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Industrie

Was hat der Mutterkonzern vor?

Laut Angestellte Schweiz und der Gewerkschaft Syna will der US-Konzern Honeywell 
die Produktion bei seiner Tochter in Murten schliessen. Davon wären 63 von 119 Stellen betroffen.

Angestellte in der Produktion der Saia-Burgess-Gruppe, bevor das Unternehmen in zwei Teile aufgespaltet wurde (2005). Bild: Keystone/a

Manuela Schnyder

Beim Hersteller von Schrittmotoren und Schalter für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen Saia-Burgess Controls AG in Murten sollen mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze eliminiert werden. Das zumindest teilten gestern die Oganisation Angestellte Schweiz und die Gewerkschaft Syna mit. Demnach will der amerikanische Mutterkonzern Honeywell die Schweizer Produktion nach Rumänien und ein Drittel der Forschungsabteilung nach China verlagern. Betroffen wären 63 von insgesamt 119 Arbeitsplätzen, davon 22 Temporärmitarbeitende. Damit würde die Schweizer Tochter regelrecht eingestampft: «Ich befürchte, dass damit die kritische Minimumgrösse unterschritten wird, um den Betrieb längerfristig am Standort in Murten halten zu wollen», sagt etwa Diego Frieden von der Gewerkschaft Syna.

Offiziell kommuniziert hat Honeywell noch keine derartigen Massnahmen: «Es werden keine definitiven Entscheide gefällt, solange das Konsultationsverfahren läuft», schreibt der Direktor der Kommunikationsabteilung, Graham Campbell. So wartet der Mutterkonzern, der unter anderem Airbus und Boeing mit Flugzeugteilen versorgt und auch die Nasa zu seinen Kunden zählt, erst noch die Verhandlungen mit den Sozialpartnern ab, bestätigt aber: «Honeywell Building Management Systems schlägt vor, alle Fertigungsaktivitäten von Murten auf globale Zentren zu verlagern.»

Keine Folge von Corona

Das Unternehmen Saia-Burgess in Murten entstand einst durch eine Fusion der 1920 in Bern gegründeten Saia AG und der 1935 in Grossbritannien gegründeten Burgess Products Ltd, bevor sich 2005 die Johnson-Electric-Gruppe aus Hongkong das Unternehmen einverleibt hat. Während der Geschäftsteil Kleinmotoren und Mikroschalter in den Johnson-Electric-Konzern integriert wurde und seither als Johnson Electric Switzerland operiert, wurde die Sparte Steuerungen und Energiezähler in die Saia-Burgess Controls AG ausgegliedert. Und genau diesen Teil hat Honeywell im Jahr 2013 zu einem Kaufpreis von 130 Millionen Dollar von der Johnson Electric-Gruppe aus Hongkong übernommen: «Unser zukünftiger Eigentümer bietet grosse Chancen», schrieb damals der Geschäftsführer von Saia-Burgess Controls, Jürgen Lauber. Und auf der Website hiess es damals auch, die eigenständige Marke Saia PCD Automationsstationen werde «Swiss made» bleiben.

Nun, offenbar überlegt es sich der Eigentümer gerade anders: So hat Honeywell laut Syna vorgestern die Sozialpartner an der vom Gesamtarbeitsvertrag bei Massenentlassungen vorgeschriebenen Sozialpartnerinformation darüber informiert, eine Produktionsschliessung in Murten in Erwägung zu ziehen. «Dabei schreibt Saia Burgess nicht mal rote Zahlen», sagt dazu Diego Frieden, der an dem Zusammentreffen dabei war. So ist der Entscheid offenbar keine Folge einer wirtschaftlichen Notlage: Er habe die Verantwortlichen gefragt, ob die Tochter schwarze Zahlen schreibe, sagt Frieden, und «dabei aber keine gegenteilige Antwort erhalten.»

Konsultation bis 10. Juli

Dass der Konzern eine so rigorose Umstrukturierung in Murten plant, trifft die Angestellten zu einem besonders schlechten Zeitpunkt, zumal angesichts der Krise nur wenige Stellen offen sind. Umso wichtiger sei es nun, im Konsultationsverfahren Alternativen zu diskutieren, sagt Diego Frieden.

Laut Frieden wollten die Vertreter von Honeywell an der vorgestrigen Zusammenkunft jedoch die Ziele, die die Konsultation erreichen sollte, nicht nennen: «Wir wissen nicht, ob Honeywell mit den Massnahmen die Effizienz steigern, die Innovationskapazität erhöhen oder mehr Aufträge gewinnen will.» Das mache es schwierig, zusammen mit den Angestellten Alternativlösungen auszuarbeiten, sagt Frieden. Dass der Konzern mit Zehntausenden von Mitarbeitenden nun trotz Gewinn einen solchen Kahlschlag plant, erachtet der Gewerkschafter angesichts dessen als verantwortlungslos. So fordert sowohl die Gewerkschaft Syna wie auch die Organisation Angestellten Schweiz von Honeywell, die geplanten Entlassungen zu überdenken. Und auch das Konsultationsverfahren müsse über den gesetzlich geforderten Zeitraum von 18 Tagen verlängert werden, da die Kommunikation angesichts von Corona und Ferienzeit schwierig sei, sagt Frieden.

Aktuell läuft das Konsultationsverfahren noch bis zum 10. Juli: «Wir sind uns bewusst, dass dies leider Auswirkungen auf die Mitarbeiter hat, und verpflichten uns zu einer offenen Kommunikation während des gesamten Konsultationszeitraums», schreibt derweil Graham Campbell von Honeywell. Man werde alle lokalen Gesetze und alle gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungs-, Beratungs- oder Verhandlungspflichten befolgen.

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