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US-Wahlen

Von wem profitiert die Schweiz?

Joe Biden oder Donald Trump? Egal, wie man es dreht und wendet: Die Entscheidungen
der US-Politik haben einen grossen Einfluss auf die Schweiz und ihre Unternehmen.

Bild: Keystone

Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA dürfte die Schweizer Uhrenexporte nicht allzu stark beeinflussen. Allgemein rechnen Experten im wichtigen Absatzmarkt USA mit einer rascheren Erholung der Uhrenverkäufe von den Folgen der Coronapandemie als in anderen Hauptmärkten, etwa in Europa.

Die USA sind gemessen am Umsatz nach China der zweitwichtigste Markt für die Schweizer Uhrenindustrie. Die Coronakrise hat, wie in anderen Märkten auch, der Branche stark zugesetzt.

In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres sind die Uhrenexporte in die USA um 23 Prozent auf 1,3 Milliarden Franken eingebrochen. Das war unter anderem auf die von den Behörden zur Eindämmung der Pandemie verordneten Einschränkungen zurückzuführen. Weltweit gingen die Exporte der Uhrenhersteller um 28 Prozent auf 11,4 Milliarden Franken zurück.

«Während der Wahlperiode rechnen wir in den USA mit einem Rückgang der Uhrenexporte, weil die Amerikaner wahrscheinlich mit etwas anderem beschäftigt sind», sagte der Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH), Jean-Daniel Pasche.

In diesem Jahr präge allerdings in erster Linie die Pandemie das Geschäft der Uhrenverkäufer und es sei kaum möglich, die Auswirkungen der Wahlen zu quantifizieren, sagte Pasche. «Wie wir 2016 bereits gesehen haben, hat das Ergebnis der Wahl an sich keinen sehr starken Einfluss auf unsere Exporte gehabt. Vielmehr spielt die wirtschaftliche Situation eine Rolle», so der FH-Präsident Pasche weiter.

Diese Ansicht teilt auch René Weber, Spezialist für Luxusgüter bei der Bank Vontobel: «Die Wahl wird keine Auswirkungen auf die Uhrenindustrie haben.»

Vielmehr betont Weber, dass die Vereinigten Staaten einer der Märkte sind, die sich schneller von den negativen Folgen der Coronakrise erholen sollten als andere. Denn der dortige Uhrenmarkt hänge im Gegensatz zu Europa und Asien kaum vom Umsatz mit Touristen ab. Der globale Tourismus dürfte noch Jahre unter den Folgen der Coronakrise leiden. Gemäss René Weber werden in den USA 90 Prozent des Umsatzes mit Uhren mit inländischen Kunden erwirtschaftet, während in der Schweiz chinesische Touristen rund 50 Prozent zum Umsatz beisteuern. Rund um den Globus werden etwa 35 Prozent des Gesamtumsatzes im Bereich der Luxusgüter mit Chinesen erzielt.

Während Weber glaubt, dass die Auswirkungen der Wahl selbst in den USA auf den Verkauf von Schweizer Uhren weniger gross sind, betont er die Bedeutung der Entwicklung der Aktienmärkte: «Wenn die Preise fallen, sinkt auch der Konsum der Wohlhabenden.»

Und diese sind bekanntlich gute Kunden der Uhrenhersteller. awp

Welcher Präsident ist besser für die Schweizer Wirtschaft? Und wann konkretisiert sich das vom Bundesrat angestrebte Freihandelsabkommen mit den USA? Für die Schweiz wäre ein Präsident Joe Biden wirtschaftlich gesehen wohl besser, sagte die SGKB-Anlageexpertin Caroline Hilb.Denn im Gegensatz zu Trump verfolge Biden beim Handel eher einen multilateralen Ansatz und keinen bilateralen. Daher würde wohl die Welthandelsorganisation WTO unter Biden wieder gestärkt, wovon die Schweiz profitieren könnte.

