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Viele Kulturen, ein Ziel

Im Mini-Unternehmen Opus Biel arbeiten neun Lehrlinge mit Migrationshintergrund. Sie hegen grosse Ambitionen für das Programm von Young Enterprise Switzerland – und für ihr Leben.

Hoger Saleh, derzeit Schmuckproduzent und Marketingleiter bei Opus Biel.  copyright: lee knipp/bieler tagblatt

Tobias Graden

Konzentriert steht Hoger Saleh an der Schaublin-Drehbank. Er poliert gerade einen Ring. Der 28-Jährige stammt aus den Kurdengebieten in Nordirak. «Ich musste meine Heimat verlassen», sagt er, «man hat keine Chancen auf ein gutes Leben dort.» Über Istanbul, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich kam er in die Schweiz, seit fünf Jahren lebt er hier. Im Deutschkurs habe er «Gas gegeben» und gute Noten erzielt. Er absolvierte das berufsvorbereitende Schuljahr am BBZ Biel, nun steht er im zweiten Ausbildungsjahr als Mechanipraktiker an der Technischen Fachschule des BBZ. Dies ist eine zweijährige mechanische Grundausbildung, ihre Absolventen erhalten das Eidgenössische Berufsattest (EBA, früher als «Anlehre» bekannt). Es ist Salehs zweite Ausbildung, im Irak sei er «Telefon-Reparateur» gewesen. «Doch um in der Schweiz eine Stelle finden zu können, brauche ich einen Abschluss, der hier anerkannt ist», sagt er.

Ziel: Fachhochschule
Derzeit arbeitet Saleh aber nicht nur als Mechanipraktiker, sondern auch als Marketingleiter. Er ist Teil von Opus Biel, einem Mini-Unternehmen, das am schweizweiten Programm Young Enterprise (YES) teilnimmt. In diesem gründen junge Menschen in Ausbildung eine kleine Firma auf Zeit, um so Einblick in das Unternehmertum zu gewinnen. Meist sind dies Gymnasiasten. Mit Opus Biel schickt das BBZ Biel zum ersten Mal ein Team ins Rennen, dessen Mitglieder «lediglich» das EBA absolvieren.
Wobei: Geht es nach den Auszubildenden, so soll es beim EBA nicht bleiben. Antar Nor zum Beispiel ist der Webmaster von Opus Biel. Er ist 18, hat somalische Wurzeln, ist aber in der Schweiz aufgewachsen. Er hat ein Praktikumsjahr bei Georg Fischer in Aussicht und wird danach die Lehre als Automatikmonteur beginnen. Dabei soll es nicht bleiben: Nor will die Berufsmittelschule erfolgreich absolvieren und danach an der Fachhochschule studieren. Wie alle Mitglieder von Opus Biel fertigt auch Nor ein Produkt – einen gefrästen Stifthalter.
Neun Teilnehmer hat das Team von Opus Biel, es ist die ganze Mechanipraktikerklasse. Alle haben sie einen Migrationshintergrund. Neben dem Irak und Somalia liegen ihre Wurzeln in Eritrea, Polen oder Spanien. Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen und Religionen arbeiten eng zusammen – läuft das problemlos ab? «Ja», sagt Hoger Saleh, «alle gehen respektvoll miteinander um. Wir sind fast wie ein Familie.»

«Sie wollen etwas erreichen»
Roberto Valentina pflichtet ihm bei. Er ist Berufsbildner. zuständig für die Mechanipraktiker-Klasse und sagt: «Diese jungen Menschen wollen etwas erreichen.» Wer hier ist, hat eine erste Selektionshürde genommen: Jedes Jahr wählt Valentina aus über 40, manchmal auch über 60 Bewerbungen für die etwa zwölfköpfige Klasse aus. Etwa 70 Prozent bilden sich nach dem EBA weiter. Manche sind aber auch auf einen möglichst raschen Verdienst angewiesen, um die Familie im Heimatland zu unterstützen und steigen auf einer weniger gut qualifizierten Ebene ins Berufsleben ein.
Das Projekt Opus Biel bedeutet auch für Valentina einen Mehraufwand. So hat er dem Team beispielsweise erklärt, wie sich der Preis eines Produkts zusammensetzt: Angesichts der Kosten für Arbeit, Maschinen, Amortisation und der Gewinnmarge ist klar geworden, dass ein Kugelschreiber nicht für ein, zwei Franken verkauft werden kann.  

Stand am Handwerker-Märit
Einer der beiden CEOs von Opus Biel ist Emilio Aparacio Pia. Der 19-jährige Spanier lebt seit 2014 in der Schweiz. Neben der Geschäftsführung ist er der Produzent eines Mühlespiels, das Opus Biel für 25 Franken verkauft. Um mehr Effizienz in der Produktion zu erreichen, wird er zusammen mit einem «Götti» eines anderen Lehrgangs ein Programm für die CNC-Maschine schreiben. Für das Mini-Unternehmen hegt er Ambitionen: «Unser Ziel ist die Teilnahme an der YES-Messe im Hauptbahnhof Zürich.»
Morgen unterzieht Opus Biel sein Angebot einem ersten Markttest: Am Handwerker-Märit in der Bieler Altstadt betreibt das junge Multi-Kulti-Team mit dem Slogan «Wir schreiben international» einen Stand. Hoger Saleh wird den Kundinnen und Kunden erklären, dass seine Ringe zwischen 9.90 und 24 Franken kosten. Vielleicht kommt man ins Gespräch, und vielleicht verrät Saleh dann sein Berufsziel:«Mein Traum ist es, bei Mercedes zu arbeiten.»

Info: Stand am Handwerker-Märit in der Altstadt, Samstag, 8 bis 14 Uhr. Weitere Informationen unter www.opus-biel.ch

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