung und Gesichtsmodellierung. «Wie alle Kosmetikgeschäfte hatten wir Anfang 2020 den Kosmetikbereich geschlossen, gegen Ende 2020 ist die Nachfrage wieder erheblich angestiegen», sagt Wolfgang Alexander Deglmann , Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Medizinische Kosmetik in Biel. Vermehrt behandelt der Hautarztspezialist auch Patienten, die in ihrer Vorgeschichte eine falsche kosmetische Behandlung erhalten haben: «Kosmetikerinnen haben nicht die Ausbildung, um gefährliche Hautregionen zu erkennen oder Komplikationen wie Entzündungen oder Unterspritzungen nachzubehandeln», sagt Deglmann. So ist das Spritzen von Hyaluronsäure nicht ungefährlich. Eine unprofessionelle Behandlung könne Langzeitschäden verursachen, warnt er. Demnach bieten immer mehr Kosmetikstudios auch minimal-invasive Behandlungen an: «Wenn man durch Biel geht, sieht man ganz viele Kosmetikstudios, die mit Hya-luronsäurebehandlungen werben. Ganz viele Kosmetikerinnen machen das aber illegal», sagt etwa auch Raphael Wirth.

Gemäss Schweizer Heilmittelzulassungsstelle Swissmedic ist es Kosmetikerinnen untersagt, das als Medikament deklarierte Botulinumtoxin zu spritzen. Mit entsprechender Aus- und Weiterbildung dürfen sie so genannte vernetzte Hyaluronsäure injizieren, allerdings nur unter direkter Aufsicht eines Arztes: «Letzteres ist ein flüssiges Implantat für fehlende Fettpölsterchen, das man mit Kanülen präzise unter die Haut spritzt. Man muss dazu sehr gute Kenntnisse der Gesichtsanatomie haben. Bei falscher Anwendung kann man erblinden und es kann Gewebe absterben, was zu wüsten entstellenden Narben führen kann», betont auch Thomas Fluri, Hausarzt in Grenchen. Zusammen mit seiner Frau betreibt Fluri in Biel die Praxis Belle, die neben Laserbehandlungen und Gesichtsbehandlungen ebenfalls Botox- und Hyaluron-Behandlungen anbietet. Er kritisiert, dass Kosmetikerinnen mit Botox und Hyaluronsäure sowie etwa auch medizinischen Lasern arbeiten: «Ich mache ja auch nicht plötzlich Augenlid- oder Brustoperationen. Wenn ich nicht weiterhelfen kann, überweise ich meine Patienten an Wirth oder Knutti, die dafür qualifiziert sind.»

 

Trend zu All-in-one-Studios

Das Problem ist nicht neu: Bereits Ende 2019 hat CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (AG) einen Vorstoss eingereicht, um gesetzlich zu verankern, dass nur Ärzte mit Botulinumtoxin und Hyaluronsäure behandeln dürfen, auch weil die Behandlung der Folgekosten die obligatorische Krankenpflegeversicherung tragen muss und damit die Solidargemeinschaft der Prämienzahlenden.

«Anbieten und Machen sind zwei verschiedene Dinge», sagt dazu Milos Petras, Facharzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie, der in der Klinik Piano in Biel tätig ist und einmal pro Woche in einem Bieler Kosmetikstudio Kundinnen und Kunden behandelt. «Produkte mit Hyaluronsäure, die länger als 30 Tage im Körper des Menschen verbleiben, dürfen durch eine Ärztin, Arzt oder durch diplomierte Pflegefachpersonen mit entsprechender Weiterbildung oder mit gleichwertiger Aus- und Weiterbildung angewendet werden, Botulinum nur von Ärzten, weshalb das im Studio ausschliesslich ich mache und ich verantwortlich für die Behandlungen bin», betont Petras. Im Prinzip dürfen laut Petras Ärzte jeglicher Fachrichtung, also nicht nur Hautärzte oder Plastiker, mit Botulinumtoxin oder Hyaluronsäure behandeln: «Aber das müssen die Kundinnen dann selber entscheiden, welchen Arzt sie wählen.»

Doch gerade bei Frauen sei es ein Bedürfnis, sich im Kosmetikstudio zu treffen und dort neben kosmetischen auch Behandlungen mit Botulinum oder Hyaluronsäure durchzuführen, ohne deswegen zu einem plastischen Chirurgen zu gehen. Also «all in one», wie man auf englisch sagen würde, alles an einem Ort.»

Das bestätigt auch Una Jahijevic, Besitzerin des Kosmetikstudios Cindarella Beauty: «Ich kann mir sehr gut verstehen, wenn einige Ärzte das nicht so toll finden, wenn wir solche Behandlungen auch anbieten. Aber es ist ein Wunsch unserer Kundschaft, Botulinumtoxin- und Hyaluronsäurebehandlungen in unserem Studio in gewohnter Atmosphäre von einem Arzt machen zu lassen, auch weil sie uns vertrauen.»

Das Problem ist nur: Nicht überall wird der kosmetische und der minimal-invasive Bereich getrennt: «Botox und Hyaluron-Filler, das macht meine Kosmetikerin. Ich wusste nicht, dass sie das gar nicht darf», sagt etwa eine Kundin eines Kosmetikstudios aus der Region. Und auch Chirurg Milos Petras sagt: Zu kontrollieren, ob die minimal-invasiven Behandlungen in jedem Kosmetikstudio strikte von einem Arzt oder Ärztin durchgeführt würden, sei natürlich schwierig. So fehlt es eben auch an Kontrollen und einer klaren gesetzlichen Grundlage, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

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