 

Über allem steht Corona

Trump wiederum könnte im Falle eines Erfolgs seine aggressive Handelspolitik von China auf Europa ausweiten. «Die exportorientierte Schweizer Wirtschaft ist dafür vor allem im aktuell geschwächten Konjunkturumfeld sehr anfällig», sagte Hilb.

Der nächste US-Präsident steht aber vor allem vor der Herausforderung, die von der Coronapandemie geschüttelte Wirtschaft auf die Beine zu bringen. Für Jan Atteslander vom Wirtschaftsverband Economiesuisse ist darum die zentrale Frage nicht die nach dem nächsten Präsidenten, sondern wie schnell die USA aus der aktuellen Coronakrise herausfinden kann.

«Der Einfluss der US-Wirtschaft auf die Schweiz ist sehr gross, den Einbruch des Bruttoinlandsproduktes in den USA spüren wir als Exportnation auch hier», sagte der Economiesuisse-Experte. Sowohl Biden als auch Trump würden versuchen, mit einer expansiven Fiskalpolitik für wirtschaftlichen Schwung zu sorgen, heisst es in einer Analyse der DZ Bank. Das bedeutet in beiden Fällen tiefe Zinsen für eine lange Zeit. Doch Biden und Trump unterscheiden sich in ihrer Herangehensweise, wie die US-Wirtschaft auf die Beine kommen soll: Trump stehe für Steuersenkungen, Biden für hohe Staatsausgaben.

Welche Massnahmen der künftige US-Präsident umsetzen kann, hängt aber insbesondere auch vom Resultat der parallel stattfindenden Kongresswahl ab. Denn nur mit der Rückendeckung beider Kammern im Kongress sind grössere Reformen umsetzbar. Als wahrscheinlichsten Wahlausgang erachtet die CS-Ökonomin Nannette Hechler-Fayd'herbe einen Präsidenten Biden mit einem «geteilten» Kongress. Also mit einer Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus und einer republikanischen Mehrheit im Senat.

Eine Fortsetzung der Blockadepolitik in Washington zeichnet sich also ab. In einer Sache aber wird sich laut Atteslander nichts ändern: Biden wie Trump haben den Handelskonflikt mit China im Fokus. Und beide werden wohl die harte US-Linie gegen China fortsetzen. Und weil sich der Handelsbeauftragte im Kabinett Trump, Robert Lighthizer, zuletzt stark auf die Beziehung zu China konzentriert hat, ist es noch nicht zu einem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA gekommen.

Dies zumindest denkt der frühere US-Botschafter in der Schweiz, Donald Beyer. «Die Schweiz ist wahrscheinlich nicht unter den ersten fünf auf der Prioritätenliste – vielleicht ist sie Nummer acht», sagte er vor einigen Wochen in einem Interview mit der «Handelszeitung».

Die Eidgenossenschaft bemüht sich schon länger um ein solches Abkommen. Gerade den hiesigen kleinen und mittleren Unternehmen fehle ein solches Abkommen, sagte Economiesuisse-Vertreter Atteslander.

 

Die Sorgen der Pharma

Je nach Präsident werden aber nach Auffassung der SGKB-Expertin Hilb unterschiedliche Sektoren in der Schweiz stärker von einem – vielleicht zukünftigen – Handelsabkommen profitieren. Gleichzeitig stellt sie fest: «So oder so werden von der US-Seite her bei einem allfälligen Handelsabkommen aber die Pharmafirmen im Fokus sein.»

Die Gefahr einer US-Gesundheitsreform mit möglicherweise negativen Auswirkungen auch für die Schweizer Pharmagiganten Roche und Novartis werden vor allem im Falle eines demokratischen Präsidenten gesehen. Bereits bei den Wahlen vor vier Jahren war die damalige Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, mit Plänen zur Bekämpfung von hohen Medikamentenpreisen in den Wahlkampf gezogen.

Auf die Neuigkeit, dass US-Präsident Trump bei US-Wettbüros in Führung ging, hatten die Aktien von Roche und Novartis Ende September denn auch prompt mit Kursgewinnen reagiert. awp

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