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Nick Hayek

«In vielen Märkten ist das Wachstum zweistellig»

Der CEO der Swatch Group kann mit den letztjährigen Umsatz- und Gewinneinbussen leben, solange die Gruppe in Stückzahlen wächst: «Das ist eine Strategie, die sich langfristig auszahlt.»

Swatch-Group-CEO Nick Hayek:«Für 2016 ist kein Abbau geplant, im Gegenteil, wir sehen deutliches Wachstum.»  copyright: keystone

Interview: Tobias Graden


Nick Hayek, sind Sie immer noch verärgert über die Schweizerische Nationalbank?
Nick Hayek: Ich bin nicht verärgert. Und mir ging es nicht um die Swatch Group. Aber: Es wird mehr und mehr sichtbar, wie viele Industrieunternehmen in der Schweiz tatsächlich Mühe bekunden und die Entwicklung so verläuft, wie dies vorausgesagt wurde. Es hätte bessere Optionen gegeben für die Nationalbank. Ich finde, sie hat eine schwache Führung, und über eine schwache Führung kann man nicht verärgert sein, denn sie können nicht anders.

Wie bewerten Sie das Resultat der Swatch Group? Die ersten Reaktionen lauteten «Swatch Group unter Druck» oder «Erwartungen nicht erfüllt»…
Ach, diese Erwartungen der Börse… Man vergleiche uns doch mit anderen Unternehmen im gleichen Bereich, und dann sieht man: LVMH mit Sitz in Frankreich hat 11 Prozent Nettogewinn, wir kommen immer noch auf 13 Prozent. Die Börse dagegen ist kein Massstab.

Was ist denn für Sie relevant, wenn nicht die Zahlen?
Wichtig für uns ist: Was passiert in den Märkten, mit unseren Marken, mit den Produkten, was macht der Konsument? Die Umsatzentwicklung in den einzelnen Märkten war in Lokalwährung zum grossen Teil sehr erfreulich. In vielen Märkten ist das Wachstum deutlich zweistellig, einzig in Hongkong ist es bekanntermassen schwierig. Aber selbst in Russland sind wir gewachsen, und auch Festlandchina hat ein leichtes Plus, die USA sind nur wegen der letzten drei Monate leicht im Minus. Und wir sind ja von einem hohen Niveau aus gekommen! Das zeigt: Der Konsum funktioniert, die Leute kaufen mehr.

Dann müssten Sie die Wechselkurse ja nicht gross bekümmern.
Die Wechselkurse waren 2015 grossen Verwerfungen ausgesetzt, darum haben die Konsumenten ihr Kaufverhalten angepasst. Ein Beispiel: wenn ich den Preis einer Omega-Uhr in der Schweiz auf den Wert von 100 indexiere, dann liegt er wegen der Kurssituation in Hongkong bei 118, in China bei 113, in Japan bei 96, in Singapur bei 103, in Europa bei 90, in Kanada unter 80. Vor dem SNB-Entscheid waren diese Indexpreise ziemlich harmonisiert, die Situation war einigermassen stabil. Nun aber bestehen zwischen einzelnen Märkten teils enorme Preisunterschiede.

Das macht Anpassungen nötig.
Man könnte natürlich kurzfristig reagieren, in Japan die Preise erhöhen und sie in Hongkong senken. Aber wir sind gegen solche kurzfristigen Preiserhöhungen, und wir halten schon gar nichts von Preissenkungen – denn damit bestraft man die Kunden, die vorher gekauft haben.

Sie setzen also auf das Gewinnen von Marktanteilen.
Das war schon immer so. Wichtig ist aber vor allem: Wir haben ein Wachstum in Stückzahlen. Die Fabriken sind ausgelastet. Hinzu kommt: Die Margen verändern sich. Ein Händler in Hongkong hat etwa 28 Prozent Marge, einer in Frankreich etwa 45. Wenn wir also unsere Produkte in Frankreich statt in Hongkong verkaufen, verdienen wir weniger Geld. Wenn nun noch das Wechselkursgerüst ins Wanken gerät, müssen wir um Stabilisierung bemüht sein, ohne dass wir die lokalen Konsumenten bestrafen. Solange wir in Stückzahlen wachsen, nehmen wir weniger Umsatz und Gewinn in Kauf. Das ist eine Strategie, die sich langfristig auszahlt.

Sie betonen, dass das eigene Retailgeschäft stellenweise um 20 bis 40 Prozent gestiegen ist. Die Stärkung der eigenen Vertriebskanäle dient Ihnen auch dazu, die unterschiedliche Margensituation besser unter Kontrolle zu bekommen.
Es ist Teil unserer Strategie. Händler sind rasch verunsichert und kaufen weniger ein, weil sie Angst haben, dass der Konsum einbricht. In Frankreich etwa haben zahlreiche Händler aus Angst vor dem Ausbleiben von Touristen nach den Attentaten in Paris ihre Bestellungen eingefroren. Es kamen dann zwar schon weniger Touristen, aber der Verkauf in unseren eigenen Läden hielt sich deutlich besser als befürchtet. Hinzu kommt, dass andere Gruppen die Preise ihrer Marken gesenkt haben, etwa in Hongkong und China. Verärgerte Händler wurden dann mit Gutschriften für künftige Bestellungen vertröstet. Doch das fördert nur die Käufe der Händler, statt dass man die Abverkäufe an die Endkunden fördert. Ich finde es schade, dass unsere Industrie solche Dinge macht. Das sind Gründe für die Förderung eigener Läden. Es ist längerfristig zuverlässiger, die Schwankungen sind geringer. Das nützt dann auch dem Handel.

