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Arbeitsmarkt

Was Chefs zum Papi-Urlaub sagen

Am 27. September entscheidet das Stimmvolk, ob für erwerbstätige Väter ein bezahlter Vaterschaftsurlaub von 14 Tagen eingeführt werden soll. Die hiesigen Unternehmer sind sich uneins.

Mehr Elternzeit, um sich in den neuen Alltag einzugliedern. Das befürworten nicht alle Chefs. Bild: Keystone

Manuela Schnyder

Heute können Väter bei Geburt eines Kindes mindestens ein bis zwei bezahlte Urlaubstage beziehen. Das sieht das Obligationenrecht vor. Einzelne Branchen oder Unternehmen gewähren einen längeren Vaterschaftsurlaub, meist fünf Tage. Das obliegt der Firmenpolitik eines Unternehmers oder wird, wo ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) besteht, mit den Sozialpartnern ausgehandelt.

Das soll sich nun ändern: Am 27. September stimmen die Schweizer Stimmberechtigten darüber ab, im schweizerischen Bundesrecht einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von 14 Tagen für alle Unternehmen zu verankern. Finanziert werden soll das über die Erwerbsersatzordnung, also zu gleichen Teilen vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Konkret würden die EO-Beiträge von 0,45 auf 0,5 Lohnprozente erhöht, um die Kosten dafür zu tragen. Diese würden sich auf rund 230 Millionen Franken pro Jahr belaufen.

Ein Vorhaben, das in der heutigen Gesellschaft längst überfällig ist, oder etwas, das wir uns gerade jetzt nicht leisten können? Die Meinungen der Wirtschaftsvertreter in der Region gehen in dieser Frage weit auseinander.

Zu viele Abwesenheiten

«Nachdem schon die Überbrückungskredite im Mai verabschiedet wurden, staune ich nur noch, dass wir in einer wirtschaftlich so schwierigen Zeit die Sozialleistungen noch weiter ausbauen wollen», sagt etwa Thomas Meyer, Geschäftsleiter von der Anton Meyer & Co. AG, einem Bieler Hersteller von hochpräzisen Diamantwerkzeugen unter anderem für die Uhren- und Schmuckindustrie. Gerade für exportorientierte Unternehmen, die neben der Covid-19-Krise auch mit einem starken Franken kämpften, komme dieses Vorhaben jetzt zur Unzeit. Man werde ja nicht allzu oft Vater, weshalb man dafür auch einmal Ferien beziehen könne, sagt er.

Unpassend im Zeitpunkt kommt die Abstimmung auch für Daniel Grob, Geschäftsleiter der Bieler Gebäudetechnikfirma Franconi + Grob AG: «Wir sollten erst mal abwarten, was kostentechnisch auf uns zukommt», sagt Grob. Er selber habe drei bis vier Wochen nach Geburt seines Kindes sein Arbeitspensum zulasten des Ferienkontos reduziert, um seine Frau in Sachen Haushalt zu unterstützen und die ersten Schritte der Kinder mitzuerleben. Problematisch erachtet der Unternehmer neben dem finanziellen Mehraufwand insbesondere die zusätzlichen Abwesenheiten: Als KMU sei es schwierig, den Betrieb bei einem zweiwöchigen Ausfall eines Mitarbeiters, der dann naturgegeben nicht punktgenau geplant werden könne, zu organisieren. «Je kleiner der Betrieb, desto aufwendiger», sagt er.

Dass die Umsetzung des Vaterschaftsurlaubs die kleineren Unternehmen ungleich stärker herausfordert, sieht auch Hans-Ruedi Minder, Geschäftsführer der Fischer Electric und Vize-Präsident des Handels- und Industrievereins (HIV) Biel so: «Man müsste das weiterhin auf freiwilliger Basis regeln», sagt er deshalb. Kommt die Vorlage durch, müssten die Unternehmer die Fehlzeiten im Betrieb mit Ersatzpersonal kompensieren, was sie nicht nur in ihrer Flexibilität auf dem Markt zu einem aktuell schwierigen Zeitpunkt einschränke, sondern auch den Fachkräftemangel weiter anheize, erklärt Minder. Zusätzlich würden die höheren Lohnnebenkosten entweder die Produkte verteuern oder die Arbeitsplätze verteuern: «Und das gerade jetzt, wo es darum gehe, Arbeitsplätze zu erhalten.»

Bau ist für den Papi-Urlaub

Die Angestellten im Vaterschaftsurlaub zu ersetzen, ist beispielsweise auch für Garagen ein Problem: «Mitten in der Pneusaison zweiwöchige Mitarbeiterausfälle zu kompensieren, das wird schwierig», sagt Nando Wieser von der Autobahngarage Zwahlen & Wieser AG in Lyss. Und diese Ausfälle müssten dann von allen Beschäftigten getragen werden, sagt er. Natürlich sei es schön, nach der Geburt Urlaub zu beziehen. Es sei jedoch nicht fair gegenüber jenen Angestellten, die keine Familie anstreben oder haben könnten, dafür aufkommen zu lassen.

Während für viele Betrieb derzeit ein Vaterschaftsurlaub zu teuer und schwierig zu organisieren ist, erhält die Vorlage von überraschender Seite Unterstützung: Das Bauhauptgewerbe, in dem üblicherweise nur ein Urlaubstag gewährt wird, hat sich für ein Ja zum staatlichen Vaterschaftsurlaub durchgerungen: «Zwei Wochen, das ist ein gutschweizerischer Kompromiss, mit dem wir leben können», sagt Christoph Loosli von der Stettler AG und Mitglied des Vorstands beim Kantonal Bernischen Baumeisterverbands (KBBV). Diese Forderung werde sowieso kommen, wenn man das jetzt nicht unterstütze, werde das bei der nächsten GAV-Verhandlung zum Thema, sagt er. In seinem Betrieb arbeiten mehrere Mitarbeiter im Teilzeitpensum, darunter auch Kader: «Die Jungen, die wollen einen Papi-Tag», sagt er. Man müsse sich nach diesen Bedürfnissen richten, um weiterhin als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben und genügend Nachwuchs rekrutieren zu können.

Das sieht auch Miriam Stebler, Geschäftsführerin der Personalberatung Impirio und Präsidentin des Gewerbevereins Bieler KMU, so: Jede Fehlzeit eines Mitarbeiters verursache Kosten und Aufwände, um die Abwesenheiten im Betrieb zu organisieren, sagt sie. Doch um Talente ins Unternehmen zu holen, müssten KMU mit den grösseren Unternehmen oder teilweise auch andere Branchen in Sachen Arbeitsbedingungen mithalten können. Gerade in der Anfangszeit sei es für eine Frau und ein Elternpaar wichtig, den neuen Alltag zu organisieren – und zwar so, dass auch die Frau weiterhin im Beruf bleiben könne und auf dem Arbeitsmarkt attraktiv bleibe.

Einen solchen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt würde derweil die Uhrenindustrie verlieren, die bereits jetzt fünf Urlaubstage beim ersten Kind und zehn beim zweiten gewährt: «Für uns ist die Abstimmung daher nicht wirklich relevant», sagt François Matile vom Arbeitgeberverband der Uhrenindustrie. Zuvor hätten die Arbeitgeber die Leistungen selber bezahlen müssen, während sie wohl künftig paritätisch getragen würden. Die Swatch Group wollte sich zur Abstimmung nicht äussern.

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