Das Stellenwachstum innerhalb der Gruppe ist denn auch in erster Linie auf den Ausbau des Vertriebs zurückzuführen?
Ja. In der Schweiz hatten wir letztes Jahr kein grosses Wachstum, es waren etwas weniger als 100 neue Stellen. Wir haben gerade auch von Dritten zahlreiche Abbestellungen bekommen, wie immer… Wir konnten dies mit unseren eigenen Volumen auffangen. Für 2016 ist aber kein Abbau geplant, im Gegenteil, wir sehen im Januar teils deutliches Wachstum. Die Verkaufszahlen in China etwa sind sehr gut, besonders von Longines, aber auch Omega läuft sehr gut.

Wie sieht es aus mit der Marke Swatch?
Die Swatch hat ein gutes Wachstum in Stückzahlen. Aber Swatch leidet am meisten unter der Wechselkurssituation. In Russland etwa verdient man wegen des Rubelzerfalls kaum mehr etwas mit der Swatch. Doch uns ist wichtig, dass wir mehr Stückzahlen verkaufen. Denn ihre Konkurrenten kommen nicht aus der Schweiz, sondern aus Japan, China oder Indien, und deren Währung ist sehr tief. Darum haben wir bei Swatch die Preise grösstenteils gehalten und das eigene Vertriebsnetz gestärkt – wir haben die Anzahl Fremdläden um 15 Prozent verringert.

Inwiefern hat das verstärkte Aufkommen von Smartwatches die Swatch Group beeinflusst?
Positiv. Unsere Bezahluhr kommt in China sehr gut an, die Swatch «Touch Zero One» läuft sehr gut, die «Touch Zero Two» kommt – der Bereich Fitness- und Bezahluhren hat so viel Aufmerksamkeit erhalten, dass wir ein gutes Zusatzgeschäft machen können. Smartuhren von Samsung oder Apple haben nichts kannibalisiert, sie sind ein neues Segment im Bereich Consumer Electronics, wie ich es immer gesagt habe. Gerade in Ländern wie den USA oder in China, wo Apple sehr stark ist, ist auch der Durchverkauf von Swatch sehr gut – in der Schweiz übrigens auch. Die Leute kaufen sich eine Smartuhr nicht als Ersatz für eine Uhr, sondern als Zusatzelement zum Smartphone.

Die Swatch Group weist nun ein Eigenkapital von 11,2 Milliarden Franken aus. Sehen Sie Möglichkeiten für Zukäufe?
Im Moment wird man wegen der Negativzinsen bestraft, wenn man viel Cash hält. Darum haben wir ein Aktienrückkaufprogramm beschlossen. Wir werden auch weiterhin viel investieren, jährlich bis zu 500 Millionen Franken. Die Dividende bleibt gleich hoch. Doch was Akquisitionen betrifft, so haben wir derzeit nichts im Sinn.

Die Firma Renata steht offenbar kurz vor der Serienfertigung der neu entwickelten Batterien.
Ja, die Prototypenserienfertigung wird bereits im Juli erste Produkte ausspucken. Wir bringen eine Batterie, die 30 bis 50 Prozent mehr Leistung hat, das ist dann gerade auch für Smartuhren interessant. Auch mit ersten Batterien für E-Bikes ist zu rechnen.

Es lockt ein riesiges Marktpotenzial, man liest von 20 Milliarden Franken in einigen Jahren…
…es sind sogar noch viel mehr. Die Energiefrage ist brennend in der Welt, man denke alleine an die Smogsituation in China. Der Schlüssel für alle Industrien ist die Batterietechnologie. Der Markt wird noch grösser werden, das lässt sich noch gar nicht abschätzen. Und die Vorschriften zur Vermeidung gefährlicher Materialien werden schärfer werden, deswegen verwenden wir welche, die nicht selten und nicht gefährlich sind. Das ist ein riesiges Marktpotenzial, und wir sind Weltleader, auch dank unserer Universitäten in der Schweiz.

Dieser Bereich könnte also in einigen Jahren deutlich grösser sein als das angestammte Uhren- und Schmuckgeschäft.
(lacht) Darüber denken wir noch nicht nach.

Wie verlaufen die Neubauten in Biel?
Es geht schön vorwärts. 2016 wird der Fabrikationsteil von Omega eingeweiht, 2017 der Teil mit dem Museum und 2018 das Swatch-Gebäude. Alles ist auf Kurs.

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